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Methadon als Krebsmittel

Spiel mit dem Patienten

Datum 19.07.2017  10:29 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe / Diverse Fachgesellschaften üben derzeit Kritik an Medienberichten, die bei an Leukämie oder Hirntumoren erkrankten Patienten falsche Hoffnungen auf Heilung mit dem Schmerzmittel Methadon wecken. Das Opioid sollte nicht zur Tumor­therapie eingesetzt werden, lautet der einhellige Tenor.

Methadon ist zur Therapie starker Schmerzen und zur Substitution von Opioidabhängigen zugelassen. In der Schmerztherapie bei Krebspatienten hat es unbestritten seine Berechtigung. In den vergangenen Monaten gab es jedoch immer wieder Fernseh- und Medien­berichte, die erste Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Methadon als Krebsmittel aufgriffen und den Eindruck vermittelten, dass das ­Opioid vor allem für therapieresistente Tumorleiden eine erfolgversprechende Therapieoption sei. »Das ist falsch. Was im Labor und in sehr kleinen Studien funktioniert, hat bei Patienten in der breiten Anwendung nicht zwangsläufig die gleiche Wirkung«, betont Privatdozent Dr. Stefan Wirz, Sprecher des Arbeitskreises Tumorschmerz der Deutschen Schmerzgesellschaft (DGSS), in einer Pressemitteilung. Infolge der Berichte sei ein erheblicher Druck auf Ärzte entstanden, Methadon zu verschreiben.

Falsche Hoffnungen

 

Die Berichte berufen sich auf Untersuchungen der Ulmer Krebsforscherin Dr. Claudia Friesen. Die Chemikerin konnte im Jahr 2014 in Laborversuchen nachweisen, dass die Gabe von Methadon bei Glioblastomzellen die Wirkung von Doxorubicin um 90 Prozent verstärken kann (DOI: 10.4161/cc.28493). Grund dafür sind Opioid-Rezeptoren an der Oberfläche der Tumorzellen, an denen Methadon sowie andere zur Schmerztherapie eingesetzte Opioide andocken. Dadurch wird zum einen die Aufnahme des Zytostatikums in die Zelle erleichtert und zum anderen der Transport aus der Zelle gehemmt, sodass sich Doxorubicin in den Krebszellen anreichert. Dieser doppelte Synergismus beschleunigt das Absterben der Tumorzellen. »Zum jetzigen Zeitpunkt weiß man aber nicht, ob Methadon oder andere ­Opioide diese unterstützende und verstärkende Wirkung auch bei Patienten mit Glioblastom haben könnten«, konstatierte Wirz. Eine Prognosebesserung durch Methadon bei Tumorpatienten sei wissenschaftlich nicht belegt. Der Arbeitskreis Tumorschmerz lehne eine Anwendung von Methadon zur Tumortherapie ab.

 

Diese Einschätzung teilt DGSS-Präsident Professor Dr. Martin Schmelz der sich unter anderem mit experimenteller Schmerzforschung beschäftigt. Er fordert, zunächst zu untersuchen, ob klinisch breit eingesetzte Opioide wie Morphin, Fentanyl oder Oxycodon die gleiche Wirkung haben. Bevor eine problematische Substanz wie Methadon am Menschen getestet wird, müsse klar sein, dass man den gleichen Effekt nicht auch mit einer nebenwirkungsärmeren Substanz erzielen kann, so Schmelz. Es existierten derzeit aber weder entsprechende Erkenntnisse noch die erforderlichen kontrollierten Studien an Patienten. Ohne diese Evidenz dürfe eine verantwortungsvolle Medizin den Einsatz von Methadon zur Tumortherapie nicht befürworten. Schmelz sieht die Gefahr, dass Patienten eine etablierte und wissenschaftlich belegte Therapie ablehnen könnten, um stattdessen eine Methadon-Therapie zu fordern, deren Wirksamkeit nicht erwiesen ist.

 

Diese Befürchtung teilt Friesen nicht. In der Sendung »Stern-TV« wies sie am 28. Juni darauf hin, dass Methadon lediglich als Wirkverstärker der Chemotherapie fungiert. Kein Patient verzichte dadurch auf irgendeine Therapie. Patienten, die nach einer Weile auf die Therapie nicht mehr ansprachen, hätten unter der Zugabe von Methadon wieder auf die Chemo angesprochen. Ihre Forschungsergebnisse hätten gezeigt, dass Methadon den Widerstand der Tumorzelle gegen das Chemotherapeutikum brechen kann.

 

Studie beantragt

 

Kürzlich erschien im Fachmagazin »Anticancer Research« eine weitere Studie zum Einsatz von Methadon bei Gehirntumoren. Onkologen der Berliner Charité um Dr. Julia Onken hatten 27 Patienten mit Gliomen zusätzlich zur jeweiligen Chemotherapie im Rahmen eines individuellen Heilversuchs mit täglich 5 mg Methadon behandelt (DOI: 10.21873/ anticanres.11438). Über sechs Monate steigerten die Forscher in Abhängigkeit von der Verträglichkeit die Dosis auf bis zu 15 bis 35 mg täglich. Methadon konnte mit der Standard-Chemotherapie sicher kombiniert werden, ohne dass die Toxizität und das Risiko für vegetative Symptome wie Tachykardie, Schwitzen oder Unruhe zunahm. Das progressionsfreie Überleben war vergleichbar mit demjenigen von Kontrollpatienten früherer Studien.

 

In Berichten über die Studie fand allerdings wenig Berücksichtigung, dass der Fokus der Untersuchung auf der Verträglichkeit und Sicherheit gelegen hatte. Die Autoren hatten selbst betont, dass die Studie keine Aussage über eine potenzielle antitumorale Wirkung von Methadon zulässt. Die Evidenz sei aufgrund der geringen Probandenzahl und des retrospektiven Studiendesigns insgesamt als niedrig einzustufen.

 

Große Hoffnungen aller Beteiligten – nicht zuletzt der Patienten – liegen nun auf einer im Juni beim Deutschen Krebsforschungszentrum beantragten Studie, die Methadon und fünf weitere Substanzen bei Hirntumoren untersuchen soll. Sollte die Studie genehmigt werden, ist frühestens in drei Jahren mit Ergebnissen zu rechnen. Auch Friesen bekommt vom Universitätsklinikum Ulm finanzielle Unterstützung für weitere Forschungsreihen. /

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