Brennt da der Hof? |
08.05.2012 17:52 Uhr |
Sie schlug ein wie der Blitz – die am Dienstag veröffentlichte globale Studie »Pharma-Trends 2012« von Booz & Company. Danach erachten 2⁄3 der befragten Branchenmanager das aktuelle Geschäftsmodell der Pharmaindustrie als nicht mehr funktionstüchtig. Als Gründe für diese verheernde Einschätzung werden ein zunehmender Preisdruck, die regulatorischen Veränderungen im Gesundheitssystem, schärfere Zulassungsbedingungen für neue Wirkstoffe und nicht zuletzt die ausgedünnte Wirkstoff- und Produktpipeline gesehen.
Dies sind in der Tat zum Teil radikale Entwicklungen. Radikal neu sind sie hingegen nicht. Allerdings scheint die Analyse zutreffend, dass viele Pharmaunternehmen auf die neue Entschlossenheit der Gesundheitspolitik (mag sie richtig oder falsch sein) und deren marktrelevanten Folgen mit »einer Art Schockstarre« reagieren. Dabei können wir uns eine solche Situation angesichts der noch immer vorhandenen gewaltigen therapeutischen Lücken – sei es in der Onkologie, Demenzbehandlung und der Therapie degenerativ-entzündlicher Erkrankungen, um nur einige zu nennen – wirklich nicht leisten. Was wir brauchen, sind Akteure, die aus der augenscheinlich desolaten Situation die richtigen Schlüsse ziehen: für das Unternehmen ebenso wie für den unmet medical need.
Die Gewinner der jetzt dringend notwendigen Reformen werden diejenigen sein, die sich paradigmatisch neu aufstellen und die Zeichen der Zeit erkennen: Dazu gehören unter anderem
Die Einbindung akademischer Netzwerke, wie dies erfolgreich amerikanische Unternehmen demonstriert haben. Hier wurden und werden Innovationen aus kreativen und nicht in strategische Konzepte eingeschnürte Strukturen geschöpft.
Die Abkehr von einer ausschließlich Blockbuster-getriebenen, dem Shareholder-Value verpflichteten Unternehmensstrategie. Denn auch große Volkskrankheiten erweisen sich heute schon heterogener als bisher landläufig wahrgenommen.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der konsequenten Einbindung der molekularen Diagnostik und einer darauf basierenden Wirkstoffentwicklung. Individualisierte Therapie wird sich ungeachtet der sich an prominenter Stelle äußernden Bedenkenträger durchsetzen und damit das Paradigma der Behandlung von Krankheiten in ein neues Paradigma, der Behandlung von individuellen Patienten, überführen.
Sollte tatsächlich die Studie von Booz & Co. eine generalisierte Depression im Pharmasektor demonstrieren, so kann das auch als Chance gesehen werden.
Professor Dr. Theo Dingermann
Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz
Mitglieder der Chefredaktion