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Antidepressiva

Bei Jugendlichen meist wirkungslos

15.06.2016  09:05 Uhr

Von Annette Mende / Mit Ausnahme von Fluoxetin haben die meisten Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen keinen Effekt. Das ergab die bislang umfassendste Metaanalyse von publizierten und nicht veröffentlichten Studien zu dieser Wirkstoffgruppe, die jetzt im Fachjournal »The Lancet« erschien.

»Die Behandlung mit Antidepressiva scheint Kindern und Jugendlichen mit einer akuten Major Depression keinen klaren Vorteil zu bieten. Fluoxetin ist wahrscheinlich die beste Option, die bei einer Indikation für eine Pharmakotherapie in Betracht gezogen werden sollte«, schreibt das internationale Autorenteam um Dr. Andrea Cipriani von der University of Oxford und Dr. Xinyu Zhou von der Chongqing University in China (DOI: 10.1016/S0140-6736(16)30385-3). Die Forscher empfehlen, junge Patienten unabhängig vom eingesetzten Wirkstoff eng zu überwachen, insbesondere zu Beginn einer antidepressiven Pharmakotherapie.

Die Metaanalyse schloss 34 Studien mit insgesamt 5260 Teilnehmern und 14 verschiedenen Antidepressiva ein: Amitriptylin, Citalopram, Clomipramin, Desipramin, Duloxetin, Escitalopram, Fluoxetin, Imipramin, Mirtazapin, Nefazodon, Nortriptylin, Paroxetin, Sertralin und Venlafaxin. Die Autoren bewerteten für jeden Wirkstoff die Effektivität, die Verträglichkeit, die Akzeptanz sowie schwere damit in Verbindung stehende Schäden, etwa suizidale Gedanken oder Suizidversuche.

 

Einzig für Fluoxetin ergab sich ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Nortriptylin war weniger gut wirksam als sieben andere Antidepressiva und Placebo. Imipramin, Venlafaxin und Duloxetin zeigten das schlechteste Verträglichkeitsprofil, was sich in einer signifikant höheren Therapieabbruchrate verglichen mit Placebo äußerte. Unter Venlafaxin entwickelten Patienten häufiger als unter fünf anderen Antidepressiva und Placebo suizidale Gedanken oder unternahmen Suizidversuche. Die Autoren weisen darauf hin, dass sie die Suizidalität aufgrund fehlender Daten nicht für alle Wirkstoffe umfassend beurteilen konnten.

 

Schlechte Datenlage

 

Überhaupt war die Datenlage unbefriedigend. 22 Studien (65 Prozent) waren von Pharmaherstellern gesponsert, zehn hatten nach Kriterien der Cochrane Collaboration ein hohes Risiko für Verzerrung, 20 ein mittleres und lediglich vier ein niedriges. In einer Pressemitteilung beklagt Cipriani den fehlenden Zugang zu Patientendaten: »Ohne diesen ist es schwierig, die Effekte präzise abzuschätzen. Wir können nicht sicher sein, dass die Informationen in den publizierten und nicht veröffentlichten Studien tatsächlich korrekt sind.«

 

Jon Jureidini von der University of Adelaide in Australien stößt in einem begleitenden Kommentar ins selbe Horn (DOI: 10.1016/S0140-6736(16)30585-2). Die Häufigkeit von Nebenwirkungen werde möglicherweise aufgrund von falscher Codierung unterschätzt. So seien in vier Studien, die Paroxetin mit Placebo verglichen, lediglich 13 von 413 Ereignissen (3 Prozent) in der Paroxetingruppe berichtet worden. »Das erscheint nicht plausibel, denn die erneute Analyse der Patientendaten von nur einer dieser vier Studien ergab zehn Ereignisse bei 93 Patienten (10,8 Prozent).«

 

Antidepressiva seien daher für Kinder und Jugendliche vermutlich gefährlicher und weniger effektiv als bislang angenommen, so Jureidini weiter. Das gelte möglicherweise auch für Fluoxetin. Auch er fordert im Sinne der Teilnehmer an klinischen Studien eine umfassende Publikation aller Daten, die daraus gewonnen werden. »Der Behauptung, dass der Zugang zu diesen Daten geistiges Eigentum und die Privatsphäre der Patienten verletzt, muss entschieden widersprochen werden.«

 

Was ihre eigenen Studien mit neuen Wirkstoffen betrifft, sehen das die forschenden Pharmaunternehmen bekanntlich anders (siehe Artikel auf der vorherigen Seite). Und auch darüber, welchen Stellenwert Antidepressiva in der Behandlung von depressiven Patienten – nicht zwangsläufig von Jugendlichen – haben sollten, gibt es verschiedene Auffassungen (lesen Sie dazu Depressionen: »Manchmal macht es mich sauer«). /

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