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Gelatinase-Inhibition

Schadenbegrenzung bei Schlaganfall

19.06.2012  15:35 Uhr

Von Ulrike Viegener / Eine überschießende Aktivität von Gelatinasen, proteolytischen Enzymen, spielt beim neuronalen Zellverlust nach Apoplex vermutlich eine wichtige Rolle. Mit Gelatinase-Inhibitoren will man den Untergang von Nervengewebe nach einem Schlaganfall eindämmen. Tierexperimentelle Studien legen nahe, dass das glücken könnte.

Jede Stunde, die ein Schlaganfall unbehandelt bleibt, sterben im Gehirn so viele Neuronen ab, wie während des normalen Alterungsprozesses in 3,6 Jahren. Pro Sekunde gehen 32 000 Nervenzellen und 200 Meter Nervenfasern zugrunde (»Stroke«, 2006, 37, Seiten 263 bis 266). Der Zelluntergang breitet sich aus und das Resultat sind bleibende neurologische Ausfälle bei zwei Drittel aller Patienten und nicht selten Pflegebedürftigkeit.

Mit der Lysetherapie lässt sich der Verlust von Hirngewebe begrenzen, wenn in den ersten drei Stunden nach dem Apoplex eine Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes gelingt. Eine Thera­pieoption, mit der sich die ischämieinduzierten Abbaureaktionen im Gehirn direkt und in einem Prognose verbessernden Ausmaß beeinflussen ließen, gibt es allerdings bislang nicht.

 

Deshalb sind, auch wenn es sich »nur« um tier­experimentelle Daten handelt, die mit einem Gelatinase-Inhibitor erzielten Effekte sehr inte­ressant: An einem Mausmodell des ischämi­schen Schlaganfalls ließ sich durch Gabe des Wirkstoffs nach thrombotischem Verschluss der mittleren Zerebralarterie die Infarktgröße effektiv reduzieren. In der Folge entwickelten die behandelten Tiere deutlich weniger neurologische Ausfälle als unbehandelte Tiere. Der neuroprotek­tive Effekt war auch dann noch nachweisbar, wenn der Wirkstoff erst sechs Stunden nach Ischämiebeginn verabreicht wurde (»Molecular Neurodegeneration«, 2012, doi: 10.1186/1750-1326-7-21).

 

Zerstörerische Reaktionskaskade

 

Was ist der Hintergrund für diesen Therapieansatz? Gelatinasen sind proteolytische Enzyme. Relevant in diesem Kontext sind die Matrix-Metalloproteinasen 2 und 9 (MMP-2, MMP-9), die beim Umbau beziehungsweise Abbau der extrazellulären Zellmatrix eine wichtige Rolle spielen. Sie sind deshalb im Hinblick auf den ischämischen Schlaganfall bedeutsam, weil der Sauerstoffmangel eine zerstörerische Reaktionskaskade in Gang setzt, wobei der Gelatinase-vermittelte Abbau der Zellmatrix offenbar als Initialzündung fungiert. Auch sogenannte Tight Junctions, enge membranöse Verbindungen zwischen den Zellen, werden durch die Matrix-Metalloproteinasen angegriffen. Die resultierende Lockerung des Zellverbunds zieht einen Untergang von Neuronen nach sich: Die Nervenzellen begehen kontrollierten Selbstmord (Apoptose).

 

Anschließend kommt es zu einem Gewebe-Remodelling. Auch hieran sind Matrix-Metalloproteinasen beteiligt. Sie spielen bei Reparaturprozessen nach pathologischen Ereignissen wie Ischämien eine zentrale Rolle. Dabei kann es aber zu einer überschießenden Reaktion kommen, die dann das Krankheitsbild weiter verschärft. Dies ist offenbar auch beim ischämischen Apoplex der Fall. Hohe Plasmakonzentrationen von MMP-9 scheinen bei allen Schlaganfalltypen mit einem erhöhten Risiko von Einblutungen verbunden zu sein. Dazu passt der Befund, dass eine exzessive MMP-9-Aktivität eine Störung der Blut-Hirn-Schranke nach sich zieht, was zerebralen Ödemen und Hämorrhagien Vorschub leistet.

 

Die therapeutische Intervention bei akutem Apoplex muss darauf abzielen, eine überschießende Aktivität der Matrix-Metalloproteinasen einzudämmen, gleichzeitig aber die günstigen Effekte dieser Enzyme bei den Reparaturarbeiten nicht zu beeinträchtigen. Solche günstigen Effekte sind axonales Wachstum, synaptische Plastizität und Vaskularisierung im zentralen Nervensystem.

 

Der in den tierexperimentellen Studien verwendete Gelatinase-Inhibitor hemmt selektiv die Matrix-Metallproteinasen 2 und 9. Der Wirkstoff SB-3CT zählt zu den Thiiranen, einer Stoffgruppe schwefelhaltiger Heterocyclen. Aktivierte Gelatinasen binden an den Inhibitor. Die Folge: Unter Öffnung des Thiiran-Ringes kommt es zur Blockade des aktiven Zentrums des Enzyms. /

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