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Schwangerschaft

Neues zu Risiken von Antidepressiva

19.07.2017  10:29 Uhr

Von Annette Mende / Etwa 3 bis 8 Prozent der Schwangeren nehmen Antidepressiva ein, während sie ein Kind erwarten. Da die Wirkstoffe alle plazentagängig sind, kann das Folgen für das Baby haben. In zwei aktuellen Studien wurden jetzt die Risiken für geistige Behinderung und Autismus analysiert.

Kinder von psychisch kranken Müttern haben häufig ebenfalls ein erhöhtes ­Risiko für psychische Erkrankungen. Eine Schwierigkeit bei der Beurteilung des mit der Einnahme von Antidepressiva in der Schwangerschaft verbundenen Risikos ist es daher, zu unterscheiden, welche Effekte tatsächlich mit der Medikation zusammenhängen und welche andere Gründe haben, etwa die Grunderkrankung der Mutter. Da randomisierte, kontrollierte Studien aus ethischen Gründen nicht infrage kommen, sind Forscher zur Klärung dieser Fragen auf Beobachtungsstudien angewiesen, deren Aussagekraft generell geringer ist.

Große Fallzahlen

 

Um dennoch möglichst zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, braucht man große Fallzahlen, wie sie etwa die skandinavischen Patientenregister liefern können. Beide Publikationen zu den ­Risiken der Antidepressiva zogen deshalb schwedische Registerdaten heran. In die erste, im Fachjournal »JAMA Psych­iatry« erschienene Arbeit bezog eine Gruppe um Dr. Alexander Viktorin von der Ichan School of Medicine at Mount Sinai in New York sämtliche Kinder ein, die in Schweden in den Jahren 2006 und 2007 geboren worden waren. Die Forscher ermittelten einerseits, welche der Mütter in der Zeit ­ihrer Schwangerschaft Antidepressiva angewendet hatten, und andererseits, welche Kinder bis zum Jahr 2014 die Dia­gnose geistige Behinderung (intellectual disability, ID) erhalten hatten. Letztere war definiert als Intelligenzquotient unter 70 einhergehend mit Funktionsdefiziten im Alltag (DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2017.1727).

 

ID kam bei 856 von 179 007 Kindern vor und war damit insgesamt selten. In der Gruppe der nicht exponierten Kinder lag das relative Risiko jedoch mit 0,5 Prozent niedriger als in der Gruppe der exponierten (0,9 Prozent). Unter Berücksichtigung potenziell verzerrender Faktoren, etwa Alter, Bildungsabschluss und psychische Erkrankungen der Mutter und des Vaters, war der Unterschied jedoch nicht mehr statistisch signifikant. Ein bemerkenswertes Teilergebnis war, dass fast 40 Prozent der Mütter, die als Schwangere mit Anti­depressiva behandelt wurden, vor der Geburt überhaupt keine psychiatrische Diagnose hatten.

 

Die Autoren gehen davon aus, dass das beobachtete erhöhte Risiko für ID nicht mit der Einnahme von Anti­depressiva zusammenhängt, sondern mit anderen Faktoren. Für diese Interpretation des Ergebnisses spricht auch, dass in der Studie zwischen verschiedenen Antidepressiva-Klassen keine Unterschiede gesehen wurden.

 

Autismus-Risiko leicht erhöht

 

Die zweite Studie, die sich mit einem möglichen Autismus-Risiko beschäftigte, erschien im »British Medical Journal«. Ein Team um Dr. Dheeraj Rai von der University of Bristol wertete hier Registerdaten aus dem Bundesland Stockholm der Jahre 2001 bis 2011 aus. Die Forscher berücksichtigten 254 610 Personen im Alter zwischen 4 und 17 Jahren, davon 5378 Autisten, und berechneten in den Subgruppen Mutter ohne psychiatrische Erkrankung und ohne Antidepressiva-­Gebrauch, Mutter mit Antidepressiva-Einnahme in der Schwangerschaft und Mutter mit psychiatrischer Erkrankung, aber ohne Antidepressiva-Gebrauch jeweils die Wahrscheinlichkeiten für Autismus beim Kind (DOI: 10.1136/bmj.j2811).

 

Von den Kindern, die in utero eine Antidepressiva-Exposition erfahren hatten, litten 4,1 Prozent an Autismus. Bei Nachkommen psychisch kranker Mütter, die als Schwangere nicht mit Medikamenten antidepressiv behandelt worden waren, lag die Quote bei 2,9 Prozent, also geringfügig niedriger. Überprüften die Autoren ihr Ergebnis mittels statistischer Methoden (Propensity Score Analyse und Geschwister-Kontroll-Analyse), bestätigte das den Trend. Ebenfalls erhärtet wurde die Aussage der Studie dadurch, dass eine Antidepressiva-Anwendung des Vaters sich nicht auf das Autismus-Risiko des Kindes auswirkte. Allerdings war der Risikoanstieg lediglich bei Autismus ohne intellektuelle Beeinträchtigung gegeben, ein Phänotyp, bei dem die Gene eine stärkere Rolle spielen als bei anderen.

 

Rai und Kollegen schließen daher eine – nicht erfasste – genetische Komponente als mögliche Erklärung für das Ergebnis nicht aus. Auch betonen sie, dass der ­Unterschied gering und Autismus insgesamt selten sind. Selbst wenn keine Schwangere mehr ein Antidepressivum einnehmen würde, ließen sich damit lediglich 2 Prozent aller Autismus-Fälle verhindern, so die Autoren. Sie fordern weitere Untersuchungen der biologischen Mechanismen, die zur Entstehung von Autismus führen, um einerseits die Entstehung der Entwicklungsstörung zu erklären und sie andererseits möglicherweise zu beeinflussen. /

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