Abseits der Demokratie |
31.07.2006 13:35 Uhr |
Seit rund 60 Jahren ist die Bundesrepublik Deutschland eine Demokratie. Es gibt Gewaltenteilung, alle Einwohner über achtzehn Jahre dürfen wählen. Schon immer gab es natürlich auch Zeitgenossen, die sich mit Mehrheitsentscheiden schwer taten, selten waren die jedoch Minister.
Der saarländische Justiz- und Gesundheitsminister Josef Hecken sieht zur konventionellen politischen Willensbildung offenbar Alternativen. Die Expertengruppe, die die Eckpunkte zur Gesundheitsreform vorbereitet hat, wollte sich seinen Vorstellungen zur Freigabe des Fremdbesitzes bei Apotheken nicht anschließen. Minister Hecken versucht es deshalb auf einem anderen Weg. Er erteilt dem niederländischen Versender DocMorris die Erlaubnis, eine Filialapotheke in Saarbrücken zu betreiben. Er verstößt damit also eindeutig gegen das Fremdbesitzverbot und begründet dies einem europarechtlichen Gutachten.
Der Vorgang ist ebenso ungewöhnlich wie unerträglich. Es steht jedem frei, sich für seine politischen Ziele einzusetzen. Gesetze, auch das Fremdbesitzverbot, können geändert werden, sollte es dafür Mehrheiten und vernünftige Gründe geben. Genau die konnte Hecken in der Expertengruppe aber nicht vorweisen.
An dieser Stelle hat er sich entschieden, die bekannten Wege der parlamentarischen Demokratie zu verlassen und im Alleingang die Betriebserlaubnis für DocMorris zu erteilen. Der Politik, die ihm nicht folgte, will er das Mandat entziehen. Nun liegt die Entscheidung bei der saarländischen Justiz, die hoffentlich nicht dazu verdammt ist, ihrem Minister zu folgen. Einige Apotheker, die saarländischen Berufsorganisationen und der Deutsche Apothekerverband haben gegen den Rechtsbruch geklagt. Jetzt muss sich zeigen, ob ein Minister ohne politische Mehrheiten auf halbem Weg die Spielregeln ändern darf. Es wäre traurig, wenn Hecken abseits der Demokratie Erfolg hat. Es wäre auch traurig, wenn sein Vorgehen von denen unkommentiert bliebe, die mit ihm um Mehrheiten für eine Gesundheitsreform gerungen haben.
Traurig ist auch Heckens Umgang mit den Medien. Nach dem saarländischen Landespressegesetz hätte sein Ministerium der PZ den Inhalt des Rechtsgutachtens sowie den Namen des Autors mitteilen müssen. Aus zwei Gründen weigerte sich das Ministerium: Der Minister sei im Urlaub und außerdem werde die Veröffentlichung des Gutachtens abgelehnt, weil es im anstehenden Verfahren eine Rolle spiele. Durch die Veröffentlichung in der PZ würde sich das Ministerium selbst in seinen prozessualen Möglichkeiten einschränken.
Es ist zwar das gute Recht eines Justizministers, in Urlaub zu fahren. Bislang galten Gesetze aber auch während seiner Abwesenheit. Die Behauptung, mit der Veröffentlichung schränke das Ministerium seine juristischen Möglichkeiten ein, ist seit vergangenen Donnerstag ebenfalls grotesk. An diesem Tag lud das Ministerium zu einer Pressekonferenz nach Berlin ein. Dort soll am 9. August das Gutachten vorgestellt werden. Mit im Boot sind der Autor des Gutachens sowie der Profiteur von Heckens Alleingang, DocMorris-Chef Ralf Däinghaus. Auch am 9. August verkündet das Landgericht seine Entscheidung über eine einstweilige Verfügung gegen DocMorris, neunzig Minuten vor Beginn der Pressekonferenz. Für diese zeitliche Abfolge gibt es eigentlich nur zwei Erklärungen. Der Minister hat viel Mut oder er vertraut darauf, dass das Gericht seiner Argumentation folgt.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur