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Insulinanaloga

Reine Preisfrage

25.07.2006  16:51 Uhr

Insulinanaloga

<typohead type="3">Reine Preisfrage

von Daniel Rücker, Eschborn

 

Am 18. Juli 2006 erhielten die kurz wirksamen Insulinanaloga einen Platz in der Pharmaziegeschichte. Bei den Herstellern kam allerdings keine Feierstimmung auf. Die Arzneimittelgruppe ist die erste, die wegen ihres Preises nicht mehr verordnet werden dar.

 

Mit seiner Entscheidung, dass Ärzte Typ-2-Diabetikern keine kurz wirksamen Analoginsuline verordnen dürfen, hat der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Neuland betreten. Im Gegensatz zu bisherigen Entscheidungen trifft der Bannstrahl des Gremiums von Ärzten und Krankenkassen eine innovative Arzneimittelgruppe, die regulär zugelassen ist und auch sonst keinerlei medizinischen Makel aufweist. Grund für die Ausgrenzung ist allein die Preiskalkulation der Hersteller. Insulinanaloga kosten bis zu 60 Prozent mehr als Humaninsulin. Zu teuer, befindet der G-BA, der sich dabei auf ein Gutachten des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bezieht.

 

Das IQWiG hatte den kurz wirksamen Insulinanaloga jeglichen Zusatznutzen im Vergleich zu Humaninsulin abgesprochen. Institutsleiter Professor Dr. Peter Sawicki sagte, die Studien hätten keinerlei Vorteile der teuren Medikamente in Bezug auf patientenrelevante Endpunkte belegt.

 

Diese Argumentation griff der Vorsitzende des G-BA, Professor Dr. Rainer Hess, in der Begründung auf: »Bei der Entscheidungsfindung des G-BA ging es einzig und allein um die Frage, ob es für diese Patienten bei der Behandlung mit einem kurz wirksamen Insulinanalogon einen belegten Zusatznutzen gibt, der den deutlich höheren Preis rechtfertigt. Die Belege hierfür hat die pharmazeutische Industrie bislang nicht vorlegen können.«

 

Weiterhin verordnet werden dürfen die teuren Medikamente nur an Typ-2-Diabetiker mit einer Insulinallergie. Ebenfalls auf der Ausnahmeliste stehen Patienten, bei denen individuell nachgewiesen Humaninsulin schlechter wirkt als die neuen Medikamente oder bei denen auf Grund ungewöhnlich großer Insulindosen die Verordnung von Analoginsulinen preiswerter ist. Auch diese letzte Ausnahme zeigt, wie eng der G-BA seine Entscheidung an den Preis der Insulinanaloga knüpft. Der Ausschuss will damit deutlich machen: Senken die Hersteller die Preise, dann sind ihre Produkte wieder verordnungsfähig.

 

Daran denken die Hersteller im Moment nicht. Im Gegenteil, mit schwerem Geschütz haben sie die Entscheidung des G-BA angegriffen. Bereits wenige Minuten nach deren Verkündung reagierte Sanofi-Aventis mit einer Pressemeldung. Die Entscheidung sei keine tragfähige Grundlage für die Versorgung der sechs Millionen Typ-2-Diabetiker in Deutschland, heißt es darin. Das Unternehmen wertet das Urteil »als klare Absage an die Erforschung und Entwicklung innovativer Medikamente durch die forschende pharmazeutische Industrie in Deutschland«. Das Unternehmen will rechtliche Schritte prüfen.

 

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller sprach sogar von einer »selbstherrlichen Entscheidung zum Schaden der Patienten«. Dem G-BA gehe es letztlich gar nicht um die Patienten, sondern allein um die Kosten, sagte Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie witterte eine »Entscheidung gegen die Patienten«. Damit werde die »Zwei-Klassen-Medizin für Diabetiker zementiert«.

 

Die heftige Reaktion hat einen nachvollziehbaren Hintergrund. Es ist nahe liegend, dass das Beispiel Schule machen wird und weitere Arzneimittel nicht mehr nur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachweisen müssen, sondern auch einen Zusatznutzen im IQWiG'schen Sinn. Diese Furcht der Industrie nährt auch das Bundesgesundheitsministerium in einer Stellungnahme. Dessen Sprecher, Klaus Vater, geht davon aus, dass die aktuelle Debatte über Kosten und Nutzen von Arzneimitteln erst am Anfang steht.

 

Was nun passiert, ist offen. Die Ausgrenzung könnte zum 1. Januar 2007 wirksam werden. Voraussetzung ist, dass das Gesundheitsministerium der G-BA-Entscheidung zustimmt. Die Industrie wird dies verhindern wollen. Bereits in der Vergangenheit hat sie den deutschen Diabetikerverband mobilisiert. Und auch aktuell kritisiert der Verband die Entscheidung. Ein Teil der Typ-2-Diabetiker müsse die Medikamente nun selbst bezahlen. Die Politik müsse das verhindern, heißt es in einer Erklärung. Gleichzeitig wird die Industrie zu einer Preissenkung aufgefordert. Dafür plädiert auch einer der Patientenvertreter im G-BA, Stefan Etgeton. Er hat den Entschluss mitgetragen. Wenn die Pharmaindustrie die Preise senke, seien die Präparate »automatisch erstattungsfähig«.

Der Stein des Anstoßes

IQWiG und Pharmaindustrie verstehen sich deshalb so schlecht, weil sie sich nicht auf ein Procedere der Nutzenbewertung einigen können. Der Leiter des Instituts, Professor Dr. Peter Sawicki, untersucht den Zusatznutzen neuer Medikamente im Vergleich zu älteren, die in derselben Indikation eingesetzt werden.

 

Dabei orientiert sich Sawicki vor allem an so genannten patientenrelevanten Endpunkten, zum Beispiel die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten oder eine höhere Lebensqualität oder weniger Nebenwirkungen.

 

Die Industrie lehnt dies ab, denn in ihren Zulassungsstudien untersucht sie diese Punkte in der Regel nicht. Ansonsten würden die Untersuchungen zu lange dauern. Deshalb ist es wenig erstaunlich, aber eben auch nur begrenzt aussagefähig, dass das IQWiG keinen Zusatznutzen feststellt.

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