Anspruch verpflichtet |
22.05.2006 11:53 Uhr |
Wenige Tage nach In-Kraft-Treten des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes werden bereits allseits Erfolgsmeldungen verbreitet: Die Spitzenverbände der Krankenkassen vermelden, sie hätten mit »sorgfältig abgewogenen Beschlüssen« zu den Festbetragsfestsetzungen erreicht, dass die Versicherten auch zukünftig aufzahlungsfrei versorgt werden könnten. Mit dem Beschluss, erstmals für bestimmte Arzneimittel Zuzahlungsbefreiungsgrenzen festzulegen, läge darüber hinaus ein Angebot an die Hersteller auf dem Tisch, Preisfestlegungen treffen zu können. Profitieren könnten davon Hersteller, Versicherte und Krankenkassen.
Während sich aber die Kassen nach getaner Arbeit noch damit beschäftigen, den Schwarzen Peter, sprich: die Preisabsenkung auf das Niveau unterhalb der »Zuzahlungsfreistellungsgrenze«, an die pharmazeutische Industrie weiterzugeben, erklärt das Ministerium, alle Beteiligten hätten ausreichend Zeit zur Vorbereitung. Die Patienten könnten sich ab Juli in ihrer Apotheke über zuzahlungsfreie Arzneimittel informieren.
In der Tat: Wir werden uns, wie so oft, in der Apotheke der Aufgabe zu stellen haben, die Patienten über die Konsequenzen neuer gesetzlicher Regelungen zu informieren. So werden wir selbstverständlich auch das Zusammenspiel zwischen Zuzahlungsfreistellungsentscheidungen, Zuzahlungsbefreiungen, mehrkostenablösenden Rabattverträgen und allgemeinen Zuzahlungsregelungen den Versicherten erläutern und bei der Abrechnung mit den Krankenkassen berücksichtigen. Dies ist eine Leistung der Apotheken, die vor allem ab 1. Juli erheblichen Einsatz aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Apotheken verlangen wird.
Was die technische Unterstützung der Apotheken anbelangt, sind wir auf einem guten Weg. Die Vereinbarungen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen über entsprechende Datenlieferungen stehen kurz vor ihrem Abschluss. Die Apothekensoftwarehäuser sind darauf vorbereitet, die Daten in die Apotheken-EDV zu übernehmen. Politik und Krankenkassen stellen hohe Ansprüche an Apotheken. Das verpflichtet sie allerdings auch, ihren Beitrag zu leisten, dass die Apotheken nicht durch zusätzliche bürokratische Hemmnisse und betriebswirtschaftlich unvernünftige Regelungen daran gehindert werden, sich ihren zentralen Aufgaben bei der Beratung der Patienten zu widmen.
Die Apotheken brauchen mehr Freiheit bei der Auswahl wirkstoffgleicher Arzneimittel. Eine Beschränkung auf die drei preisgünstigsten Arzneimittel ist niemandem vermittelbar, wenn weitaus mehr Arzneimittel vorhanden sind, die von der Zuzahlung freigestellt sind. Mit dieser Freistellung ist per Gesetz der Nachweis geführt, dass diese Arzneimittel zu Einsparungen der Krankenkassen führen und damit wirtschaftlich sind. In diesen Fällen gibt es keinen Grund mehr, den Apotheken Beschränkungen bei der Arzneimittelauswahl aufzuerlegen.
Wir werden deshalb nicht aufhören, für eine in diesem Sinne flexiblere Aut-idem-Regelung einzutreten. Gesetze und Verträge mögen unverzichtbar sein, pharmazeutisch und wirtschaftlich sinnvollen Lösungen dürfen sie aber nicht im Wege stehen. Ich lade deshalb Krankenkassen und Politik ein, die bereits begonnenen Gespräche zu Zielpreisvereinbarungen und Aut-idem-Bestimmungen zu intensivieren und schnell zu Ergebnissen zu führen.
Heinz-Günter Wolf
Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände