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Herzinsuffizienz

Neue Wirkstoffe am Horizont

Datum 13.06.2017  16:47 Uhr

Von Sven Siebenand / Mit Blick auf eine alternde Gesellschaft wird die Behandlung der Herzinsuffizienz zukünftig noch eine größere Bedeutung bekommen. Neue Therapieoptionen sind daher gern gesehen. Im aktuellen »Pharmakon«-Heft der DPhG stellen Dr. Ludwig Höllein und Dr. Jens Schmitz, beide von der Universität Würzburg, mögliche Wirkstoffkandidaten vor.

Als vielversprechender Ansatz stellen sie beispielsweise die Verstärkung der Inotropie des Herzmuskelgewebes durch selektive Myosin-Aktivatoren vor. Um deren Wirkmechanismus zu verstehen, lohnt zunächst ein Blick auf die Zusammensetzung der Muskelfasern und die Vorgänge bei der Muskelkontraktion. Grundsätzlich liegen in Muskelfasern miteinander verzahnte Aktin- und Myosinfilamente vor. Sie gleiten bei der Kontraktion ineinander. Besondere Bedeutung kommt dabei der Beweglichkeit des Myosinfilamentkopfes zu.

 

Komplexer Vorgang

In der Entspannung berührt der Myosinkopf das Aktinfilament nicht, da Tropomyosinfäden dieses umwickeln und so die Kontaktpunkte quasi verdecken. Kommt über einen Nervenimpuls an einer Muskelzelle ein Signal an, werden schlagartig Calcium-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Reticulum (SR) ins Cytosol ausgeschüttet und damit eine Reaktionskaskade ausgelöst: Die Cal­cium-Ionen reagieren mit Troponin, das an den Tropomyosinfäden angelagert ist. Das hat zur Folge, dass für den My­osinkopf am Aktinfilament eine Kontaktstelle freigelegt wird. Bevor der Kopf hier andocken kann, muss allerdings vom endständigen Adenosintriphosphat (ATP) per Hydrolyse eine Phosphatgruppe abgespalten werden. Das erst führt zu einer Konformationsveränderung der Myosinfasern und schließlich zur Muskelkontraktion. Die Myosinköpfe kippen um einen Winkel von etwa 45 Grad und ziehen dadurch die Filamente wenige Nanometer zusammen.

 

Anschließend werden Calcium-Ionen in das SR zurücktransportiert und der Myosinkopf löst sich wieder vom Aktinfilament. Um dies zu bewerkstelligen, benötigt er Energie. Ein neues ATP- Molekül am Myosin ist dafür verantwortlich, dass der Kopf zurück in die Ausgangsposition gelangen und der Kontraktionsmechanismus von vorne starten kann. Das Myosin könnte sich nicht mehr vom Aktin lösen, hätte es keine Möglichkeit, neues ATP zu binden. Dies erklärt auch die Totenstarre.

 

Mit Omecamtiv Mecarbil gibt es einen Arzneistoffkandidaten, der in den Prozess der Herzmuskelkontraktion eingreift und so positiv inotrop wirkt. Die Substanz aktiviert die für die ATP-Hydrolyse verantwortliche myokardi­ale ATPase. Der Eingriff erfolgt also an jener Stelle, wo der Myosinfilamentkopf erst durch die Abspaltung von Phosphat am Aktin binden kann. Damit unterstützt er die für die mechanische Kontraktion notwendige Konforma­tionsänderung.

 

Calcium-unabhängiger Wirkmechanismus

 

Im Gegensatz zu anderen bei Herz­insuffizienz eingesetzten positiv inotrop wirksamen Pharmaka fördert Omecamtiv Mecarbil nicht die Freisetzung von Calcium-Ionen aus dem SR. Präklinische Studien zeigen, dass der Einsatz des oral verfügbaren Wirkstoffs eine Erhöhung von Auswurfleistung und -volumen ermöglicht. Phase-I und -II-Studien belegen auch eine Erleichterung bei Dyspnoe. In einer Phase-III-Studie soll Omecamtiv Mecarbil für die Therapie der chronischen Herzinsuffi­zienz nun weiter untersucht werden.

