Leberschäden durch Arzneistoffe |
04.06.2013 17:31 Uhr |
Zahlreiche Arzneistoffe können die Leber schädigen. Sogar letale Verläufe mit Leberversagen sind möglich, aber selten. Eine Kausalität zwischen der Einnahme eines Arzneimittels und einem späteren Leberschaden herzustellen, ist jedoch oft schwierig, wie Professor Dr. Rolf Teschke vom Klinikum Hanau erläuterte.
»Leberschäden durch Arzneistoffe sind mit einer Inzidenz von 1:10 000 bis 1:100 000 exponierten Patienten selten«, sagte der Gastroenterologe. Bei normaler Dosierung seien sie nicht vorhersehbar und je nach Substanz unterschiedlich häufig. Weltweit werden schätzungsweise etwa 1000 chemisch definierte Arzneistoffe produziert, die klinisch relevante Leberschäden hervorrufen können. In der Literatur finden sich zudem Fallberichte zu insgesamt 60 verschiedenen pflanzlichen Arzneimitteln, die möglicherweise hepatotoxische Eigenschaften haben.
Enzymwerte verraten Leberschaden
Bei jeder Schädigung der Leber komme es zu einer Freisetzung von Leberenzymen in den Blutkreislauf, deren Ausmaß Auskunft über die Schwere des Schadens geben könne, so Teschke. Entscheidend sei hierbei die Bestimmung der Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) sowie der Alkalischen Phosphatase (AP). Überschritten der GPT- und/oder der AP-Wert das Zweifache des oberen Normwerts, liege ein Leberschaden vor.
Mehr als 1000 Arzneistoffe sind potenziell lebertoxisch und können klinisch relevante Leberschäden hervorrufen.
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Häufig sei ein Arzneistoff-bedingter Leberschaden jedoch nur schwierig zu diagnostizieren, berichtete der Mediziner. Denn teilweise verliefen Lebererkrankungen vollkommen symptomlos und würden zufällig durch erhöhte Leberwerte entdeckt. Oftmals zeigten die Patienten aber auch viele unspezifische Anzeichen wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Oberbauchbeschwerden oder Fieber. Später kämen dunkler Urin, ein entfärbter Stuhl, Hautjucken und Gelbsucht hinzu. »Der Arzt sieht viele Symptome, aber keine Diagnose«, sagte Teschke. Daher seien Fehldiagnosen häufig.
Auch histologische Bilder der Leber lieferten keinerlei Hinweise, um eine toxische Lebererkrankung von einer nicht toxischen zu unterscheiden. »Die Diagnose eines Arzneistoff-bedingten Leberschadens muss immer eine Ausschlussdiagnose sein«, erklärte Teschke. Andere mögliche Erkrankungen sollte der behandelnde Arzt zuvor ausschließen. Dies müsse häufig auch retrospektiv erfolgen, da der Zustand der Leber des Patienten vor der Arzneistoff-Exposition nicht bekannt sei.
Da es keine spezifischen diagnostischen Marker gibt, empfahl Teschke, einen Kausalitäts-Algorithmus anzuwenden. Weltweit bewährt habe sich die CIOMS-Skala (Council for International Organiations of Medical Sciences), die leberspezifisch und für toxische Lebererkrankungen validiert sei. Die CIOMS-Skala gebe harte Kriterien zur Kausalitätsbewertung vor und sei sehr genau. Die Skala bezieht unter anderem die Latenzzeit bis zum Auftreten der Reaktion, den Verlauf der GPT-Werte nach dem Ende der Arzneimittel-Therapie, Risikofaktoren wie Alter und Alkohol-Konsum sowie die Komedikation des Patienten ein. Die häufig in diesem Zusammenhang angewendete WHO-Skala ist laut Teschke hingegen ungeeignet, da sie zu allgemein und nicht spezifisch auf Leberschädigungen ausgerichtet ist.
Im Verdachtsfall das Arzneimittel absetzen
Erste wichtige Maßnahme bei einem Arzneimittel-bedingten Leberschaden: »Bei Verdacht auf einen Zusammenhang muss der Patient das Präparat sofort absetzen«, sagte der Mediziner. Eine spezifische Behandlung existiert lediglich bei der Paracetamol-Intoxikation: Die Gabe von N-Acetylcystein ersetzt den Mangel an Glutathion und fängt so gebildete toxische Substanzen ab. In anderen Fällen toxischer Leberschäden kommen Urodesoxycholsäure oder Corticoide zum Einsatz. Bei schweren Verläufen mit akutem Leberversagen kann eine Lebertransplantation indiziert sein.
Teschke appellierte an Ärzte und Apotheker, frühzeitig an einen möglichen Zusammenhang mit der Arzneimitteleinnahme des Patienten zu denken. Wichtig sei, dass die Heilberufler beim Verdacht auf eine Leberschädigung durch einen Arzneistoff jeden Einzelfall gut dokumentierten.