Grüne Kraft für Herz und Gefäße |
12.06.2007 14:52 Uhr |
<typohead type="3">Grüne Kraft für Herz und Gefäße
Ärzte verordnen kaum noch Phytopharmaka. Umso häufiger sind Apotheker die ersten Ansprechpartner der Patienten. Klinische Studien, zum Beispiel die kürzlich vorgestellte SPICE-Studie zu Weißdornextrakten, liefern Argumente für die Beratung.
Das wichtigste Phytopharmakon zur Behandlung der Herzinsuffizienz ist Crataegus. Weißdornblätter mit Blüten sind die gebräuchliche offizinelle Droge. Nachgewiesenermaßen wirkt sie positiv inotrop, verlängert im Gegensatz zu anderen positiv inotropen Pharmaka die Refraktärzeit des Herzens und erweitert die peripheren Gefäße. Die Monografie der Kommission E nennt als Anwendungsgebiet die »nachlassende Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend dem Stadium NYHA II«.
Die Wirksamkeit von Crataegus-Extrakten wurde in sechs lacebokontrollierten klinischen Studien mit dem Fahrradergometer nachgewiesen, erklärte Professor Dr. Volker Schulz, Berlin. Als wirksam gelten heute Tagesdosen von 600 bis 1800 mg Extrakt. In einer placebokontrollierten Studie mit mehr als 200 schwer herzinsuffizienten Patienten (NYHA III) linderten Tagesdosen von 900 und 1800 mg die Beschwerden, während sich die Belastungstoleranz nur in der Hochdosisgruppe besserte.
Für Aufsehen sorgte im März dieses Jahres die randomisierte doppelblinde SPICE-Studie. Darin wurden 2681 Patienten mit mäßiger bis ausgeprägter Herzinsuffizienz (NYHA II und III) und einer linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) unter 35 Prozent aufgenommen, berichtete der Internist und Phyto-Experte. Über 24 Monaten nahmen die Patienten zusätzlich zu ihrer Standardmedikation zweimal täglich 450 mg des Extraktes WS 1442 (Crataegutt®) oder Placebo ein. Endpunkte waren die kardiale Gesamtmortalität, definiert als plötzlicher Herztod, tödlicher Herzinfarkt oder Tod durch Progression der Herzinsuffizienz.
Die Ergebnisse sind eher ernüchternd. Die Gesamtmortalität war in der Gruppe mit dem Phytopharmakon tendenziell, aber nicht signifikant geringer als in der Placebogruppe. Nur beim Endpunkt plötzlicher Herztod profitierte eine Subgruppe deutlich: Patienten mit einer LVEF über 25 Prozent erlitten signifikant seltener den Herztod. In puncto Nebenwirkungen gab es in der gesamten Studie keine signifikanten Unterschiede zwischen Placebo und Verum.
Schulz´ Bewertung: Diese große Studie war »zu mutig«, denn es wurden Patienten einbezogen, die für die Phytotherapie zu schwer herzkrank waren. Dies zeigten die Durchschnittswerte der LVEF von 24 Prozent sowie die Tatsache, dass die meisten Patienten wegen der Herzinsuffizienz bereits drei und mehr Arzneimittel einnahmen. Bei diesem Studiendesign »konnte kein besseres Ergebnis erwartet werden«. Als großen Pluspunkt bewertete Schulz die gute Verträglichkeit. Crataegus sei derzeit das einzige Kardiakum, das für die Selbstmedikation geeignet ist, vorausgesetzt, die Herzinsuffizienz ist ärztlich diagnostiziert. Dann sollte das geprüfte Präparat hoch dosiert eingesetzt werden.
Während eine Phytotherapie bei Hypertonie heute der Medizingeschichte angehört, ist sie bei Hypotonie durchaus möglich. Neben physikalischer Therapie werden Ätherisch-Öl-Drogen und coffeinhaltige Getränke empfohlen. Campher wirkt bei Inhalation oder Einnahme analeptisch auf das Atem- und Kreislaufzentrum (nicht für Säuglinge und Kleinkinder). Auch Rosmarin- und Lavendelöl stabilisieren den Kreislauf. Spitzenreiter bei den coffeinhaltigen Drogen ist Guarana. Zum Nutzen von grünem Tee stellte Schulz eine Studie vor, in der 40.000 Japaner elf Jahre lang beobachtet wurden. In der Gruppe, die regelmäßig viel grünen Tee trank, halbierte sich die Hirninfarktrate im Vergleich zur Gruppe mit dem niedrigsten Konsum. Das Risiko, an einem Herz-Kreislauf-Tod zu sterben, sank bei viel Tee trinkenden Frauen, aber nicht bei den Männern, um ein Drittel. Eine Zulassung habe die FDA dennoch abgelehnt, da von bisher elf Studien zum grünen Tee nur vier einen Nutzen nachgewiesen hätten.
Hinsichtlich der Lipidsenkung sind die Daten laut Schulz klar: Artischocken-Präparate sind dafür nicht geeignet und Knoblauch habe die hohen Erwartungen auch nicht erfüllen können. Dass Patienten sich unter Knoblauch-Einnahme wohl fühlen, liege eher an den tonisierenden Effekten. Zudem seien eine Erhöhung der Fibrinolyse und Abnahme der Blutviskosität und in der Folge eine verbesserte Mikrozirkulation gezeigt worden. Dazu sind erhebliche Mengen notwendig: 4 g frischer Knoblauch oder 600 bis 1200 mg Pulver. Unter der hohen Dosierung treten gelegentlich orthostatische Probleme auf; dies könnte ein indirekter Hinweis auf blutdrucksenkende Effekte sein, sagte Schulz.
Auf eine mögliche Atheroskleroseprävention weist eine neuere epidemiologische Studie hin. Hatten die Probanden mehr als zwei Jahre lang regelmäßig Knoblauchpulver eingenommen, hatten sie, gemessen an der Pulswellengeschwindigkeit, weniger »steife« Blutgefäße als »Nie-Anwender«.