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GKV-Finanzierung

Nicht einmal eine Notlösung

13.06.2006  15:53 Uhr

GKV-Finanzierung

<typohead type="3">Nicht einmal eine Notlösung

von Thomas Bellartz, Berlin

 

Nun soll es das Gesundheitsfondsmodell lösen. Das soll keinem weh tun - nicht der Privaten Krankenversicherung (PKV), nicht den Versicherten und schon gar nicht der großen Koalition. Trotzdem droht das Modell, auf der Strecke zu bleiben. Union und SPD fällt es schwer, die eigenen Versäumnisse zu verbergen.

 

Die Einladung klang dramatisch, sie klang nach Inhalt, nach Information aus erster Hand. Was am Ende blieb, war ein reines Ablenkungsmanöver, ein Bluff, nichts als heiße Luft. Die Pressekonferenz von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), Wolfgang Zöller (CSU) und Elke Ferner (SPD) nach dem Spitzengespräch der Koalition im Kanzleramt sollte Klarheit bringen über die Fortschritte bei den Verhandlungen über eine Reform. Das Gegenteil war der Fall. Nichts ist klar und von Fortschritten kann keine Rede sein.

 

Ein Fondsmodell soll die Finanzprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zumindest übergangsweise lindern. Die Details sind unklar, es exisitieren nur einige Eckpfeiler. So sollen Ausgaben und Einnahmen der Kassen voneinander getrennt werden. Die Kassen erhalten für jeden ihrer Versicherten einen festen Sockelbetrag; eventuell für Versicherte mit schweren Vorerkrankungen zusätzliches Geld. Mit diesem Kapital müssen sie dann haushalten, sie können ihren Versicherten natürlich auch weitergehende Versicherungsleistungen anbieten.

 

Die Arbeitgeber zahlen festgeschriebene Beiträge ein. Weitere Einzahler sind die Arbeitnehmer und auch Rentner. Strittig wie manch anderer Eckpunkt dürfte die Frage sein, ob Versicherte auch für Kapitaleinnahmen Beiträge bezahlen müssen. Außerdem wird über einen Zuschuss der privaten Krankenversicherer debattiert. Die wehren sich mit Händen und Füßen - so heftig, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag nicht mehr anders konnte und unzweifelhaft den Erhalt der PKV unterstrich. Die Kanzlerin hatte noch vor wenigen Tagen ihre Verhandlungsmannschaft persönlich auf das Modell eingeschworen.

 

Eigentlich sollte nach dem Treffen der Fraktions- und Parteispitzen am vergangenen Donnerstag mehr Klarheit herrschen, doch das genaue Gegenteil ist eingetreten. Das nur bruchstückhaft besprochene Fondsmodell wird von Krankenkassen, Gewerkschaften und der Opposition heftig attackiert. Vom »bürokratischen Monster« ist die Rede. Schlimmer noch ist die Debatte in den eigenen Reihen: Sowohl in der SPD als auch in der Union regt sich Widerstand gegen das Modell, das bereits vor mehreren Wochen von Unions-Fraktionschef Volker Kauder ins Gespräch gebracht worden war. Es stellt sich die Frage, warum sechs Wochen vergangen sind, bis die Verhandlungsführer nun mit denselben Inhalten wie Kauder an die Öffentlichkeit gehen.

 

Dabei steigt der Druck, auch seitens der Krankenkassen. Nach dem Minus des ersten Quartals und angesichts der anstehenden finanziellen Herausforderungen im nächsten Jahr, werden bereits die ersten Beitragssatzanhebungen angekündigt. Dagegen ist nun auch Ulla Schmidt (SPD), die bislang den Deckel auf dem Topf halten wollte, machtlos.

 

Sollte sich die Koalition nicht schleunigst auf ein Reformkonzept verständigen, droht nicht nur der angeblich festgezurrte Zeitplan ins Wanken zu geraten. Dann dürfte der weitere Prozess bis zum Jahresende nicht mehr zu schaffen sein.

 

Hatte die Koalition darauf gesetzt, das Fondsmodell führe auf den Weg des geringsten Widerstands, sieht sie sich nun mit dem Gegenteil konfrontiert. Die Professoresn Lauterbach und Rürup, ansonsten nie einer Meinung, warnen unisono vor dem Modell, das den Faktor Arbeit zu sehr belaste und zu bürokratisch sei. Am Sonntag wollen die Koalitionsspitzen Vorentscheidungen treffen. Weitere Spitzentreffen sind für 25. Juni und 2. Juli geplant.

Kommentar: Imitation statt politischer Aktion

Der Frust wird größer Tag um Tag. Die große Koalition schafft es nicht, sich mit Herz und Verstand ihrer wichtigsten Aufgabe zu widmen, der Reform des Sozialstaats. Das Wahlergebnis vom Herbst 2005 ist längst vergessen. Der damit verbundene Auftrag scheint sogar im ruhigen Fahrwasser einer Koalition der zumindest nach der Wählergunst großen Parteien abhanden gekommen.

 

Union und SPD sind nicht, wie viele immer wieder anmerken, in der Realität angekommen. Nein, es macht vielmehr den Eindruck, als ließen sie die Realität links liegen. Sie umgehen die eigentlichen Probleme, wollen Hürden nicht überspringen, sondern sich daran vorbeischleichen oder untendurch huschen. Im Sport führt Letzteres unweigerlich zur Disqualifikation. Man ist raus aus dem Rennen, hat keine Chance auf einen Podiumsplatz.

 

Wenn die große Koalition zu einer Pressekonferenz ruft, um der versammelten Nation zu erläutern, wie die Reform des Gesundheitswesens auszusehen hat, dann steigt der Erwartungsdruck ins schier Unermessliche. Wenn dann doch nichts Konkretes präsentiert wird, wenn von einem Fondsmodell die Rede ist, das nur die große Koalition, nicht aber das Gesundheitswesen rettet, dann verkommt Politik zu einem bloßen Imitat ihrer selbst.

 

Ulla Schmidt, Wolfgang Zöller und Elke Ferner haben am vergangenen Freitag erneut den Eindruck hinterlassen, dass man bald Ergebnisse präsentieren wird, der Zeitplan steht angeblich. Sie verkauften die Unentschiedenheit der Koalition als Aktivität. Doch genau das ist es eben nicht, was unterm Strich herauskommt. Es gibt keine Aktivität, höchstens eine gefühlte. Gesundheitspolitik findet nicht statt, sie wird bestenfalls imitiert. Die Regierung tut nur so als ob.

 

Und auch beim »als ob« verlässt die Koalitionäre selbst jegliche Vorstellungskraft. Das Fondsmodell ist ein Rohrkrepierer, nicht besser als die schlechten Spargesetze der Vergangenheit. Eine plan- und konzeptlose Koalition ist auf dem besten Weg zur Selbstdemontage. Und das nicht, weil sie den Bürgern unangenehme Wahrheiten präsentiert, Reformen bereits durchgesetzt hätte.

 

Schwarz-rot scheitert an einem erheblichen Mangel an Konzeptions- und Kommunikationsfähigkeit. Die große Koalition wirkt zusehends instabil und hinterlässt den Eindruck, sie sei nicht mehr als ein schwindsüchtiges Imitat.

 

Thomas Bellartz

Leiter der Hauptstadtredaktion

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