Ökonomisierung |
21.07.2006 13:54 Uhr |
Wertet man die Stimmen zu den Eckpunkten der Gesundheitsreform, kann man nur feststellen, dass außer von der Bundeskanzlerin und der Gesundheitsministerin kaum positive Stellungnahmen zu hören sind. Auch die Apothekerschaft kann mit dem Ergebnis der 16er-Runde nicht zufrieden sein.
Es ist es vollkommen, aus den Eckpunkten einen Gesetzentwurf zu formen, der zur Sicherung des deutschen Gesundheitswesens in der Zukunft führen wird. Offensichtlich war in dem 16er-Gremium zu wenig Sachverstand vertreten, um ein stimmiges Konzept zu formulieren.
Eines fällt auf: Die heilberufliche Kompetenz des Apothekers spielt keine Rolle mehr. In mühsamer Kleinarbeit haben die Apotheker den Politikern vermittelt, dass die Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht ohne Beratung und Betreuung durch die Apotheker geschehen kann. Dies wurde nun wieder zu Gunsten einer rein ökonomischen Betrachtung der Arzneimittelversorgung aufgegeben. Die Politik ist wieder auf das Niveau einer ausgabenorientierten Sparpolitik ohne vorherige Bedarfsplanung gebracht worden. Das Wahlkampf-Versprechen, in einer großen Reform die GKV-Einnahmen neu zu regeln, ist auch ein Lippenbekenntnis geblieben.
Die Androhung, 500 Millionen Euro von den Apothekern zu kassieren, wenn sie im Arzneimittelsektor nicht entsprechend einsparen, belegt ebenfalls die ausschließlich ökonomische Ausrichtung der Eckpunkte. Der Verdacht drängt sich auf, dass so die Mehrkosten der Mehrwertsteuererhöhung aufgefangen werden sollen. Dazu passt auch die irrige Annahme, durch Auseinzeln bei Arzneimitteln unter Missachtung der Arzneimittelsicherheit Geld sparen zu können. Offensichtlich hat man in der 16er-Runde von therapiegerechten Packungsgrößen, die es bereits seit vielen Jahren gibt, noch nichts gehört. Es ist nun Aufgabe der Apothekerorganisationen, durch eigene Vorschläge die heilberufliche Kompetenz der Apotheker in den Entwurf einzubringen.
Dass fast gleichzeitig unter Missachtung der deutschen Gesetzgebung, DocMorris in Saarbrücken eine Betriebserlaubnis für eine Filialapotheke erhält, unterstreicht die Ökonomisierung im Gesundheitswesen. Mit Recht erwarten die Apotheker, dass diese illegale Betriebserlaubnis gerichtlich wieder aufgehoben wird. Wie soll man sonst noch Vertrauen in einen Rechtsstaat haben, der seinen Bürgern die Einhaltung der Gesetze abverlangt, es aber selbst nicht tut.
Auch die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in der letzten Woche, die schnell freisetzenden Analoginsuline bei Typ-2-Diabetikern bis auf Sonderfälle nicht mehr zu erstatten, belegt die Ökonomisierung. Erst wenn die Hersteller den Preis senken, dürfen sie wieder erstattet werden. Damit hat man den Fortschritt der Analoginsuline Lispro, Aspart und Glulisin bezüglich der besseren Lebensqualität und höheren Compliance ignoriert. Diese Parameter gehören zwar nicht zu den harten Endpunkten einer Studie, sollten aber bei der Bewertung von Analogsubstanzen berücksichtigt werden. Der G-BA wollte mit diesem Beschluss die Hersteller zwingen, die Preise zu senken. Das hätte man über Preisverhandlungen eleganter lösen können.
Noch ein Wort zur Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens. Auch hier gäbe es eine elegante Lösung: Wegfall der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel und das Gesundheitssystem wäre um fast fünf Milliarden Euro entlastet.
Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur