Freispruch für die Gurke |
14.06.2011 17:20 Uhr |
Der vergangene Freitag war ein guter Tag für alle Rohkost-Fans. Rechtzeitig vor dem verlängerten Pfingstwochenende haben die Behörden die Verzehrwarnung vor Gurken, Tomaten und Salat aufgehoben. Einzig frische Sprossen gelten noch als mögliche EHEC-Überträger. Damit wird auch in den Gemüseabteilungen der Supermärkte deutlich, was sich in den Nachrichtensendungen bereits angekündigt hatte: EHEC ist im Rückzug begriffen. Überspitzt ausgedrückt: Dirk Nowitzki hat mit seinen Dallas Mavericks die spanischen Salatgurken von den Titelseiten der deutschen Zeitungen verdrängt.
So weit, so erfreulich. Für die meisten von uns ist damit das Thema erledigt. Nicht so schnell vergessen werden den sogenannten »EHEC-Skandal« aber alle diejenigen, die nach Infektion mit enterohämorrhagischen Escherichia coli bleibende Schäden davontragen. Bislang haben 300 Patienten nach überstandenem hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) Nierenschäden zurückbehalten. Wie viele von ihnen sich von der EHEC-Infektion wieder vollständig erholen werden, ist derzeit völlig unklar (lesen Sie dazu EHEC-Epidemie: Was bleibt, sind Nieren- und Hirnschäden). Bis dato kerngesunde Menschen können so über Nacht dialysepflichtig werden oder auf die Warteliste für eine Spenderniere geraten. Gerade erst hat die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände anlässlich des Tages der Organspende am 4. Juni auf den Mangel an Spenderorganen aufmerksam gemacht. Änderungen im Transplantationsgesetz, die letztlich die Zahl an Organspendern erhöhen sollen, werden derzeit im Bundestag diskutiert (lesen Sie dazu Organspende: Zuspruch für Transplantationsbeauftragte). Auch der Bedarf an Blutkonserven ist durch EHEC gestiegen. Einen Anlass, um Menschen für eine Blutspende zu motivieren, bietet etwa der alljährliche Weltblutspendetag am 14. Juni.
Und was wird nach der EHEC-Epidemie sonst noch in Erinnerung bleiben? Den Verbrauchern vermutlich die beruhigende Erkenntnis, dass ihre Salatgurken nicht mit Gülle gedüngt werden. Den deutschen Landwirten mit Sicherheit die – letztlich unbegründete – Warnung des Robert-Koch-Instituts vor Gurken, Tomaten und Salat, die sie mitten in der besten Erntezeit empfindlich getroffen hat. Und den Politikern hoffentlich die Einsicht, dass eine Bundesbehörde, die Meldungen über bestätigte EHEC-Fälle nur per Post entgegennimmt und deren Website bei größerem Besucherandrang regelmäßig zusammenbricht, nicht mehr zeitgemäß ist. Es wäre zu hoffen, dass die Nachbereitung der Epidemie sich nicht im parteipolitischen Geplänkel verliert, sondern tatsächlich zur Verbesserung bestehender Strukturen genutzt wird. Bei allem Übel hätte der EHEC-Ausbruch dann auch etwas Gutes gehabt.
Annette Mende
Redakteurin Pharmazie