Probleme und Lösungsansätze |
12.07.2017 10:27 Uhr |
Von Sven Siebenand / Die Geschlechtskrankheit Gonorrhö ist mangels wirksamer Antibiotika immer schwieriger zu behandeln. Darauf weist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Pressemitteilung hin. Jährlich erkranken schätzungsweise 78 Millionen Menschen an Gonorrhö. Die Krankheit wird beim ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen und kann zu Entzündungen unter anderem der Harnröhre oder des Beckens führen.
Daten aus einem Surveillance-Programm der WHO zeigen, dass in 97 Prozent der teilnehmenden Länder Resistenzen gegen Ciprofloxacin auftraten und auch die Resistenzen gegen Azithromycin zunehmen. Derzeit wurden resistente Stämme gegen das Makrolid-Antibiotikum in 81 Prozent der Länder nachgewiesen. In 66 Prozent der Länder wurden zudem Resistenzen gegen die Reserveantibiotika Cefixim oder Ceftriaxon gemeldet. Als Folge dieses Resistenz-Dilemmas rät die WHO seit 2016 dazu, mit zwei Antibiotika gleichzeitig zu therapieren: parenteral verabreichtes Ceftriaxon plus Azithromycin.
Laut WHO sind aktuell nur drei neue Wirkstoffe zur Behandlung der früher auch Tripper genannten, durch Neisseria gonorrhoeae hervorgerufenen Erkrankung in der klinischen Erprobung: Solithromycin (Phase III), Zoliflodacin (Phase II) und Gepotidacin (Phase II).
Eine im Fachjournal »The Lancet« publizierte Studie eines Forscherteams um Dr. Helen Petousis-Harris von der University of Auckland in Neuseeland macht ferner Hoffnungen auf einen Impfschutz gegen Gonorrhö (DOI: 10.1016/S0140-6736(17)31605-7). Demnach könnten bereits verfügbare Meningokokken-B-Impfstoffe möglicherweise nicht nur vor gefährlichen Hirnhautentzündungen und Sepsis durch Neisseria meningitidis schützen, sondern auch vor Infektionen mit dem genetisch 80 bis 90 Prozent verwandten Bakterium Neisseria gonorrhoeae. Die Forscher kamen dieser potenziellen Kreuzprotektion wie folgt auf die Spur: Nach einer Meningitis-Epidemie in Neuseeland erhielten dort in den Jahren 2004 bis 2006 rund eine Million junger Menschen einen Meningokokken-B-Impfstoff, der auf detoxifizierten äußeren Membranvesikeln beruhte. Für ihre Untersuchungen betrachteten die Wissenschaftler nun die Fälle bestätigter Gonorrhö-Infektionen bei neuseeländischen Patienten der Jahrgänge 1984 bis 1998, die von 2004 bis 2006 potenziell Zugang zur Massenimpfung mit dem Meningokokken-B-Impfstoff gehabt hatten, wobei sich allerdings nicht alle tatsächlich impfen ließen.
Impfstoff nicht mehr im Handel
Das Ergebnis: Bei den damals gegen B-Meningokokken Geimpften war die Inzidenz einer Gonorrhö-Infektion um etwa 31 Prozent reduziert im Vergleich zur ungeimpften Kontrollgruppe. Petousis-Harris: »Erstmals zeigt ein Impfstoff Schutz gegen Gonorrhö.« Der Haken an der Sache ist, dass es die in der damaligen Massenimpfung eingesetzte Vakzine nicht mehr im Handel gibt. Allerdings steht mittlerweile seit Längerem ein neuer erweiterter Impfstoff zur Verfügung, auch in Deutschland. In Bexsero® sind vier besonders immunogene Antigene enthalten: drei Protein-Antigene sowie die detoxifizierten Vesikel der äußeren Membran aus dem Impfstoff, der in Neuseeland zum Einsatz kam. Es besteht somit Hoffnung, dass auch der neue Impfstoff in ähnlicher Weise vor Gonorrhö schützen könnte. Das muss nun im nächsten Schritt näher untersucht werden. /