Freibeuter im Haifischbecken |
04.06.2012 15:53 Uhr |
Politik ist die Kunst des Möglichen, soll einst Otto von Bismarck gesagt haben. Ein Zitat, das Staatsmänner auch heute gerne verwenden, wenn es darum geht, unliebsame Kompromisse zu rechtfertigen. Doch populär war es noch nie, nach dieser Devise Politik zu machen. Und Wähler sind heute weniger denn je bereit, angeblich alternativlose Entscheidungen hinzunehmen.
Eine politische Kraft, die davon sehr profitiert, sind die Piraten. Zwar verbinden die meisten Wähler mit den Piraten inhaltlich nichts als die Forderungen nach Transparenz und freiem Internetzugang. Dennoch ist die Protestpartei nacheinander in vier Landtage eingezogen. Jetzt muss sie den Erfolg inhaltlich unterfüttern. Denn Umfragen zeigen: Auch mit den Piraten haben die Wähler bald keine Geduld mehr, wenn sie konkrete Fragen weiterhin nur mit dem Verweis auf ihre noch nicht abgeschlossene Programmfindung beantworten. Wie sich die Piraten im Haifischbecken der Realpolitik bewähren werden, ist noch nicht abzusehen. Was der jungen Partei gesundheitspolitisch vorschwebt, lesen Sie im Artikel Piraten im Interview: Wir brauchen die Krankenkassen nicht.
Unabhängig davon, ob man die Vorschläge der Piraten als realistisch, wirklichkeitsfremd oder visionär bezeichnen möchte, steht eines fest: Der Erfolg dieser Partei ist sowohl Symptom als auch Folge eines Wandels der politischen Kultur. Langfristige Bindungen an bestimmte politische Weltanschauungen gehen verloren. Stattdessen sind schnelle Statements zu tagesaktuellen Themen gefragt. Die Politik wird dadurch spannender, weil weniger kalkulierbar. Auf der anderen Seite macht es sie aber auch stressiger – nicht nur für Spitzenpolitiker aller Parteien, sondern auch für politische Interessenvertreter. Denn die Verbündeten von heute können morgen schon plötzlich ganz anderer Meinung sein. Eine schmerzhafte Erfahrung, die wir Apotheker in der jüngsten Vergangenheit bereits machen mussten.
Annette Mende
Redakteurin Pharmazie