Manipulierte Öffentlichkeit |
31.07.2006 13:35 Uhr |
<typohead type="3">Manipulierte Öffentlichkeit
von Thomas Bellartz
Churchill war schlauer als manch anderer. Er glaubte nur den Stastitiken, die er selber gefälscht hatte.
Im Umfeld der Reformdebatte ist viel Zahlenwerk auf dem Markt. So verbreitete ein Medium der Ärzteschaft die Mutmaßungen des Professors Oberender, der ein Potenzial von 7000 zu schließenden Apotheken sieht, falls das Fremdbesitzverbot aufgehoben wird. Undurchsichtig bleibt häufig, warum wer solche Zahlen in den Raum trompetet. Welche Untersuchung ist die Basis für solch heitere Zahlenspiele? und noch viel wichtiger: Wer hat den Auftrag dazu gegeben?
In der jüngsten Veröffentlichung zum Thema Versand mit Arzneimitteln heißt es beispielsweise, bereits jeder Dritte kaufe seine Arzneimittel online. Über das Internet würden in Deutschland immer mehr Medikamente vertrieben. Bis zum Jahr 2010 werde der Marktanteil von Versandapotheken auf 8 Prozent steigen. Derzeit liege er bei rund 1,5 Prozent. Man fragt sich, warum zum einen immerhin jeder Dritte online Arzneimittel einkaufe, der Marktanteil trotzdem bei mageren 1,5 Prozent verharrt. Die Steigerung auf bis zu 8 Prozent übrigens wurde von einigen großen Versandhändlern bereits für das laufende und nächste Jahr prognostiziert.
Die Umfrage hatte das Ipsos-Institut im Auftrag des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) und des Bundesverbandes Deutscher Versand-Apotheken (BVDVA) durchgeführt. Dass die Ergebnisse also grundsätzlich vorteilhaft für den Auftraggeber ausfallen, versteht sich von selbst.
Das einzige Ziel solcher Veröffentlichungen ist die gezielte Manipulation der öffentlichen Meinung. Während weiterhin vom großen Interesse an Internetapotheken fabuliert wird, ist die Wahrheit ebenso schlicht wie datenfest: Versandapotheken sind in Deutschland nicht auf dem Vormarsch. Die mit weitem Abstand meisten Versicherten und Patienten nutzen ihre Offizinapotheke. Deren Marktanteil macht 98,5 Prozent aus. Und auch bei den positivsten Entwicklungen des Versandhandels im Jahr 2010 immerhin rund 92 Prozent. Klingt anders, ist aber so.