Mäuse ignorieren Mendel´sche Gesetze |
12.06.2006 12:19 Uhr |
<typohead type="3">Mäuse ignorieren Mendel´sche Gesetze
von Sven Siebenand, Eschborn
Auch RNA, nicht nur DNA scheint bei der Vererbung genetischer Information eine Rolle zu spielen. Einem französischem Forscherteam ist es gelungen, bei genetisch veränderten Mäusen eine Erbanlage per RNA auf die nächste Generation zu übertragen. Dies berichten Dr. Minoo Rassoulzadegan und ihre Kollegen von der Universität Nizza im Fachjournal »Nature« (Band 441, Seite 469 bis 474).
Die Forscher untersuchten Mäuse mit einer veränderten Version des so genannten Kit-Gens in der DNA. Diese Tiere besaßen weiße Flecken auf ihren Schwänzen. Wurden sie mit Artgenossen gekreuzt, die zwei normale Kit-Allele besaßen, so wiesen alle Nachkommen überraschenderweise weiße Punkte auf, selbst wenn sie zwei intakte Kit-Allele geerbt hatten.
Des Rätsels Lösung scheint die RNA zu sein. Die Forscher entdeckten, dass die veränderten Kit-Gene große Mengen an RNA-Molekülen erzeugten, die sich auch in den Spermien der mutierten Mäuse fanden. Es sei möglich, dass diese Moleküle bei der Befruchtung weitergegeben werden und zu den weißen Flecken führen. Der Nachweis gelang den Forschern, indem sie veränderte Kit-RNA in normale Mäuse-Embryonen injizierten: Die Folgegeneration kam mit weißen Flecken auf den Schwänzen zur Welt. Grund sei, dass die RNA in den Spermien, die Aktivität des Kit-Gens durch RNA-Interferenz lahm lege.
Auch in menschlichem Sperma haben Wissenschaftler bereits RNA nachgewiesen. Lassen sich Rassoulzadegans Ergebnisse in weiteren Studien bestätigen, müssten die Mendel´schen Vererbungsgesetze neu überdacht werden. Zudem wäre bei der Erforschung von Erbkrankheiten ein weiterer Schritt gemacht. Zum Beispiel wäre eine Antwort darauf gefunden, weshalb Erbkrankheiten zum Teil auch in der Folgegeneration auftreten, obwohl kein krankhaft verändertes Gen nachzuweisen ist.
Kurze Zeit nach dieser Publikation berichten US-amerikanische und schweizerische Wissenschaftler, ebenfalls in Nature (DOI: 10.1038/nature04916 und DOI: 10.1038/nature04917), von der Entdeckung einer neuen Klasse kurzer RNA-Moleküle in den Hoden von Mäusen. Diese sind ein wenig länger als die bisher bekannten kurzen RNA-Moleküle wie die so genannte microRNA oder small interfering RNA (siRNA).
Die Forscher untersuchten, ob zwischen der neu entdeckten RNA und den so genannten Piwi-Proteinen ein Zusammenhang besteht. Denn diese Proteine ähneln anderen Proteinen, die mit kurzkettiger RNA in Wechselwirkung treten. Ein RNA-Partner für Piwi-Proteine, die in Mäusehoden exprimiert werden und die Spermienbildung beeinflussen, konnte bislang aber nicht ausgemacht werden. Das änderte sich, als die Wissenschaftler die Proteine aus den Maushoden isolierten. Sie fanden Stücke der neu entdeckten RNA, die daran gebunden waren.
In weiteren Untersuchungen soll nun geklärt werden, welche Funktion diese RNA genau besitzt. Sie könnte zum Beispiel einen Einfluss auf die Zellteilung bei der Meiose haben und die Spermienbildung steuern. Interessant ist zudem, dass auch in menschlichen Hoden ähnliche RNA-Typen existieren.