Mehr Verantwortung übernehmen |
22.05.2006 11:53 Uhr |
<typohead type="3">Mehr Verantwortung übernehmen
von Hartmut Morck, Meran
Trotz AVWG ist der Pharmacon in Meran ein Pflichttermin für viele Apothekerinnen und Apotheker. Rund 800 Teilnehmer konnte Magdalene Linz, Präsidentin der Bundesapothekerkammer (BAK), auf der Eröffnungsveranstaltung begrüßen. In ihrer Rede nahm sie zu den Entwicklungen im Gesundheitswesen Stellung.
Dass das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) nicht nachhaltig zur Stabilisierung des Gesundheitssystems beitragen konnte, sei schon bei der Verabschiedung klar gewesen. Es war, wie viele Vorläufergesetze, ein reines Spargesetz. Nach der Bundestagswahl wollte die Politik über die nachhaltige Finanzierung beraten und im Prinzip sei die große Koalition auch dazu geeignet. Als Schnellschuss sei aber, so Magdalene Linz, mit dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG), das zum 1. Mai in Kraft getreten sei, ein weiteres Spargesetz hinzugekommen. Neben der Pharmaindustrie und Ärzten seien natürlich auch die Apotheker erneut betroffen. Mehr Bürokratie sei den Apotheken beschert worden. Die Praxis werde nun belegen müssen, ob die Zuzahlungsmodalitäten bei Festbeträgen umsetzbar sind.
Die BAK-Präsidentin sieht in dem Gesetz aber auch Chancen. Die Bonus-Malus-Regelung für Ärzte könne durch regionale Vereinbarungen abgelöst werden. An diesen Regelungen sollten die Apotheker mitwirken und ihre pharmakoökonomische Kompetenz einbringen. Die Apothekerschaft habe deshalb angeboten, »die Ärzte insofern zu unterstützen, als wir in der Festgetragsgruppe 1, das heißt bei den Gruppen von Arzneimitteln mit gleichen Wirkstoffen, die Verantwortung für die Auswahl eines preisgünstigen Produktes übernehmen«. Die Apothekerschaft sei also bereit, mehr Verantwortung und damit ökonomische Haftung zu übernehmen zum Wohle des Patienten und des Systems. Trotz strikter ökonomischer Vorgaben könne mit der Apothekerschaft nach ihrer Meinung die Arzneimittelversorgung auf einem hohem Niveau gehalten oder sogar verbessert werden.
In vielen Gesprächen in Berlin habe die Apothekerschaft der Politik ihre Vorstellungen für die zukünftige Gestaltung des Gesundheitswesen vorgestellt, insbesondere haben man die zukünftige Rolle der Apotheker definiert: Die Apotheker seien als Problemlöser in der Arzneimitteltherapie notwendig. Die Hausapotheke sei dafür das richtige Konzept. Die Apotheke müsse zur sozialen Drehscheibe im Gesundheitswesen werden, um in einer immer unpersönlicher werdenden Gesellschaft die individuelle Betreuung zu garantieren. Versender könnten dies nicht.
Man werde Ende Juni, Anfang Juli sehen, inwieweit die Angebote bei den Eckpunkten für die große Reform aufgegriffen wurden. Linz äußerte allerdings Zweifel, ob bei der großen Reform die nachhaltige Finanzierung im Vordergrund stehe. Da die Standpunkte der beiden Koalitionäre noch weit auseinander lägen, werde offensichtlich zunächst wieder auf der Ausgabenseite nach Einsparungen gesucht. Bei dieser Sparwut solle die Politik nicht vergessen, dass der Gesundheitsmarkt ein Wachstumsmarkt sei, in dem die Apotheken allein im letzten Jahr mehr als 3000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen hätten. Zudem stiegen die Gesundheitskosten schon wegen der demographischen Entwicklung zwangsläufig weiter. Linz warnte indirekt die Politik, mit weiteren Spargesetzen einen positiven Aufwärtstrend wieder zu stoppen.
Mit klaren Worten lehnte die BAK-Präsidentin die industrielle Verblisterung ab. Sie habe kein Verständnis dafür, dass sich die Politik mit dem Konzept eines einzelnen Unternehmens so intensiv auseinander setzt und dessen Versprechen auf Einsparungen glaubt. Das von Professor Dr. Eberhard Wille während des DAV-Wirtschaftsforums in Berlin vorgestellte Gutachten habe das Gegenteil belegt. Auch sei der Bedarf einer industriellen Verblisterung wesentlich geringer als von den Interessierten beziffert. Die Verblisterung, so die BAK-Präsidentin, sei eine Therapieschablone. Sie sei Listenmedizin und schränke zwangsläufig das therapeutische Angebot ein. Das Fazit von Magdalene Linz: Die Apotheke ist flexibler und kann auf individuelle Bedürfnisse besser reagieren. Sie sei auch bereit, für den Patienten individuell die Medikamente zu stellen, um die Compliance zu sichern. Auch in der Prävention wollen die Apotheken zukünftig durch Aufklärungsaktionen und Screenings mehr eingebunden werden. Voraussetzung für die Übernahme der vielfältigen Aufgaben sei die ständige Fortbildung nicht nur der Apothekerinnen und Apotheker, sondern auch der übrigen pharmazeutischen Mitarbeiter, sowie qualitätssichernde Maßnahmen, zu denen sich die Apothekerkammern verpflichtet haben.
Machtwechsel statt OTC-Freigabe
Einen Einblick in die Situation der italienischen Apotheken gab der Präsident der Apothekerkammer Südtirol, Dr. Maximin Liebl, in seinem Grußwort. Nach dem Regierungswechsel könne er noch keine Aussage zur Weiterentwicklung machen, zumal die neue Ministerin bisher noch keine Erfahrungen im Gesundheitssystem gesammelt habe. Ihr Ziel, den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen, sei sicher nicht neu. Die vom vorherigen Gesundheitsminister geplante Liberalisierung des OTC-Marktes sei durch den Regierungswechsel gestoppt worden. Zudem musste der Minister wegen Korruptionsvorwürfen vorzeitig zurücktreten. Das geplante Gesetz, das den Handel mit OTC-Arzneimitteln in Supermärkten erlaubt, ist aufgeschoben.
Um die Kosten zu senken, würden inzwischen Krankenhausware, hauptsächlich die teuren Arzneimittel, auf Rezept in Apotheken an den Patienten weitergegeben. Die Ware werde in entsprechenden Lagern bestellt und in den Apotheken an den Patienten weitergegeben. Der Patient müsse nichts bezahlen. Die Apotheke erhalte für diese Dienstleistung eine Gebühr. Damit habe man erreichen wollen, dass die Arzneimittel nicht durch die Krankenhäuser, sondern nur in den Apotheken an die Patienten abgegeben werden.