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FSME-Rate auf Höchststand

22.05.2006  11:53 Uhr

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von Conny Becker, Berlin

 

Die Risikogebiete der Frühsommer-Meningoenzephalitis in Deutschland haben sich erneut ausgeweitet. Vergangenes Jahr betrug die Zahl der FSME-Erkrankten 432 und stellt damit den Rekordwert seit Einführung der Meldepflicht dar. Überdies wurde der erste Fall von Zeckenlähmung in Deutschland bekannt.

 

Mit jeder Aktualisierung der FSME-Karte kommen neue Risikogebiete hinzu. In diesem Jahr sind es sechs Kreise in Baden-Württemberg und Bayern, die das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin auf Grund der Daten zu den bestätigten oder vermuteten Orten der Infektion neu als Gefahrenzone ausweist. »Es gibt in Baden-Württemberg eigentlich keinen Landkreis, der nicht FSME-Gebiet ist«, sagte der Mediziner Rainer Oehme vom Regierungspräsidium Stuttgart vergangene Woche gegenüber der Deutschen Presseagentur. Das Bundesland ist zudem Spitzenreiter, wenn es um die Anzahl der Hochrisikogebiete geht. Insgesamt sieben Kreise im Südwestzipfel Deutschlands gehören hierzu. Neben Baden-Württemberg und Bayern sind auch in Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen Risikogebiete zu finden, allerdings deutlich weniger. Als Risikogebiet wird ein Landkreis eingestuft, wenn mindestens fünf an Ort und Stelle (autochthon) entstandene FSME-Erkrankungen in einer Fünf-Jahres-Periode zwischen 1986 und 2005 oder mindestens zwei Fälle innerhalb eines Jahres registriert wurden. Daneben dient auch die Antikörperprävalenz bei ungeimpften Personen mit hohem Expositionsrisiko wie Waldarbeiter dazu, das Risiko in einigen Regionen einzuschätzen. Die aktuelle Einstufung der Risikogebiete hat das RKI im Epidemiologischen Bulletin (Nr. 17 (2005), Seiten 129 bis 133) veröffentlicht.

 

Um die FSME-Erkrankungszahl gering zu halten, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI Einwohnern, Berufstätigen und Touristen, die in ausgewiesenen Risikogebieten mit Zecken in Kontakt kommen könnten, sich impfen zu lassen. Dieser Empfehlung kommt aber nur ein Bruchteil der Betroffenen nach. So ergab eine Befragung von rund 45.000 Menschen aus Bundesländern mit FSME-Risikogebieten, dass in Baden-Württemberg nur 12 Prozent und in Bayern nur 16 Prozent der Befragten eine vollständige Grundimmunisierung aufwiesen (Epidemiologisches Bulletin Nr. 12 (2006), Seite 91 bis 93). Höher waren die Zahlen der begonnenen, aber noch nicht vollständigen Grundimmunisierung. Dies lässt vermuten, dass sich viele verfrüht geschützt fühlen. Ein zeitlich begrenzter Impfschutz, etwa für Touristen, besteht jedoch erst ab zwei Impfdosen. Drei bis fünf Jahre geschützt ist, wer mindestens drei Impfdosen erhalten hat. Das RKI betont ausdrücklich, dass unvollständig Geimpfte ebenso schwer erkranken können wie Ungeimpfte. Zudem gilt, dass Erkrankungen umso schwerer verlaufen, je älter die Patienten sind. Doch gerade ältere Menschen sind der Umfrage zufolge selten geimpft.

 

Im Vergleich zu Österreich, wo in FSME-Risikogebieten etwa 90 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, ist der Durchimpfungsgrad in deutschen Gefahrregionen sehr gering. Im vergangenen Jahr gingen beim RKI 432 Meldungen von FSME-Erkrankungen ein. Dies ist der höchste Wert seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2001, die Steigerung gegenüber dem Vorjahr (274 Erkrankungen) beträgt plus 58 Prozent. Rund 40 Prozent der Betroffenen erkrankten in Baden-Württemberg, etwa 50 Prozent in Bayern und zwar überwiegend in bekannten Risikogebieten.

