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Typ-2-Diabetes

Feiner Staub, große Gefahr

Datum 29.05.2012  14:59 Uhr

Von Sven Siebenand, Stuttgart / Verpestete Luft erhöht nachgewiesenermaßen das Risiko für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Feinstaub und Stickstoffoxide richten möglicherweise aber noch anderen Schaden an. Seit Kurzem stehen sie im Verdacht, auch das Risiko für Typ-2-Diabetes zu erhöhen.

Die als Feinstaub bezeichnete Staubfraktion besteht zur Hälfte aus Teilchen mit einem Durchmesser von 2,5 μm (siehe Kasten). Diese können tief in die Lunge eindringen und dort lokale Reaktionen auslösen. Doch nicht nur das: Sie können auch systemische Entzündungsprozesse anstoßen, wie Professor Dr. Michael Roden vom Deutschen Diabetes-Zentrum Düsseldorf auf der Jahrestagung der Deutschen Diabetischen Gesellschaft in Stuttgart informierte.

Erste Evidenz für eine systemische Wirkung der feinen Staubpartikel kommt aus Tierversuchen. So reagierten Mäuse, die zehn Monate lang Feinstaub-belastete Luft einatmen mussten, mit Insulinresistenz, verminderter Glucosetoleranz und einer Entzündungsreaktion. Diese ließ sich bei den Versuchstieren nicht nur in der Lunge, sondern auch im viszeralen Fettgewebe, also dem Bauchfett, nachweisen. Begleitet war die Reaktion von einer Zunahme des oxidativen Stresses und einer Abnahme der Mitochondrienzahl. »Feinstaubbelastung könnte daher über einen entzündungsfördernden Mechanismus den Energiestoffwechsel stören und so die Entwicklung von Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes begünstigen«, so Roden.

 

Autobahnnähe schädlich

 

Auch epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Auftreten von Typ-2-Diabetes. Seit 1985 läuft im Ruhr­gebiet eine Langzeituntersuchung an 1775 deutschen Frauen zu den gesundheitlichen Folgen der Luftverunreinigung, die sogenannte Salia-Kohorte (Study on the Influence of Air pollution on lung function, Inflammation and Ageing). Die Frauen waren damals Mitte 50 und wohnten in unterschiedlich stark verkehrsbelasteten Gebieten. Sie waren also in unterschiedlichem Maß von quietschenden Reifen, heulenden Motoren und der Abluft aus dem Auspuff betroffen.

 

Im Zeitraum von 1990 bis 2006 erkrankten 187 Frauen, also gut 10 Prozent, neu an Typ-2-Diabetes. Dabei hatten Frauen mit hoher Schadstoffbelastung aus dem Straßenverkehr ein signifikant höheres Erkrankungsrisiko als Frauen mit geringerer Belastung. Roden nannte eine Risikoerhöhung zwischen 15 und 40 Prozent. Dieser Anstieg ist zwar im Vergleich mit einem anderen bekannten Risikofaktor nur moderat: Ein Body-Mass-Index (BMI) über 30 geht mit einer 300-prozentigen Risikoerhöhung einher. Dennoch warnte Roden, dass hier möglicherweise ein neuer Risikofaktor entsteht, der nur bedingt beeinflussbar ist.

Exkurs Feinstaub

Als Feinstaub (englisch: Particulate Matter, PM) bezeichnet man Teilchen in der Luft, die nicht sofort zu Boden sinken, sondern eine gewisse Zeit in der Atmosphäre verweilen. Sie sind mit bloßem Auge normalerweise nicht wahrzunehmen. Je nach Korngröße der Teilchen wird Feinstaub in Fraktionen unterteilt: Unter PM10, der Grobfraktion, versteht man Staubteilchen, deren aerodynamischer Durchmesser kleiner als 10 μm ist. Als Feinfraktion oder PM2,5 bezeichnet man Teilchen, deren Durchmesser weniger als 2,5 μm beträgt. Als ultrafeine Partikel gelten Teilchen unter 0,1 μm Durchmesser.

 

Es ist erwiesen, dass sich das Einatmen von Feinstaub negativ auf den Gesundheitszustand auswirkt. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn sich an der Oberfläche von Stäuben gefährliche Stoffe wie Schwermetalle oder Krebs erzeugende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe anlagern. Auch die Staubpartikel selbst stellen ein Gesundheitsrisiko dar, und dieses ist umso größer, je kleiner sie sind. Denn kleine Partikel dringen tiefer in die Atemwege ein. Dadurch gelangen sie in Bereiche, von wo sie beim Ausatmen nicht wieder ausgeschieden werden.

 

Die Weltgesundheitsorganisation hat in Untersuchungen festgestellt, dass es keine Feinstaubkonzentration gibt, unterhalb derer keine schädigende Wirkung zu erwarten ist. Hierin unterscheidet sich Feinstaub von vielen anderen Schadstoffen. Nicht nur kurzzeitig erhöhte Konzentrationen führen zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen. Gerade die längerfristige Exposition geringerer Konzentrationen wirkt gesundheitsschädigend. Die Feinstaubbelastung sollte also so gering wie möglich sein.

 

Quelle: Umweltbundesamt

Die Salia-Studie war weltweit die erste Untersuchung, in der sich eine direkter Zusammenhang zwischen Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Konzentration am Wohnort und der Diabetes-Inzidenz fand – unabhängig von Adipositas, Raucher- und sozioökonomischem Status. Weitere Studien bestätigten diese Ergebnisse. So war einer US-amerikanischen Studie zufolge das Diabetesrisiko für Frauen, deren Wohnort nahe an einer dicht befahrenen Straße lag, um 20 Prozent erhöht. Ähnliche Ergebnisse kamen bei einer dänischen Studie he­raus. Die zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemessenen wohnortnahen Stickstoffdioxid-Konzentrationen und die Wohnentfernung zu einer dicht befahrenen Straße (Abstand kleiner als 50 Meter) waren mit einem 20 Prozent höheren Diabetesrisiko verbunden.

 

Roden machte ferner darauf aufmerksam, dass neben dem Feinstaub zum Beispiel auch Pestizide, Bisphenol A und Schwermetalle mit einem erhöhten Diabetesrisiko in Zusammenhang gebracht werden. Man müsse damit rechnen, dass eine Reihe dieser Faktoren synergistisch wirkt.

 

Weiterer Forschungsbedarf

 

»Die epidemiologische Evidenz für eine Assoziation zwischen Umweltfaktoren und Typ-2-Diabetes ist da«, sagte Roden. Die Evidenz für eine kausale Abhängigkeit sei bisher aber gering. Der pathologische Zusammenhang zwischen Schadstoffbelastung und Typ-2-Diabetes bedürfe noch weiterer Erforschung. Offene Fragen sind zum Beispiel: Wie relevant sind Umweltfaktoren im Vergleich zu anderen Faktoren? Und ist das Risiko in Deutschland geringer als in Ländern mit besonders hoher Luftverschmutzung? Interessanterweise ist Diabetes zum Beispiel in Indien und China stark auf dem Vormarsch. Dafür gibt es sicher mehrere Gründe. Die Luftverschmutzung sollte man dabei nicht vergessen. / 

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