Gefährliche Leistungssteigerung |
04.07.2006 16:10 Uhr |
<typohead type="3">Gefährliche Leistungssteigerung
von Christina Hohmann, Eschborn
Seitdem Tricksereien mit dem leistungssteigernden Hormon Erythropoeitin nachweisbar sind, greifen Sportler wieder auf das »klassische« Blutdoping zurück. Jan Ullrich und andere prominente Radprofis stehen derzeit unter Verdacht, dass sie sich durch Eigenbluttransfusionen Vorteile verschaffen wollten. Die Dopingmethode kann gefährliche Nebenwirkungen haben.
Noch vor ihrem Start am vergangenen Samstag hatte die 93. Tour de France einen großen Skandal: Insgesamt 58 Radrennfahrer, darunter fast alle Topfavoriten, wurden wegen dringenden Dopingverdachts gesperrt. Bei einer Razzia in einem Madrider Labor hatten Fahnder zahlreiche verbotene Substanzen und gefrorene Blutkonserven gefunden, die für Radprofis bestimmt waren.
Die Transfusion von Eigenblut mit hoher Erythrozytenzahl soll die Leistungsfähigkeit der Sportler erhöhen, indem sie den Sauerstofftransport im Körper verbessert. Dies wäre theoretisch auch auf legalem Wege möglich. Beim Höhentraining reagiert der Organismus auf den niedrigen Sauerstoffpartialdruck, indem die Niere das Peptidhormon Erythropoeitin (Epo) verstärkt bildet. Dieses bewirkt im Knochenmark die Teilung der Erythrozyten-Vorläuferzellen und die Ausdifferenzierung zu roten Blutkörperchen. Diese transportieren Sauerstoff von der Lunge in die »verbrauchenden« Zellen, wie zum Beispiel die Muskulatur.
Denselben Effekt wie ein Höhentraining hat auch die Gabe von synthetischem Erythropoeitin. Dieses wird derzeit mit Hilfe von gentechnisch veränderten Zelllinien aus verschiedenen Hamstergattungen hergestellt. Das rekombinante Peptidhormon wird therapeutisch zur Behandlung von Anämien, zum Beispiel als Folge einer Chemotherapie, eingesetzt.
Seit Ende der 1980er-Jahre hielt das Präparat aber auch Einzug in den Leistungssport, vor allem bei Ausdauersportarten wie Radrennfahren oder Triathlon. Seit 1990 steht es auf der Liste verbotener Substanzen der internationalen Anti-Doping-Organisation WADA. Der Einsatz von Epo ist im Wettkampfsport untersagt. Dennoch wollen die Sportler auf das Präparat anscheinend nicht verzichten. Bereits bei der Tour de France 1998 kam es zu einem großen Epo-Skandal, der so genannten Festina-Affäre. Dopingfahnder fanden das Peptidhormon im Gepäck des Festina-Teams, woraufhin eine Reihe von Radprofis gesperrt wurden.
Nachweis im Urin
Epo war über lange Zeit so beliebt, weil es nicht nachzuweisen war. Seit 2000 steht aber ein direktes Verfahren zur Verfügung, das die Substanz im Urin detektiert. Das synthetische Epo unterscheidet sich vom körpereigenen Hormon in den angehefteten Zuckerseitenketten. Auf Grund dieser unterschiedlichen Glykolisierungsmuster weisen die Substanzen verschiedene isoelektrische Punkte auf, weshalb sie bei der Isoelektrischen Fokussierung getrennt werden können. Ein Nachweis von Fremd-Epo ist aber schwierig, wenn das Hormon niedrig dosiert wurde oder die Injektion mehr als sechs Tage zurückliegt.
Seitdem ein Nachweisverfahren für Epo existiert, kommt das klassische Blutdoping wieder in Mode. Eine einfache Bluttransfusion vor dem Wettkampf kann die Leistungsfähigkeit um etwa 8 bis 10 Prozent erhöhen. Dabei kann der Sportler entweder auf eigenes, zuvor abgezapftes Blut oder auf Fremdblut zurückgreifen. Beide Methoden sind sportrechtlich verboten.
Beim Eigenblutdoping wird dem Sportler Blut in der Trainingsphase abgenommen, über Wochen gekühlt gelagert und später wieder injiziert. Dabei kann die Erythrozytenzahl im Eigenblut auch durch spezielle Verfahren erhöht werden. Außerdem lässt sich die Methode mit Epo kombinieren. Mit dem Einsatz des verbotenen Mittels im Training erhöhen die Sportler die Zahl ihrer roten Blutkörperchen und lassen sich dieses »gedopte« Blut abnehmen. Bei einer späteren Transfusion ist das Fremd-Epo nicht mehr zu detektieren.
Gestörte Balance
Während Transfusionen von Fremdblut einfach nachzuweisen sind, ist dies bei Eigenblutdoping schwierig. Einen indirekten Hinweis liefert der Hämatokritwert, der den Anteil von zellulären Bestandteilen im Blut angibt. Normalerweise liegt der Wert bei Männern zwischen 43 und 50 Prozent und bei Frauen zwischen 37 und 45 Prozent. Ab Hämatokritwerten von 50 Prozent werden Sportler gesperrt. Dies hat neben der abschreckenden Wirkung auf Dopingsünder auch medizinische Gründe. Denn die Fließeigenschaften des Blutes verschlechtern sich mit steigendem Hämatokritwert, wodurch das Risiko für Blutgerinnsel und Thrombosen steigt. Diese können zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Außerdem belastet das zähflüssige Blut das Herz stärker. Aus diesen Gründen hat sich ein höherer Hämatokritwert in der Evolution nicht durchsetzen können. Er stellt einen Kompromiss zwischen der Sauerstoff-Transportkapazität und den geeigneten Fließeigenschaften des Blutes dar. In diesen einzugreifen kann tödliche Folgen haben, wie bei einigen mysteriösen Todesfällen bei Radprofis in den 90er-Jahren vermutet wird.
Beim Eigenblutdoping kommt das zusätzliche Risiko der Lagerung hinzu. Blutkonserven können nur etwa 30 bis 40 Tage bei Temperaturen von 3 bis 8 Grad aufgehoben werden. Eine unsachgemäße Lagerung erhöht das Risiko für Blutgerinnsel noch. Als besonders riskant gilt das Fremdblutdoping. Bei der Transfusion können Infektionen wie Hepatitis oder Aids übertragen werden. Außerdem können die fremden Blutkörperchen zu schweren allergischen Reaktionen bis hin zum Schock führen.