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Vaginale Mikrobiota

Schützende Mitbewohner

Datum 13.07.2016  09:02 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Die Vagina ist von Natur aus mit einer Reihe von Mikroorganismen besiedelt. Diese haben eine wichtige Funktion: Sie schützen vor Infektionen mit Krankheitserregern. Nun gibt es neuere Erkenntnisse dazu, was bei der Besiedlung als normal gelten kann.

Der Genitaltrakt der Frau besteht aus einer Aneinanderreihung von Körperhöhlen, von den Eileitern über die Gebärmutter und den Gebärmutterhals bis zur Vagina, die über den Scheideneingang mit der Außenwelt in Verbindung steht. 

 

Diese Öffnung ermöglicht sowohl den Abfluss der Monatsblutung und die Geburt eines Kindes als auch den Geschlechtsverkehr, sie birgt aber auch die Gefahr, dass Krankheitserreger eindringen und zu den Reproduktionsorganen gelangen. Um solche aufsteigenden Infektionen zu verhindern, sind die Epithelzellen der Vagina mit einer Reihe von Abwehrmechanismen des angeborenen Immunsystems ausgestattet. Sie setzen zum Beispiel Defensine frei und tragen Toll-like-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, die für Krankheitserreger spezifische Muster erkennen und daraufhin die Freisetzung von Zytokinen initiieren.

 

Eine Art dominiert

 

Neben diesen körpereigenen Abwehrstrategien schützt auch die normale Besiedlung der Vagina vor Infektionen. Etwa 250 verschiedene Bakterien-Arten, aber auch Pilze und Viren können hier vorkommen, heißt es in einem Review von Medizinern um Professor Dr. Ronald Lamont von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde NIH im Fachjournal »BJOG« (DOI: 10.1111/j.1471-0528.2010.02840.x). Dominierend sind in der Regel Lactobazillen. Deren Bedeutung für ein gesundes Scheidenmilieu hatte der deutsche Gynäkologe Albert Döderlein bereits 1892 erkannt, weshalb die Mikroorganismen auch Döderlein-Bakterien genannt werden. Früher wurden diese unter der Spezies Lactobacillus acidophilus zusammengefasst. Heute ist bekannt, dass es etwa 140 verschiedene Arten gibt, von denen etwa 20 in der Scheide vorkommen. Am häufigsten vertreten sind Lactobacillus crispatus, L. gasseri, L. jensenii, L. iners und L. vaginalis. In der Regel wird die vaginale Mikrobiota von einer einzigen Lactobacillus-Art, seltener von zwei oder mehr dominiert.

 

Lactobazillen sind stäbchen- oder kugelförmige, aerobe, grampositive Bakterien. Sie verstoffwechseln das in vaginalen Epithelzellen gebildete Glycogen zu Milchsäure. Dadurch entsteht in der Vagina ein saures Milieu mit einem pH zwischen 3,8 und 4,4. Dies trägt dazu bei, dass die Vermehrung von pathogenen Bakterien gehemmt wird.

 

Zusätzlich produzieren die Lactobazillen antibiotisch wirkende Substanzen, die sogenannten Bakteriozine, die bei steigendem pH-Wert inaktiviert werden, und Wasserstoffperoxid. Dieses trägt maßgeblich zur Schutzwirkung der Lactobazillen bei. Dabei produzieren nicht alle Lactobacillus-Spezies und deren Stämme die antiseptische Substanz in gleichem Ausmaß. In Studien konnte gezeigt werden, dass die Zahl der H2O2-produzierenden Bakterien mit dem Auftreten von Infektionen assoziiert ist. Nimmt die Zahl ab, kommt die vaginale Mikrobiota aus dem Gleichgewicht und bakterielle Vaginosen können entstehen.

Bakterielle Vaginose

Als bakterielle Vaginose wird eine krankhafte Veränderung der vaginalen Mikrobiota verstanden, wobei anaerob lebende Bakterienarten zahlenmäßig stark zunehmen, während aerob lebende abnehmen. Laut Leitlinie gilt die Diagnose als gesichert, wenn mindestens drei der folgenden vier Befunde erhoben werden können: dünnflüssiger, homogener Ausfluss (Fluor), pH-Wert in der Scheide höher als 4,5, Fisch- beziehungsweise Amingeruch des Fluor sowie Nachweis von mehr als 20 Prozent Schlüsselzellen unter dem Mikroskop. Dies sind typische, dicht mit Bakterien besetzte Epithelzellen im vaginalen Abstrich.

