Ursachenforschung bei BIA 10-2474 |
13.06.2017 16:47 Uhr |
Von Daniela Hüttemann / Was ging schief bei der Phase-I-Studie mit dem Arzneistoffkandidaten BIA 10-2474 Anfang 2016 in Frankreich, bei der ein Proband starb? Wissenschaftler sind auf der Suche nach der Ursache ein Stück weiter gekommen.
Wie Forscher der Universität Leiden jetzt im Fachjournal »Science« berichten, bindet die Testsubstanz nicht nur an den Zielrezeptor FAAH, sondern in hohen Dosen auch an ähnliche Proteine (DOI: 10.1126/science.aaf7497).
Das portugiesische Pharmaunternehmen Bial wollte aus BIA 10-2474 ein potentes Schmerzmittel und Anxiolytikum mit neuem Wirkmechanismus entwickeln. Es soll die Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH) hemmen, ein Schlüsselenzym im Endocannabinoid-System. FAAH baut biologisch aktive Fettsäuren wie die Endocannabinoide Anandamid und Oleamid ab. Die Gabe von FAAH- Inhibitoren soll in der Theorie Schmerzen, Ängste und Stimmungsschwankungen lindern und auch bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Multipler Sklerose helfen.
In einer Phase-I-Studie hatten zunächst bis zu 90 Teilnehmer die Testsubstanz einmalig bekommen und gut vertragen. Es wurden zunächst eher niedrige Dosen appliziert. Sechs zuvor gesunde Männer erhielten Mehrfachdosen. Alle kamen daraufhin aufgrund neurologischer Symptome ins Krankenhaus. Ein Proband starb an einem Hirnschaden.
Das internationale Forscherteam konnte nun einige Enzyme aus dem Fettsäuremetabolismus der Nervenzellen identifizieren, die BIA 10-2474 in hohen Dosen ebenfalls dauerhaft deaktiviert. Ein genetischer Defekt bei einer dieser Lipasen, PNPLA6, sei bereits zuvor mit seltenen neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht worden. Vermutlich bringt BIA 10-2474 den Metabolismus von Neuronen zum Erliegen und führt so zu Nervenschäden. Bewiesen sei dies jedoch noch nicht, betonen die Forscher.
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