Pharmazeutische Zeitung online
Apothekenbetriebsordnung

Mehr Verantwortung für den Apotheker

22.05.2012  17:30 Uhr

Von Daniel Rücker / In wenigen Tagen wird die neue Apothekenbetriebsordnung in Kraft treten. Nach 25 Jahren war eine Generalüberholung notwendig, sagte Dr. Andreas Kiefer, Vorstandsmitglied der Bundesapothekerkammer. Im Apothekenbetrieb wird sich einiges ändern.

PZ: Die Apotheker sind über 25 Jahre mit der alten Apothekenbetriebsordnung gut gefahren. Warum war eine neue Apothekenbetriebsordnung nötig?

 

Kiefer: Die bisherige Apothekenbetriebsordnung stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1987. Damit waren die Apotheker zufrieden, denn auch unter den bestehenden gesetzlichen Vo­raussetzungen konnten sie ihre Patienten gut versorgen. Aber natürlich haben sich die Pharmazie und die Apotheken in den letzten 25 Jahren weiterentwickelt. Zudem mussten Entwicklungen aus dem europäischen Kontext umgesetzt werden. Deshalb halte ich es für eine angemessene Entscheidung des Verordnungsgebers, nach fast 25 Jahren eine Überarbeitung zu verabschieden. Die übergeordneten Ziele trage ich mit: Eine verbesserte Arzneimittelsicherheit, insbesondere bei der Arzneimittelherstellung sowie bei der Information und Beratung, und eine verbesserte Versorgung.

 

PZ: Wie stark werden die Neuerungen in der Apothekenbetriebsordnung die Arbeit in den Apotheken beein­flussen?

Kiefer: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, denn die Organisation der Betriebsabläufe ist in den einzelnen Apotheken sehr unterschiedlich. Übertriebener Aktionismus ist hier fehl am Platz. Für Apotheken, die bereits heute auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik arbeiten, wird sich der Anpassungsbedarf in Grenzen halten.

 

PZ: Wo sind die Änderungen am größten?

 

Kiefer: Auf den ersten Blick scheint die verpflichtende Einführung eines nicht zertifizierten pharmazeutischen QMS mit der dazugehörigen Dokumentation die größte Herausforderung. Doch unabhängig davon betreffen die größten Änderungen konkret zwei Arbeitsbereiche: Einerseits Information und Beratung, andererseits Herstellung und Prüfung. Die Rolle des Apothekenleiters wird sich in diesen Arbeitsbereichen ändern. Da die Verantwortung des Apothekers durch die Betriebsordnung gestärkt wurde, muss er nun innerhalb des QMS erläutern, wie er diese Verantwortung im täglichen Betriebsablauf wahrnimmt. Der Apotheker muss beispielsweise schriftlich festlegen, wie PTA die Grenzen ihres Verantwortungsbereichs erkennen und wann sie einen Apotheker hinzuziehen müssen. Für den Bereich Herstellung bedeutet das zum Beispiel, dass der Apotheker den Herstellungsprozess in einer Anweisung definieren muss, erst danach darf die PTA das Arzneimittel herstellen. Vor der Abgabe muss der Apotheker das Arzneimittel freigeben. Im Bereich der Beratung muss der Apotheker definieren, in welchen Fällen ihn die PTA ins Beratungsgespräch einbinden muss.

 

PZ: Welches sind die größten Schwachpunkte der neuen Verordnung?

 

Kiefer: Für mich liegt die größte Schwäche nicht im Inhalt der Verordnung, sondern in der Unehrlichkeit der Erläuterung des Erfüllungsaufwandes für die Wirtschaft. So werden beispielsweise die Durchführung regelmäßiger Selbstinspektionen und deren Dokumentation pro Jahr lediglich mit 35 Minuten für eine PTA angesetzt. Jeder, der in der Praxis mit einem Qualitätsmanagementsystem arbeitet, weiß, dass eine solche Schätzung sachlich wie inhaltlich jeder Grundlage entbehrt. Entweder wurde hier absichtlich geschönt oder die Bürokraten haben sich extrem weit von der Wirklichkeit der Apotheken entfernt. Die Verordnung hat auch inhaltlich einige Schwachpunkte. Deren Bewertung ist so schwierig, weil sich viele Probleme erst in der Interpretation und im Umgang mit der neuen Apothekenbetriebsordnung zeigen werden. Unklare Formulierungen oder Unklarheiten werden zu unterschiedlichen Interpretationen führen – mit entsprechendem Mehraufwand bei der Überwachung. Im Zweifelsfall wird alles, was unklar ist, gerichtlich geklärt werden müssen.

 

PZ: Wo sehen Sie Erleichterungen?

 

Kiefer: Es gibt tatsächlich eine Erleichterung. Für den Bereich der Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln und Ausgangsstoffen kann sich der Apothekenleiter jetzt das Labor so zusammenstellen, wie es für seinen Betriebsablauf am besten zugeschnitten ist. Er wird seine Entscheidung allerdings aufwendig begründen und dafür Sorge tragen müssen, jeder vorgelegten Verordnung im Lichte des Kontrahierungszwanges Genüge zu tun.

 

PZ: Nach der neuen Apothekenbetriebsordnung müssen alle Apotheken ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) haben. Was halten Sie davon?

 

Kiefer: Ich halte das für sehr vernünftig. Die Apotheken, die bereits mit QMS arbeiten, werden meine Einschätzung teilen. Es ist sinnvoll, auch für Apotheken ein pharmazeutisches QMS zu fordern. So wird gewährleistet, dass ein hoher Versorgungsstandard bis in den letzten Winkel der Republik getragen wird.

