Reich der unbegrenzten Möglichkeiten? |
15.06.2009 16:05 Uhr |
<typohead type="3">Onkologie: Reich der unbegrenzten Möglichkeiten?
Was vor einigen Jahren noch illusorisch klang, ist heutzutage in der Tumortherapie Realität. Welche Innovationen haben das ermöglicht? Wo liegen ihre Grenzen? Und welchen Stellenwert haben Früherkennung und Prävention?
Es klingt wie ein Widerspruch, ist aber keiner: Trotz immer besserer Methoden und Innovationen in der Onkologie werden Krebserkrankungen zukünftig ein noch größeres Problem in der Medizin darstellen. Das liegt daran, dass Tumorerkrankungen im höheren Lebensalter häufiger auftreten. »Heute geht man von rund 420.000 Neuerkrankungen pro Jahr aus«, informierte Professor Dr. Yon-Dschun Ko vom Johanniter Krankenhaus Bonn. Knapp die Hälfte davon diagnostizieren Ärzte bei Über-65-Jährigen. Deren Anteil an der Bevölkerung wird sich dem Referenten zufolge von knapp 16 Millionen auf über 22 Millionen im Jahr 2030 erhöhen und damit werden auch die absoluten Zahlen der Krebserkrankungen weiter ansteigen. Quantitativ gesehen bereiten heutzutage Darmkrebs, Lungenkrebs sowie Brust- und Prostatakrebs den Medizinern am meisten Kopfzerbrechen.
Wichtige Säulen der Tumortherapie sind die Strahlentherapie, die medikamentöse Therapie und operative Verfahren. Letztere sind Ko zufolge absolut zentral bei soliden Tumoren wie Brust-, Darm- und Lungenkrebs. »Ohne Operation keine Heilung«, nannte der Mediziner einen Grundsatz. Ein zweiter bezieht sich auf Systemerkrankungen wie Leukämien: »Keine Heilung durch Operationen!«. Ko informierte, dass durch die minimal-invasive (endoskopische) Chirurgie in den vergangenen Jahren ein echter Fortschritt erzielt werden konnte. Die Eingriffe sind für die Patienten weniger belastend und nicht so schmerzvoll. Zudem erholen sich die Patienten schneller und auch das kosmetische Ergebnis ist deutlich besser. Und: Das Verfahren ist laut Ko einer offenen Chirurgie gleichwertig, was den Überlebens-Benefit angeht.
Am Beispiel Brustkrebs erklärte der Mediziner, wieso eine adjuvante medikamentöse Therapie bei soliden Tumoren sinnvoll sein kann. »Um einzelne Tumorzellnester beseitigen zu können, braucht man eine medikamentöse Systemtherapie«, so Ko. Das mache aber nur Sinn bei Frauen mit einem hohen Rückfallrisiko. Als Meilenstein in diesem Zusammenhang bezeichnete der Mediziner die Entwicklung von Trastuzumab. Bei Frauen mit HER2/neu-positiven Tumoren lasse sich durch die Antikörper-gestützte adjuvante Therapie ein sehr deutlicher Benefit erzielen. »Mehr Heilung durch adjuvante Therapie«, fasste Ko für die Behandlung solider Tumoren zusammen. Bei Systemerkrankungen heißt sein Grundsatz dagegen: »Heilung nur durch Systemtherapie.« Als Beispiele für wichtige Innovationen nannte Ko in diesem Zusammenhang die Behandlung des aggressiven Non-Hodgkin-Lymphons mit dem Antikörper Rituximab oder die zielgerichtete Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Imatinib bei chronisch myeloischer Leukämie.
Neben der kurativen Tumortherapie spielt in der Onkologie auch die Palliativbehandlung eine wichtige Rolle. »Es gibt viele Möglichkeiten, therapeutisch tätig zu werden«, sagte Ko. Patienten mit Knochenmetastasen leiden zum Beispiel unter starken Schmerzen. Ihnen kann mit einer Operation, die zum Erhalt der Stabilität beiträgt, geholfen werden. Lungenkrebs-Patienten mit starkem Husten und Luftnot können dagegen von einer Strahlentherapie profitieren und bei Lebermetastasen kann eine medikamentöse Therapie Schmerzen und Fatigue reduzieren.
Trotz aller Innovationen in der Tumortherapie ist man weit davon entfernt, alle Patienten heilen zu können. Als realistische Zielwerte nannte Ko einen Anteil geheilter Patienten von 50 bis 60 Prozent, wenn man alle Krebsarten zusammenfasst. Derzeit liegt dieser Wert bei Männern bei etwa 40 Prozent und bei Frauen bei etwa 50 Prozent. »Prävention und Früherkennung spielen also eine wichtige Rolle«, schlussfolgerte Ko. Krebsfrüherkennung eigne sich zum Beispiel bei Darmkrebs. Denn diese Tumorart entwickelt sich über Jahre hinweg über Polypen. Die Mortalität könne um bis zu 80 Prozent gesenkt werden. Auch das Mammografie-Screening bei Frauen ist Ko zufolge effektiv. Bei Lungenkrebs machen Screening-Programme dem Referenten zufolge dagegen keinen Sinn, da der Krebs sich innerhalb weniger Monate entwickelt. Selbst ein Screening-Intervall von vier Monaten sei noch zu kurz. Aus diesem Grund ist die Prävention von Lungenkrebs, der zudem nur in 10 Prozent der Fälle geheilt werden kann (als Vergleich: bei Brustkrebs sind es 80 Prozent), umso wichtiger. »Rauch-Stopp ist alles«, so Ko.