Lapatinib als neuer Hoffnungsträger |
04.07.2006 09:48 Uhr |
<typohead type="3">Lapatinib als neuer Hoffnungsträger
von Conny Becker, Berlin
Frauen mit HER2-positivem Mammakarzinom können wieder hoffen, selbst wenn der Tumor unter einer Therapie mit dem HER2-Antikörper Trastuzumab fortgeschritten ist. Der Tyrosinkinasehemmer Lapatinib lieferte viel versprechende Phase-III-Ergebnisse, die auf dem amerikanischen Krebskongress zu den Highlights zählten.
Lapatinib zählt zu den »small molecules«, verglichen mit den großen Antikörpern in der Krebstherapie. Wie Trastuzumab hat es den humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (HER2 oder ErbB2) als Zielstruktur, besetzt diesen jedoch nicht von außen, sondern blockiert ihn im Inneren der Tumorzelle. Darüber hinaus hemmt der duale Tyrosinkinasehemmer aber noch einen weiteren Vertreter der Rezeptorfamilie, den EGFR (epidermal growth factor receptor oder ErbB1), gegen den sich auch Erlotinib, Gefitinib und Cetuximab richten.
Um ihre tumorfördernde Wirkung zu entfalten, dimerisieren die Wachstumsfaktor-Rezeptoren in der Regel und zwar zu Homo- oder auch Heterodimeren, erklärte Privatdozentin Dr. Diana Lüftner, Charité Berlin, auf einer Pressekonferenz der Firma GlaxoSmithKline. Lapatinib hemme die Signalübertragung sowohl bei ErbB1- und ErbB2-Zusammenlagerungen als auch bei dem gemischten Paar. Daher könne man annehmen, dass der duale Tyrosinkinaseinhibitor die Erb-Signalwege besser blockiert als Substanzen, die sich nur gegen einen Rezeptor richten. Ist die Tyrosinkinase des Rezeptors gehemmt, kann dieser nicht mit Hilfe von ATP phosphoryliert werden und die Signalkaskade, die zu Proliferation und Tumorwachstum führt, ist gestoppt.
Bei einem Viertel bis Drittel der Brustkrebspatientinnen ist eine Überamplifikation des HER2-Gens in den Krebszellen zu finden, was eine schlechte Prognose bedeutet. Bezogen auf EGFR variieren die Zahlen zum Rezeptornachweis zwischen 14 und 91 Prozent. Man könne aber davon ausgehen, dass EGFR in allen Mammakarzinomzellen vorhanden ist, so die Referentin. Vorklinische Untersuchungen hätten ergeben, dass Lapatinib eine hohe Apoptoserate in Tumorzellen bewirkt. In Phase-I-Studien habe der Tyrosinkinasehemmer gezeigt, dass er nur eine geringe synergistische Toxizität mit der Chemotherapie aufweist, zudem wurden und werden verschiedene Kombinationen geprüft.
Hoffnung im schwierigen Kollektiv
Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs erhalten im metastasierten und mittlerweile auch adjuvanten Stadium Trastuzumab zusätzlich zur Chemotherapie. Doch auch wenn der Antikörper in Studien das Risiko für Rezidive oder Metastasen halbieren konnte, liege dies auch nach 30 Monaten Therapie noch bei 10 Prozent, sagte Professor Dr. Michael Untch vom Klinikum Berlin-Buch. Und was ist, wenn trotz der Antikörpertherapie Rezidive auftreten?
In dieser Situation wurde nun Lapatinib getestet. In einer randomisierten multizentrischen Phase-III-Studie erhielten 392 Patientinnen entweder eine Monotherapie mit Capecitabin (2500 mg/m2 peroral an den Tagen 1 bis 14, alle drei Wochen) oder zusätzlich zu einer auf 2000 mg/m2 reduzierten Capecitabindosis ebenfalls peroral und durchgängig jeden Tag 1250 mg Lapatinib. Alle Frauen waren HER2-positiv, wiesen innerhalb von sechs Monaten der adjuvanten Therapie einen progredienten oder metastasierten Brustkrebs auf und hatten zuvor sowohl Anthrazykline, Taxane als auch Trastuzumab erhalten. Dabei war ein Drittel der Frauen bereits nach weniger als vier Wochen unter Trastuzumab progredient und je ein weiteres Drittel in weniger beziehungsweise mehr als acht Wochen, was in einigen Fällen aber auch sechs Jahre bedeuten konnte. Die Frauen befanden sich laut Untch in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium, bei jeder zweiten waren mehr als drei Organe befallen.