 

Weitere neue Therapiestrategien bei Herzinsuffizienz nehmen den sekun­dären Botenstoff cyclisches Guanosin-3´,5´-monophosphat (cGMP) ins Visier. Dieser nimmt eine wichtige Rolle in der Regulierung vieler physiologischer Prozesse ein, zum Beispiel bei der myokardialen Kontraktilität. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist die cGMP-Konzen­tration pathologisch verringert. Den Abbau von cGMP zu GMP mithilfe eines PDE-5-Hemmers zu bremsen, scheint ein logischer und sinnvoller Schluss zu sein. Studien mit Sildenafil verliefen allerdings bisher enttäuschend.

 

Eine andere Möglichkeit, um die cGMP-Konzentration zu steigern, ist es, dessen Produktion anzukurbeln. Das Enzym lösliche Guanylatcyclase (sGC) katalysiert die Bildung von cGMP aus Guanosin-5´-triphosphat. Mit Cinaci­guat hat man einen sGC-Aktivator entwickelt. Anders als beim endogenen Liganden Stickstoffmonoxid (NO) erfolgt die Aktivierung der sGC durch Cina­ciguat auch unabhängig von oxidativem Stress. NO kann dagegen nur an die sGC binden, wenn das enthaltene Eisenkation in reduzierter zweiwertiger Form vorliegt. Phase-II-Studien mit Cinaciguat waren hinsichtlich der Wirksamkeit erfolgreich, allerdings häuften sich schwere Blutdruckabfälle. Möglicherweise kann eine oral verfügbare Retard-Arzneiform dieses Problem lösen. Studien müssen das aber noch bestätigen.

 

Synergismus mit NO

 

Der Wirkstoff Vericiguat fungiert als sGC-Stimulator. Einerseits stimuliert er die sGC unabhängig von NO, andererseits wird die sGC für NO sensibilisiert, das heißt Vericiguat wirkt synergistisch mit NO. Studien deuten darauf hin, dass dieser Arzneistoffkandidat gut verträglich ist, in einer Phase-II-Studie konnte der primäre Wirksamkeitsendpunkt aber nicht erreicht werden. Daher gilt es, die Ergebnisse weiterer Studien abzuwarten.

 

Last but not least versucht man auch mittels Gentherapie die Herz­insuffizienz zu behandeln. Ziel eines Ansatzes ist es, die Rücktransportrate an Calcium-Ionen in das SR zu steigern. Für diesen Transport ist das Protein SERCA (Sarcoplasmic/Endoplasmic Reticulum Calcium ATPase) verantwortlich. Bei Herzinsuffizienz ist die Expressionsrate einer wichtigen Isoform stark vermindert. Tierversuche und Unter­suchungen mit menschlichen Zellen zeigten, dass sich durch die gezielte, virus­vermittelte SERCA2a-Expression im Herzgewebe die Kontraktionsfähigkeit der Zellen steigern lässt. Ausgereift ist diese Methode allerdings noch nicht und auch erste Studienergebnissen brachten nicht den erwarteten Erfolg. Auch an dieser Stelle gilt es also, die genannten Therapiestrategien weiterzuentwickeln. Noch ist nicht abzusehen, welche dieser Mittel es tatsächlich zur Zulassung bei Herzinsuffizienz schaffen werden. /

Pharmakon – Zeitschrift der DPhG

Herzinsuffizienz ist der Themenschwerpunkt der aktuellen Ausgabe von »Pharmakon«, der Zeitschrift für Mitglieder der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Sie enthält neben dem hier vorgestellten Beitrag von Dr. Ludwig Höllein und Dr. Jens Schmitz unter anderem Artikel über die Pathophysiologie, aktuelle Leit­linien und Weißdornextrakt. »Pharmakon« erscheint sechsmal jährlich. Jede Ausgabe hat einen inhaltlichen Schwerpunkt, der in mehreren Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet wird. Ein kostenloses Abonnement ist in der DPhG-Mitgliedschaft inbegriffen. Die Zeitschrift ist auch als Einzelbezug erhältlich. Weitere Informationen finden Interessierte auf pharmakon.info.

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