 

PZ: Wie schnell sollten Apothekenleiter, die noch ohne QMS arbeiten, ein eigenes Qualitätsmanagement einführen?

 

Kiefer: Es gilt eine Übergangsfrist von 24 Monaten. Aber die Apotheken, die noch kein QMS haben, sollten sofort mit der Einführung beginnen. Es ist nicht damit getan, sich einen neuen Dokumentationsordner zu kaufen, Papier auszufüllen und abzuheften oder einen Dienstleister mit der Einführung des QMS zu beauftragen. Wer denkt, dass er auf rein bürokratischem Weg den neuen Anforderungen genügt, verschenkt eine Chance. Die neue Apothekenbetriebsordnung kann nur als Gesamtkonzept umgesetzt werden. Mein Rat an jeden Apothekenleiter: Zuerst muss man also überlegen, welchen Nutzen QMS für den eigenen Betrieb haben könnte. Dann die Einführung des QMS planen und dann Schritt für Schritt mit dem gesamten Team entwickeln. Ein QMS beantwortet ganz konkrete Fragen, die für jede Apotheke unterschiedlich ausfallen. Zum Beispiel: Wie können wir in unserem Team die Verwechslung von Arzneimitteln vermeiden? Qualitätsmanagementsysteme lassen sich deshalb nicht von der Stange kaufen, sie müssen in jedem Betrieb eingeführt, gelebt und weiterentwickelt werden.

 

PZ: Wer hilft Apothekern dabei?

 

Kiefer: Die Apothekerkammern und im Hintergrund die Bundesapothekerkammer unterstützen die Apotheker auch hier. Die ABDA hat schon seit Jahren eine gemeinsame Mustersatzung für ein pharmazeutisches Qualitätsmanagementsystem verabschiedet. Verabredungsgemäß sind innerhalb der ABDA die Bundesapothekerkammer sowie die Landesapothekerkammern für dessen Ausgestaltung und Weiterentwicklung zuständig. Die Kammern haben bereits sehr viel Erfahrung damit. Deren Leitlinien bilden auch das inhaltliche Grundgerüst für die neue Apothekenbetriebsordnung. Hier sind die täglichen Arbeitsabläufe prozessual beschrieben, die die pharmazeutischen Leistungen der Apotheke ausmachen. Alle Dokumente, die dem Berufsstand angeboten werden, sind aufeinander abgestimmt und online abrufbar. In die Weiterentwicklung des pharmazeutischen QMS und der Leitlinien fließt seit Jahren der Sachverstand der Selbstverwaltung. Ich bin optimistisch, dass es der Apothekerschaft insgesamt leichtfallen wird, die Forderung nach QMS zu erfüllen. Diese Einschätzung fußt auf zwei Erkenntnissen der letzten Jahre: Die Apotheken, die mit einem Kammer-QM arbeiten, sind zufriedener. Gespräche mit vielen Kolleginnen und Kollegen haben gezeigt, sie begreifen die Einführung des QMS als Weiterentwicklung der eigenen Apotheke, der eigenen Arbeit.

 

PZ: Bei den wissenschaftlichen Hilfsmitteln macht die neue Apothekenbetriebsordnung weniger konkrete Vorgaben als bislang. Unter anderem sind die Anlagen gestrichen worden. Halten Sie das für sinnvoll?

 

Kiefer: Ein klares Ja. Es mag zwar verwundern, dass ich als Vorsitzender der DAC/NRF-Kommission das sage, aber ich freue mich über die gewonnenen Freiheitsgrade des Apothekerberufes. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass dies keine Freiheit von Zwängen, sondern eine Freiheit zur Verantwortung bedeutet. Die Apothekenleiter wissen, dass sie eine starke berufliche Selbstverwaltung haben. So werden beispielsweise durch die Arbeit der Kommissionen Deutscher Arzneimittel Codex und Neues Rezeptur Formularium alle inhaltlichen Fragestellungen rund um Herstellung und Prüfung in der Apotheke abgedeckt. Das bedeutet zum Beispiel, die Herstellungsvorschriften des NRF gelten als validierte Herstellungsanweisungen im Sinne der neuen Apothekenbetriebsordnung. Das bedeutet im Bereich der Prüfung der Ausgangsstoffe, dass durch die Anwendung der Methoden des DAC den Anforderungen des § 6 Apothekenbetriebsordnung in vollem Umfang Rechnung getragen ist. Sie führen zu den gleichen Ergebnissen wie die Methoden des Arzneibuchs, sind in der Apothekenpraxis aber oft leichter umsetzbar als die Arzneibuchmethoden. Das garantiert die Arbeit der beiden unabhängigen Kommissionen von Wissenschaftlern.

 

PZ: Was verändert sich hier tatsächlich für die Apotheker?

 

Kiefer: Auch hier mag meine Antwort überraschen. Ich erwarte, dass sich die Revision ändern wird. Der Apotheker kann sich die Anforderungen zu Herstellung und Prüfung besser auf seinen Berufsalltag zuschneiden. Er ist nicht mehr starr an die nun gestrichenen Anlagen in der Betriebsordnung gebunden. So muss zukünftig der Pharmazierat/Amtsapotheker die Frage stellen, wie in der revidierten Apotheke die Regeln der pharmazeutischen Wissenschaft umgesetzt werden. Diese Regeln bilden ein dynamisches System, das einer ständigen Änderung und Aktualisierung unterworfen ist. Entsprechend komplex können die Fragen und Antworten gestaltet sein. / 

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