Goodbye Leber |
04.06.2013 17:31 Uhr |
Ethanol ist ein kleines, unscheinbares Molekül. Auf dem Weg zu seinem Abbauprodukt im Körper entstehen jedoch Aldehyde und Radikale, die Entzündungsreaktionen auslösen können. Vor allem die Leber wird sowohl von der akuten als auch der chronischen Alkohol-Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen. Es drohen Krebs, Tod oder der Verlust des Organs.
Die akute Belastung der Leber mit Ethanol führt zu einer mikrovesikulären Verfettung des Organs und zur Aktivierung von Faserbildung. »Hier beginnen die Komplikationen«, sagte Professor Dr. Christian P. Strassburg. Denn Endzustand dieses Prozesses ist die Leberzirrhose, die wiederum wichtigster Risikofaktor für ein Leberzell-Karzinom ist.
Mehr als 10 bis 24 g Alkohol pro Tag sollten es für Männer nicht sein. Wer mehr trinkt, schadet seiner Leber.
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Bereits relativ geringe Mengen Ethanol können der Leber gefährlich werden. Der Mediziner vom Universitätsklinikum Bonn nannte eine Grenze von 10 bis 12 g Ethanol pro Tag bei Frauen und 10 bis 24 g bei Männern. 10 g entsprechen in etwa einem Achtelliter Wein oder einem Viertelliter Bier. Wer 40 bis 50 g Alkohol täglich zu sich nimmt, erhöht im Vergleich zu Abstinenzlern das Risiko einer Leberzirrhose um den Faktor sechs.
Verträgt die Leber mehr Alkohol, wenn vor den Drinks Silymarin geschluckt wird? Strassburg konnte das nicht bestätigen und riet davon ab. Eine Happy-Pill für den Herrenabend gebe es nicht. Allerdings böten zwei Tassen Kaffee pro Tag einen gewissen Leberschutz. Ob dies aber vor einer Zirrhose schützt, sei nicht eindeutig bewiesen.
Müdigkeit ist ein wichtiges Symptom
Mit dem sogenannten Glasgow Alcoholic Hepatitis Score (GAHS) können Mediziner anhand von fünf Parametern eine Mortalitäts-Wahrscheinlichkeit von Patienten mit Anzeichen einer akuten Alkohol-Erkrankung ermitteln. »Bei einem GAHS von mindestens 9 beträgt die 28-Tage-Überlebens-Wahrscheinlichkeit nur 50 Prozent«, sagte Strassburg. Es handele sich also um eine akut lebensbedrohliche Erkrankung. Diese Patienten profitieren dem Referenten zufolge von einer Steroid-Therapie. Allerdings müssen innerhalb von sieben Tage die Bilirubin-Werte runtergehen. Ist das nicht der Fall, kann das Steroid abgesetzt werden, da die Therapie nicht anschlägt. Antioxidanzien bringen laut Strassburg bei der Behandlung der akuten Alkoholerkrankung keinen Nutzen. Dagegen habe Pentoxyphyllin möglicherweise durch die Blockade von TNF-α einen geringen Effekt.
Die chronische Alkohol-Erkrankung verläuft oft schleichend. »Der Schmerz der Leber ist die Müdigkeit«, sensibilisierte der Referent für ein wichtiges Symptom von chronischen Lebererkrankungen im Frühstadium. Im weiteren Verlauf bringt die Leberzirrhose etliche therapeutische Herausforderungen mit sich.
Aszites beruht auf dem Pfortaderhochdruck. Behandelt wird häufig mit Diuretika wie Spironolacton, Furosemid und Torasemid, mit Parazentesen sowie dem Ersatz von Albumin. Eine Alternative um den Pfortaderdruck zu senken, ist die Implantation eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS). »Damit lässt sich Aszites wunderbar kontrollieren«, so Strassburg. Einen Überlebensvorteil bringe TIPS allerdings nicht. Die Mortalität werde durch die Zirrhose determiniert. Zudem steige durch TIPS das Risiko von Enzephalopathien. Letztere lassen sich durch die Implantation einer Aszites-Pumpe, die das Wasser aus dem Bauchraum in die Blase pumpt, vermeiden. Typische Anzeichen einer hepatischen Enzephalopathie sind laut Strassburg unter anderem verminderte Merkfähigkeit, Antriebsarmut und Veränderungen im Schriftbild. Der Mediziner nannte als mögliche Behandlungsoptionen Lactulose-Einnahme, Einläufe, eine Therapie mit dem lokalen Antibiotikum Rifaximin und den Verzicht auf tierische Eiweiße.
Der portale Hypertonus sorgt nicht nur für die Wasseransammlung im Bauchraum, sondern auch für eine arterielle Unterfüllung. Der Körper reagiert hier auf den Wassermangel mit Vasokonstriktion. Dadurch wird zum Beispiel die Niere nicht mehr ausreichend durchblutet. Das sogenannte hepatorenale Syndrom ist laut Strassburg eine große therapeutische Herausforderung. Neben TIPS kommen hier Vaskonstriktoren wie Terlipressin und Midodrin zum Einsatz, die den Einstrom von Blut in den Bauchraum drosseln.
Transplantation nur nach sechs Monaten Karenz
Strassburg betonte, dass Alkoholiker auch mit einer Leberzirrhose im Anfangsstadium leben können. Wichtig sei Alkohol-Karenz, um die Progredienz der Erkrankung abzustellen. So könne dann auch eine Lebertransplantation vermieden werden. Laut Referent ist die alkoholische Leberzirrhose mit 37 Prozent der Fälle der häufigste Grund für die Transplantation. In den meisten Fällen sei absolute Alkohol-Karenz über sechs Monate Voraussetzung für die Aufnahme auf die Warteliste.