 

Gelähmt durch Zeckenbiss

 

Die Gefahr, die hier zu Lande von einem Zeckenbiss ausgeht, besteht hauptsächlich in einer Infektion mit unterschiedlichen von Zecken übertragenen Viren, Bakterien und Einzellern. So können je nach Erreger Lyme-Borreliose, Q-Fieber, Tularämie, Barbesiose oder FSME beim Menschen auftreten. In Australien, Südafrika, den USA und Kanada machen aber immer wieder auch nicht infizierte Zecken ihren menschlichen Wirten zu schaffen. Sie produzieren ein Neurotoxin und lähmen ihr Opfer. Da die Zeckenlähmung selten auftritt, kann sie leicht mit dem Guillain-Barré-Syndrom, Botulismus oder Myasthenia gravis verwechselt werden. Auf dem Internistenkongress in Wiesbaden stellte der Rostocker Tropenmediziner Professor Dr. Emil C. Reisinger kürzlich den ersten bestätigten Fall von Zeckenlähmung in Deutschland und sogar Europa vor.

 

So wurde im vergangenen Sommer ein 47-jähriger Mann in Rostock mit Lähmungserscheinungen der rechten Körperhälfte und der Augenmuskeln behandelt, wobei die Mediziner zunächst einen Schlaganfall, dann Botulismus vermuteten. Erst als der Patient von einem Zeckenbiss am Tag vor Einsetzen der Symptome berichtete, schöpften die Rostocker Tropenmediziner Verdacht. Die Zecke hatte der Patient bereits entfernt, bevor er ins Krankenhaus kam, und somit den Medizinern die richtige Behandlung vorweggenommen. Ein spezifisches Antitoxin gibt es bislang nicht. Der Körper des Patienten benötigte nach Entfernung der Zecke noch drei Tage, um das Nervengift abzubauen. Die Lähmungen gingen zurück.

 

Weibchen von mehr als 60 vor allem in Nordamerika und Australien beheimateten Zeckenarten können in ihrer Speicheldrüse ein Nervengift bilden, das dem Botulinumtoxin ähnelt. Beim Blutsaugen gelangt das Gift in den Körper des Wirtes und löst dort einige Tage nach dem Festbeißen Schwächesymptome und Ataxie aus. Vor allem Motorneurone scheinen von dem Toxin gehemmt zu werden, das die Freisetzung von Achetylcholin in den motorischen Nervenendigungen vermindert. Zudem weisen experimentelle Studien darauf hin, dass das Nervengift die Reizleitungsgeschwindigkeit in Motorneuronen erniedrigt.

 

Wird die Zecke nicht entfernt, verschlimmert sich die Paralyse der Gliedmaßen, die zumeist aufsteigend verläuft, das heißt von den unteren zu den oberen Extremitäten voranschreitet. Häufig sind auch Gesichts- und Augenmuskeln gelähmt, Sehnenreflexe vermindert oder es kommt zu Parästhesien, wie Kribbeln in den Händen. Bleibt die Zeckenlähmung unerkannt (bislang existiert noch kein Test auf das Neurotoxin), kann sie auch zur Atemlähmung und damit zum Tod führen. Dazu komme es jedoch nur bei weniger als 1 Prozent der betroffenen Menschen, da die Zecken in der Regel entdeckt und entfernt würden, sagte Reisinger im Gespräch mit der PZ. Besonders häufig wurden in den USA Erkrankungen bei Mädchen unter zehn Jahren berichtet, die absoluten Zahlen sind allerdings gering. Bei Weidetieren tritt die Krankheit häufig auf. Jährlich erkranken in Nordamerika und Australien etwa 200.000 Tiere.

Vorsicht Verwechslungen

Die Diagnose einer autochthon entstandenen FSME-Erkrankung sollten Ärzte vor allem außerhalb eines Risikogebiets hinterfragen. Denn auch eine Gelbfieber-Impfung oder eine durchstandene Dengue-Erkrankung können zu falsch positiven Ergebnissen im FSME-ELISA-Test führen. Andererseits sollten Mediziner auch bei Patienten mit »Sommergrippe« häufiger nach Zeckenbissen fahnden. Denn deren Symptome ähneln denen einer leichten FSME-Infektionen, und so wird die Hirnhautentzündung häufig nicht registriert.

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