Selbstmedikation entlastet GKV |
14.05.2014 12:01 Uhr |
Apotheken sparen mit ihrem Angebot zur Selbstmedikation dem Gesundheitswesen viel Geld, sagt Professor Uwe May. Um rund 4,5 Milliarden Euro pro Jahr senke der Einsatz von OTC-Arzneimitteln die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung, rechnete der Gesundheitsökonom den Apothekern vor.
Vom Patienten selbst gekaufte Arzneimittel reduzierten die Zahl der Arztbesuche, sie sparen damit Patienten wie Medizinern viel Zeit. May: »Wenn nur 10 Prozent der Menschen bei leichten Beschwerden statt zum Arzt in die Apotheke gingen, dann hätte der Arzt rund zwei Stunden am Tag mehr Zeit, seine ernsthafter erkrankten Patienten zu behandeln.«
Zeitersparnis für Patienten
Auch für den Patienten geht der Besuch in der Apotheke schneller als ein Arztbesuch. Gerade einmal 22 Minuten braucht er, um in die Apotheke zu fahren, sich dort beraten zu lassen und ein passendes OTC-Arzneimittel zu kaufen. Ein Arztbesuch dauere dagegen inklusive Wegezeit rund 75 Minuten, sagte May. Geschehe dies in der Arbeitszeit, resultiere daraus ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden. Für May steht der volkswirtschaftliche Nutzen der Selbstmedikation deshalb außer Frage: »Jeder ausgegebene Euro für ein OTC-Medikament spart dem System 4,50 Euro.« Auf ein Jahr hochgerechnet, spare die Selbstmedikation aus der Apotheke dem deutschen Gesundheitswesen rund 4,5 Milliarden Euro. Das sei in etwa so viel, wie alle 21 000 Apotheken das System kosten und mehr als Krankenkassen mit Rabattverträgen sparen. Dabei sind die 4,50 Euro noch eine konservative Schätzung. Für die USA sollen die Einsparungen sogar bei 7 Euro pro ausgegebenen OTC-Euro liegen.
Wie May sagte, beeinflussen Apotheker diese Einsparungen erheblich. Apotheken förderten und induzierten Selbstmedikation, indem sie einen niedrigschwelligen Zugang zu OTC-Arzneimitteln darstellten. Sie erhöhten damit die Bereitschaft der Patienten, sich bei Befindlichkeitsstörungen selbst zu behandeln. Außerdem würden Apotheken zum Produktimage der Arzneimittel beitragen, das deutlich höher ist als das von Drogerieware. Durch die Beratung optimieren die Apotheken May zufolge den therapeutischen Nutzen der Selbstbehandlung, sie machen den Behandlungserfolg wahrscheinlicher und helfen, Risiken und Nebenwirkungen zu vermeiden.
Nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel haben laut May aber auch einen erheblichen Nutzen für die Apotheken. Dieser liegt deutlich über ihrem Anteil von 20 Prozent am gesamten Arzneimittelumsatz einer Apotheke. Bei der Packungszahl liegen OTC-Arzneimittel schon gleichauf mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Noch größer ist May zufolge ihre Bedeutung als Frequenzbringer. Nach einer von ihm initiierten Untersuchung kommen fast zwei Drittel aller Patienten in die Apotheke, weil sie ein Präparat der Selbstmedikation benötigen. Mit der Beratung zu OTC-Arzneimitteln dokumentieren die Apotheker auch ihre heilberufliche Kompetenz und binden so die Kunden an ihre Apotheke. Das wirke nicht nur auf die Patienten, sondern auch auf das Gesundheitswesen generell. Die Apotheker seien die Experten für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel, daran komme niemand vorbei.
Gutes Image der Apotheke
Gleichzeitig profitieren OTC-Arzneimittel und deren Hersteller aber auch erheblich vom guten Image der Apotheken. Apothekenpflichtige Präparate gelten bei den Patienten als deutlich wirksamer und qualitativ hochwertiger als Drogerie-Arzneimittel. May ist sich deshalb sicher: »Die Apotheke braucht die Selbstmedikation und die Selbstmedikation braucht die Apotheke.«
Angesichts der erheblichen Einsparungen ist der Gesundheitsökonom der Meinung, dass die Apotheker eigentlich mehr Geld für das OTC-Geschäft bekommen müssten. Beim Vorschlag, wie eine Vergütung gestaltet werden könnte, blieb er aber vage. Denkbar sei eine feste Marge für OTC-Arzneimittel oder eine Bezahlung der Beratung als gesonderte Dienstleistung. Doch weiß May natürlich genau, dass diese Forderung bei der Politik auf absehbare Zeit kein Gehör finden wird. /
Von Ev Tebroke / Ärzte und Apotheker wollen zusammen die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranbringen. Dies haben sie in einer gemeinsamen Absichtserklärung manifestiert. Insbesondere betonen sie dabei den Bedarf eigener sektoraler Anwendungen innerhalb der bundesweiten Telematikinfrastruktur.
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Nicht zuletzt dürfte etwa ein elektronisches Medikationsmanagement die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern. Die Digitalisierung biete richtig eingesetzt viele Chancen, betonte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. »Uns ist es wichtig, diesen Prozess sinnvoll zu gestalten und die Kompetenz der Ärzte und Apotheker einzubringen.«
Um diese Chancen bestmöglich zu nutzen, wollen Kassenärzte und Apotheker zusammen eine digitale Agenda entwickeln und umsetzen. Das haben KBV und ABDA vergangene Woche bekannt gegeben. In einem »letter of intent« setzen sie sich dabei vor allem für einen Ausbau der intersektoralen Kommunikation zwischen den Leistungserbringern auf Basis der Telematikinfrastruktur (TI) ein. Gleichzeitig fordern sie, dass neue Technologien in die Weiterentwicklung der TI einfließen sollen. Auch brauche es deutschlandweit einheitliche Standards und Schnittstellen bei der elektronischen Patientenakte.
Primär gelte es, den sicheren Austausch zwischen den ambulant tätigen Ärzten sowie den Apothekern in einem heilberuflichen Netzwerk stärker voranzutreiben, heißt es in dem Papier. Es müsse schnellstmöglich zu einer verbesserten, aber sicheren direkten elektronischen Kommunikation zwischen Heilberuflern kommen, damit die Arzneimitteltherapiesicherheit gerade im Falle von Polymedikation verbessert wird. Der bundesweite Medikationsplan sei nur ein erster Schritt und nicht ausreichend.
»E-Health darf nicht nur ein Schlagwort sein, sondern muss die Heilberufe unterstützen und Nutzen für die Patienten stiften«, sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. »Ärzte und Apotheker wollen deshalb die Zukunft gemeinsam gestalten.« /