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Diarrhö

Racecadotril als OTC-Präparat

21.05.2013  16:47 Uhr

Von Elke Wolf, Ingelheim / Als verschreibungspflichtiger Arzneistoff hatte es Racecadotril (Tiorfan®) schwer, sich auf dem Markt der Durchfallmittel zu behaupten. Zudem verloren alle Antidiarrhoika ihre Erstattungsfähigkeit. Im März ist der Enkephalinase-Hemmer nun für Erwachsene aus der Rezeptpflicht entlassen worden und kommt im Juni als Vaprino® in die Apotheken.

»Racecadotril ist ein gut verträglicher Arzneistoff, der eine akute Diarrhö wirksam behandelt und als Zusatztherapie zu oralen Rehydratationsmaßnahmen eingesetzt werden kann«, stellte Professor Dr. Wolfgang Fischbach, Ärztlicher Direktor am Klinikum Aschaffenburg, die neue Therapie­option für die Selbstmedikation auf einer Pressekonferenz vor. Die Zulassung erhielt der Arzneistoff 2004 zur Behandlung der akuten Diarrhö zunächst bei Säuglingen und Kindern. 2008 folgte die Zulassung für Erwachsene.

 

Racecadotril ist ein Prodrug, das nach peroraler Einnahme rasch resorbiert und zu Thiorphan als aktivem Metaboliten hydrolysiert wird. Dieser hemmt die Enkephalinase, eine Zellmembran-Peptidase, die in verschiedenen Geweben, vor allem jedoch im Dünndarmepithel, lokalisiert ist. Dieses Enzym baut exogene und endogene Peptide wie die Enkephaline ab.

 

Enkephaline sind endogene Opioide, die in großen Mengen in den Entero­zyten des Verdauungstraktes sitzen und bei Durchfallerkrankungen eine entscheidende Rolle spielen. Sie wirken über die Aktivierung von δ-Opioid-Rezeptoren antisekretorisch. Doch ihre Halbwertszeit ist extrem kurz, da sie enzymatisch rasch abgebaut werden. Hier greift Racecadotril ein. Es hemmt spezifisch die Enkephalin­ase und steigert somit die Enkephalin-Konzentra­tion. Dadurch werden die δ-Opioid-Rezeptoren in der Darmwand vermehrt stimuliert. In der Folge nehmen Chlorid- und Wassersekretion ab.

 

»Die übermäßige Flüssigkeitsausscheidung in den Darm wird also reduziert«, erklärte Fischbach. Unbeeinflusst davon sei jedoch die Basalsekretion, was das Risiko einer Dehydratation verringert. Dabei scheint die Wirksamkeit von Racecadotril unabhängig vom Krankheitserreger zu sein, wie Vergleiche zwischen dem Effekt bei Rotavirus-bedingter und sonstiger akuter Diarrhö zeigen. »Bei Cholera-induziertem Durchfall ist die Substanz allerdings nicht wirksam«, informierte Fischbach.

 

Wirkeintritt nach einer halben Stunde

 

Nach der Einnahme dauert es etwa eine halbe Stunde, bis die Enkephalinase gehemmt wird. Der maximale Effekt zeigt sich bei einmaliger Gabe nach etwa zwei Stunden, wobei die Wirkung rund acht Stunden anhält. Die Halbwertszeit beträgt circa drei Stunden. Die Ausscheidung aktiver Metaboliten findet größtenteils über den Urin statt. Erwachsene nehmen zu Behandlungsbeginn eine Hartkapsel à 100 mg Wirkstoff unabhängig von der Tageszeit, danach je eine dreimal täglich, wenn möglich vor den Hauptmahlzeiten. Die Behandlung in Eigenregie sollte nicht länger als drei Tage dauern. Neben den Hartkapseln gibt es für Kinder ab drei Monaten Racecadotril als Granulat, das ist dann aber wie gehabt verschreibungspflichtig.

Untersuchungen, die Racecadotril mit Placebo vergleichen, zeigen ein signifikant geringeres Stuhlgewicht, eine geringere Stuhlfrequenz sowie eine geringere mittlere Dauer der Erkrankung. So erholte sich die Hälfte der in Studien mit Racecadotril behandelten Patienten innerhalb von zehn Stunden nach Beginn der Behandlung, 80 Prozent innerhalb von 24 Stunden. Im Gegensatz dazu litt noch etwa die Hälfte der mit Placebo behandelten Patienten am zweiten Tag unter Durchfällen.

 

Racecadotril versus Loperamid

 

In den Vergleichsstudien besserte Racecadotril die Diarrhö ebenso wirksam wie der Motilitätshemmer Loper­amid, sagte Fischbach und stellte sechs direkte Vergleichsstudien mit insgesamt mehr als 1300 Patienten vor. Was das Nebenwirkungsprofil betrifft, sieht Fischbach in zumindest einem Teil der Studien Vorteile für Racecadotril. So ist durch die motilitätshemmende Wirkung von Loperamid und die damit bedingte längere Verweildauer des Stuhls im Darm die Gefahr einer verringerten Toxinausscheidung etwa nach einer Infektion mit Salmonellen, Shigellen, Yersinien oder Campylobacter denkbar. Fischbach: »Der Krankheitsverlauf könnte protrahiert werden und zudem könnte sich die Infektion ausbreiten, da Krankheitserreger nicht ausgeschieden werden.«

 

Racecadotril dagegen lasse die Darmtransitgeschwindigkeit unbeeinflusst, wie Studien an Tieren und Menschen zeigen. »Außerdem tritt die nach Loper­amid-Gabe gehäuft beobachtete überschießende Obstipation unter Racecadotril seltener auf.« Racecadotril zeige zudem keine Arzneimittelinteraktionen und eigne sich daher besonders für ältere Patienten mit Begleitmedikation. /

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