Dysbalance in der Mikrobiota

 

Die Zusammensetzung der vaginalen Mikrobiota ist nicht statisch. Verschiedene Faktoren wie die Stadien des weiblichen Zyklus, Schwangerschaft, die Verhütungsmethode, die Häufigkeit von Geschlechtsverkehr und die Intimhygiene beeinflussen die Mikrobiota. Auch die Einnahme von Antibiotika und anderen Medikamenten, etwa systemischen Immunsuppressiva, hat Einfluss auf die Bakteriengemeinschaft. So können Studien zufolge Geschlechtsverkehr und die Anwendung von Antibiotika die Zahl der Laktobazillen reduzieren.

 

Wenn Laktobazillen zahlenmäßig zurückgehen und andere, meist anaerobe Keime, sich vermehren, entsteht eine Dysbalance. Diese Fehlbesiedlung, auch bakterielle Vaginose genannt, ist relativ häufig. Sie kommt in Deutschland laut Leitlinie »Bakterielle Vaginose in Gynäkologie und Geburtshilfe« bei etwa 5 Prozent der Frauen vor, die zu Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt kommen. Die Prävalenz bei Schwangeren liegt zwischen 7 und 22 Prozent. Dominierender Keim ist Gardnerella vaginalis. Aber auch Atopobium-, Peptostreptococcus-, Prevotella- und Porphyromonas-Arten können vermehrt vorkommen.

 

Etwa die Hälfte der betroffenen Frauen entwickelt das charakteristische Symptom der bakteriellen Vaginose, einen grau-weißlichen, flüssigen, stark nach Fisch riechenden Ausfluss. Im äußeren Scheidenbereich können Juckreiz und Hautreizungen auftreten. Zum Teil berichten betroffene Frauen über Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder beim Wasserlassen. Bei der bakteriellen Vaginose ist die Vagina nicht entzündet. Viele Frauen fühlen sich in ihrem Wohlbefinden nicht beeinträchtigt. Therapiert wird die bakterielle Vaginose mit Metronidazol und Clindamycin in Form einer Vaginalcreme, die hochwirksam gegen anaerobe Bakterien ist, aber die Döderlein-Bakterien nicht beeinträchtigt.

 

Risiko bei Schwangeren

Während die bakterielle Vaginose wegen des unangenehmen Geruchs meist vor allem als kosmetisches Problem angesehen wird, kann sie bei Schwangeren zu ernsten Komplikationen führen und muss daher immer behandelt werden. Denn sie erhöht das Risiko für aufsteigende Infektionen, die wiederum das Risiko für einen vorzeitigen Blasensprung, vorzeitige Wehentätigkeit und Frühgeburt erhöhen. Eine frühzeitige Therapie der bakteriellen Vaginose senkt somit die Frühgeburtenrate.

 

Ein besonders hohes Risiko sowohl für eine bakterielle Vaginose als auch für Frühgeburten haben afroamerikanische Frauen. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Zusammensetzung der vaginalen Mikrobiota und das Scheidenmilieu auch von der ethnischen Zugehörigkeit abhängen. So unterscheidet sich beispielsweise der durchschnittliche pH-Wert in der Scheide in einer Untersuchung aus den USA zufolge zwischen weißen (pH 4,2), asiatischen (pH 4,4), schwarzen (pH 4,8) und hispanischen (pH 5,0) Frauen. Auch die dominierende Lactobacillus-Art ist von der Ethnie abhängig. So sind bei weißen Frauen hauptsächlich L. crispatus oder L. jensenii Hauptvertreter der milchsäureproduzierenden Bakterien, bei afroamerikanischen und hispanischen Frauen dominieren andere Spezies.

 

Ganz ohne Lactobazillen

 

Ein erheblicher Anteil von 7 bis 33 Prozent der Frauen ohne eine bakterielle Vaginose hat kaum Lactobazillen in der Mikrobiota. Deren Platz wird bei ihnen vermutlich von anderen milchsäureproduzierenden Bakterien eingenommen. Zu diesen gehören neben Atopobium vaginae auch Megasphaera- und Leptotrichia-Arten. Besonders bei schwarzen und hispanischen Frauen ist dieser Typus der vaginalen Mikrobiota weit verbreitet. Diese Erkenntnisse brachten die bisherigen Dogmen, wie eine gesunde vaginale Mikrobiota auszusehen hat, ins Wanken.

 

Um die Mikrobiota gesund zu halten, werden verschiedene vaginale Probiotika angeboten. Dabei haben Produkte mit natürlicherweise in der Scheide vorkommenden Lactobazillen-Spezies, vor allem L. crispatus, bessere Ergebnisse erzielt als solche mit anderen Arten wie L. fermentum oder L. rhamnosus, die nicht zur Scheiden­mikrobiota gehören. /

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