Lockerung für Medikamentenwerbung |
19.07.2011 17:26 Uhr |
Von Daniela Biermann / Und schon wieder ist ein internes Informationspapier aus dem Bundesgesundheitsministerium aufgetaucht. Diesmal geht es nicht um die Apothekenbetriebsordnung, sondern um die Lockerung des Werbeverbots für Medikamente sowie den Rausschmiss der Pharmaindustrie aus Expertengremien. Was davon wirklich rechtskräftig wird und wann, steht allerdings in den Sternen.
Gesetze entstehen aus Gesetzesentwürfen, diese gehen oftmals auf Referentenentwürfe des jeweiligen Ministeriums zurück, die wiederum auf noch informelleren Vorstufen fußen. In letztere Kategorie ist wohl ein »Informationspapier« aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) einzuordnen, dass vergangene Woche die Runde durch die Medienlandschaft machte. Darin geht es um Punkte für einen Referentenentwurf zum »Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften«, zum Beispiel die Umsetzung von EU-Vorschriften auf Bundesebene.
Gemeint sind zwei bereits verabschiedete EU-Richtlinien des Pharmapakets, und zwar zur Pharmakovigilanz und gegen Arzneimittelfälschungen. Zum Beispiel soll der Begriff »Nebenwirkungen« weiter gefasst, Meldewege und -pflichten sollen konkretisiert werden. Die Angaben auf den Websites von Internetapotheken sollen vereinheitlicht werden. Die dritte Richtlinie des EU-Pharmapakets, in der es um Patienteninformationen geht, ist allerdings noch nicht in trockenen Tüchern. Trotzdem strebt das BMG bereits Neuregelungen an.
Für große Aufregung sorgte die geplante Lockerung des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Dem Informationspapier zufolge sollen »bereits behördlich authorisierte Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel« im Internet veröffentlicht werden dürfen. Dies beträfe zum Beispiel die Informationen aus Beipackzetteln. Auch Preislisten dürften veröffentlicht werden. Das HWG soll nicht für Verkaufskataloge für Medikamente gelten.
Die Pharmafirmen sollen in Zukunft für nicht verschreibungspflichtige Präparate Werbung mit Patientenschicksalen, sogenannten Testimonials, sowie mit Gutachten, Zeugnissen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen machen können. Das BMG will direkt an Patienten gerichtete Werbung für Schlafmittel und Medikamente, die »die Stimmungslage beeinflussen«, erlauben. Dies löste scharfe Proteste unter Verbraucherschützern aus. Die Änderungen scheinen mehr im Interesse der Pharmaindustrie als der Patienten zu sein.
Die Pharmaindustrie dagegen war gar nicht amüsiert über den Vorschlag, ihre Vertreter aus den Expertengremien zum Arzneimittelrecht auszuschließen. Dabei geht es konkret um die Sachverständigenausschüsse für Apotheken- und Verschreibungspflicht, die das BMG zusammenlegen will. Die Mitglieder der Gremien sollen in Zukunft »allein der medizinischen oder der pharmazeutischen Wissenschaft angehören«. Dies sei im »Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit der Gremien in rein fachspezifischen Fragen erforderlich«. Damit würden auch die Krankenkassenvertreter aus den Gremien ausscheiden.
Geheime Sitzverteilung
Vertreter verschiedener Verbände der Pharmaindustrie sitzen unter anderem in der Deutschen Arzneibuchkommission und im Sachverständigenausschuss zur Verschreibungspflicht. Wer genau zum Beispiel in letzterem Gremium sitzt, gilt als geheim. Die Industrie beansprucht dort nach eigenen Aussagen bislang nur zwei von 15 Sitzen. Die Apotheker sind mit einer Stimme über die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker vertreten.
Die Gremien haben lediglich beratende Funktion. Über Änderungen im Arzneimittelrecht entscheidet das BMG oder das dort anhängige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Verordnungen zum Arzneimittelrecht sind zudem im Bundesrat zustimmungspflichtig. Würden die Pläne des BMG tatsächlich umgesetzt, könnten Industrie und Krankenkassen ihre Argumente künftig nur noch bei Anhörungen im Bundesrat vortragen.
Die Pharmaindustrie kritisierte den geplanten Ausschluss ihrer Vertreter. »Hier soll eine über drei Jahrzehnte gut funktionierende sinnvolle Kooperation einfach aufgekündigt werden«, sagte Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH), gegenüber dem »Handelsblatt«. »Bislang haben wir ein unkompliziertes einstufiges Verfahren, bei dem alle Argumente auf dem Tisch liegen.« Kroth erwartet, dass die Pläne am Ende zu mehr Bürokratie führen werden.
Heimversorgung nur mit Vertrag
Neben weiteren für die Apotheker weniger relevanten Änderungen soll auch das Apothekengesetz geändert werden. Danach hätte ein Inhaber statt einer in Zukunft zwei Wochen Zeit bei der Behörde anzugeben, wenn sein Filialleiter wechselt. Beliefert eine Apotheke ein Heim ohne genehmigten Heimversorgungsvertrag, soll dies als Ordnungswidrigkeit gelten. /