Pluspunkte für die alten Antidiabetika |
12.06.2007 14:52 Uhr |
<typohead type="3">Pluspunkte für die alten Antidiabetika
Orale Antidiabetika bilden die erste Stufe der Therapie von Typ-2-Diabetikern, die ihr Stoffwechselproblem mit nicht medikamentösen Maßnahmen allein nicht in den Griff bekommen. Dabei sind die ältesten Wirkstoffe immer noch Mittel der Wahl: Metformin und Sulfonylharnstoffe.
Nahezu neun von zehn Typ-2-Diabetikern sind zu dick. Weltweit rechnet man mit 246 Millionen Diabetikern, im Jahr 2025 sollen es 350 Millionen sein. Der Zuwachs wird vor allem in Ländern Südamerikas, in Indien und China erwartet, wenn die Einwohner den westlichen Lebensstil übernehmen.
Zentrale Elemente jeder Diabetesprävention und -therapie sind Bewegung, Ernährungsumstellung und Gewichtsreduktion, hob Dr. Frank Dörje, Erlangen, hervor. Diabetiker brauchen zudem eine Schulung. Ziel der Maßnahmen ist ein Langzeitblutzucker (HbA1c) unter 6,5 Prozent, postprandiale Blutzuckerwerte von 80 bis 135 mg/dl und Nüchternwerte von 80 bis 100 mg/dl, heißt es in der Nationalen Versorgungsleitlinie von 2002. Zudem sollen Frauen ihren BMI unter 24 und Männer unter 25 absenken. Als Blutdruckobergrenze gelten 130/80 mmHg, als LDL-Cholesterol-Grenze je nach Risikoprofil 115 oder 100 mg/dl.
Die Leitlinie sieht eine abgestufte zielwertorientierte Therapie vor. Dabei sei die pharmazeutische Begleitung des Patienten unerlässlich, denn die etablierten Arzneistoffe könnten viel effektiver eingesetzt werden, mahnte der Apotheker.
Wenn Patienten mit der Basistherapie ihren HbA1c-Wert innerhalb von drei Monaten nicht unter 7 Prozent drücken können, verordnet der Arzt eine Monotherapie mit oralen Antidiabetika (OAD). Mittel der ersten Wahl sind Metformin und Sulfonylharnstoffe, bei Beachtung von Kontraindikationen und Nebenwirkungen. Die preisgünstigen Mittel senken den HbA1c-Wert um bis zu 1,5 Prozent.
Die Liste der Pluspunkte für Metformin, das zeitweilig schon völlig aus der Therapie verschwunden war, ist lang. Es senkt effektiv die basalen und postprandialen Blutzuckerspiegel, ohne die Insulinsekretion zu fördern, und löst keine Hypoglykämien und Gewichtszunahme aus. Langzeitstudien fielen sehr positiv aus. Bei der Verordnung sind jedoch einige Kontraindikationen zu beachten: Nieren-insuffizienz, Hypoxie, Leberfunktionsstörungen und bevorstehende Operationen. Werden diese beachtet, tritt die gefürchtete Laktatazidose äußerst selten auf. Dörje: »Bei übergewichtigen Patienten und Beachtung der Kontraindikationen ist Metformin Mittel der ersten Wahl.«
Sulfonylharnstoffe wie Glibenclamid und Glimepirid wirken unabhängig vom Glucosespiegel insulinotrop und verbessern damit die Glucoseutilisation. Nachteil: Die Patienten fühlen sich bald hungrig, essen zwischendurch und nehmen zu. Zudem kann es zu Hypoglykämien kommen.
Dörjes Bewertung: Sulfonylharnstoffe sind die Erstlinien-OAD bei normalgewichtigen Patienten und bei Kontraindikationen gegen Metformin. Wird der HbA1c-Wert von 7 Prozent mit Basismaßnahmen plus Monotherapie nach drei Monaten nicht erreicht, fügt der Arzt ein zweites OAD hinzu. Die Leitlinie nennt Glinide, Glitazone und Acarbose.
Die ebenfalls insulinotrop wirksamen Glinide stufte der Krankenhausapotheker als Alternative zu Sulfonylharnstoffen bei ausgewählten Patienten ein. Sie wirken rascher und kürzer und lösen weniger Hypoglykämien aus. Nachteile: Die HbA1c-Senkung ist meist geringer als bei Sulfonylharnstoffen, zudem gibt es keine Endpunktstudien.
Kritisch bewertete er die Glitazone. Zwar verringern Rosi- und Pioglitazon die Insulinresistenz, beeinflussen das Lipidprofil günstig und lösen keine Hypoglykämien aus. Doch negativ sind Gewichtszunahme, Ödeme und der hohe Preis. In Studien trat eine erhöhte Inzidenz von Herzinsuffizienz auf. Eine gewisse Hepatotoxizität sei zu beobachten. Erst kürzlich wurde über Knochenbrüche bei Frauen berichtet. Ganz aktuell sind Hinweise auf eine deutlich erhöhte Kardiotoxizität und Herzinfarktrate unter Rosiglitazon. »Hier ist Zurückhaltung geboten«, urteilte Dörje und riet zu einem konservativen Vorgehen bei der Neueinstellung von Patienten.
Einen neuen Therapieansatz eröffnen Dipeptidyl-Peptidase-4-Hemmstoffe. Sitagliptin wurde kürzlich in Deutschland in Kombination mit Metformin oder Glitazonen zugelassen. Vildagliptin ist noch nicht zugelassen. Sie senken den HbA1c-Wert um 0,5 bis 0,9 Prozent, ohne Hypoglykämien auszulösen. Im Tierversuch konnten sie sogar die Betazellfunktion erhalten. Es gibt jedoch keine Langzeitdaten zu Sicherheit und harten Endpunkten, sodass Dörje den Stellenwert der neuen Stoffe noch nicht bewerten wollte.
Erreichen die Patienten mit der Zweierkombination nach drei Monaten keine gute Stoffwechsellage, wird nicht aufdosiert oder ein drittes OAD zugegeben. Spätestens dann muss Insulin eingesetzt werden.
Ermittlung des individuellen Risikos mit dem FINDRISC-Fragebogen:
www.diabetes-risiko.de/diabetes-findrisk.html
Nationale Versorgungsleitlinie 2002:
www.leitlinien.de/versorgungsleitlinien/diabetes2