Als primärer Endpunkt der Open-label-Studie galt die Zeit bis zur Tumorprogression, darauf folgte das Follow-up. Sekundäre Endpunkte umfassten das progressionsfreie Überleben, das Gesamtansprechen, das Gesamtüberleben und die Verträglichkeit. In die auf dem ASCO präsentierte (verblindete) Zwischenauswertung gingen die Daten von 321 Patientinnen ein.
Studie wegen Überlegenheit gestoppt
Die mittlere Zeit bis zur Tumorprogression (TTP) betrug im Kombinationsarm 36,9 gegenüber 19,7 Wochen unter Capacitabin allein (p = 0,00016). »Das entspricht fast einer Verdopplung«, betonte der Referent. Auf Grund dieses deutlichen Vorteils war die Studie auf Anweisung der Ethikkommission im April diesen Jahres vorzeitig abgebrochen worden. Bis zur Zwischenauswertung sei daher das mediane Gesamtüberleben noch nicht erreicht gewesen, der Vorteil in der TTP korreliere in der Regel aber mit den Überlebensdaten. Das Gesamtansprechen betrug 22,5 Prozent unter Lapatinib und 14,3 Prozent im Vergleichsarm.
Die Nebenwirkungen von Capecitabin wie das Hand-Fuß-Syndrom oder ein Hautausschlag wurden durch die zusätzliche Gabe von Lapatinib zwar gesteigert, allerdings nur wenig, so der Referent. Etwas deutlicher war der Anstieg bei der Diarrhö. Die unerwünschten Ereignisse, die zum Abbruch der Studie führten, waren in beiden Armen vergleichbar häufig (14 versus 11 Prozent). Dabei gab es keinen Abbruch auf Grund einer erniedrigten linksventrikulären Herzfunktion, unter Lapatinib traten vier, unter Monotherapie ein kardiales Ereignis auf, die aber asymptomatisch gewesen seien. Dies sei erfreulich und notwendig für den Fall, dass der Tyrosinkinasehemmer in der adjuvanten Therapie eingesetzt werden sollte.
Hirnmetastasen in Schach
Die viel versprechende Studie deutet zudem auf einen Vorteil von Lapatinib gegenüber Trastuzumab hin. Während in zahlreichen Studien mit dem Antikörper eine hohe Inzidenz von Hirnmetastasen zu erkennen war, etwa jede dritte Frau gilt als betroffen, lag die Rate an Metastasen im ZNS zum Zeitpunkt der Auswertung unter Lapatinib um den Faktor 3 niedriger als in der Kontrollgruppe. Im Gegensatz zum großen Antikörper Trastuzumab ist es Lapatinib möglich, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.
Nach dem vorzeitigen Abbruch der Studienrekrutierung war es den Frauen aus der Monotherapiegruppe möglich, in den Kombinationsarm zu wechseln. Deutsche Patientinnen, die die Einschlusskriterien der Studie erfüllen, können nach Aussage des Herstellers ab dem Herbst in einem Expanded Access Program Lapatinib erhalten. Dabei wird der Tyrosinkinasehemmer voraussichtlich in 20 über ganz Deutschland verteilten Zentren kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Der Zulassungsantrag soll noch in diesem Jahr eingereicht werden, womit Tykerb® in 2007 auf den Markt kommen könnte. Derzeit sind weitere Studien auch in der adjuvanten und neoadjuvanten Situation geplant, auch im direkten Vergleich zu Trastuzumab. Zudem wird Lapatinib auch in den Indikationen Lungen-, Darm-, Magen- und Harnblasenkrebs geprüft.