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Tenofovir jetzt auch gegen Hepatitis B

06.05.2008  10:26 Uhr

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<typohead type="3">Tenofovir jetzt auch gegen Hepatitis B

Von Elke Wolf, Frankfurt am Main

 

Bereits seit sieben Jahren als HIV-Therapeutikum im Einsatz, hat Tenofovir Ende April auch die europäische Zulassung zur Behandlung der chronischen Hepatitis B erhalten. Die Pluspunkte: eine hohe antivirale Potenz und eine hohe Resistenzbarriere.

 

In den Zulassungsstudien überzeugte Tenofovir (Viread®) gegenüber dem bisher einzig verfügbaren Nukleotid-Analogon Adefovir (Hepsera®). Dabei wurden die beiden nukleotidanalogen Reverse-Transkriptase-Hemmer in zwei multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studien mit insgesamt mehr als 600 Patienten miteinander verglichen. In beiden Studien bekamen die Patienten 48 Wochen lang entweder 245 mg Tenofovirdisoproxilfumarat oder 10 mg Adefovirdipivoxil. Während in die eine Studie nur Patienten aufgenommen wurden, die mit dem Wildtyp des Hepatitis-B-Virus (HBeAg-positive Patienten) infiziert waren, schloss die andere Studie auch die Patienten mit der HBeAg-negativen Erkrankungsform ein, eine Hepatitis-B-Variante, die auch in Deutschland auf dem Vormarsch ist.

 

Ziel jeder Therapie einer chronischen Hepatitis B ist die dauerhafte Suppression der Viruslast. »Das ist der alles entscheidende prognostische Faktor«, erklärte Professor Dr. Stefan Zeuzem von der Universitätsklinik Frankfurt am Main während einer Presseveranstaltung von Gilead Sciences. »Eine Reduktion der HBV-DNA bessert die Leberhistologie, verlangsamt die Progression der Erkrankung, senkt das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom und steigert so die Überlebensaussichten des Patienten.« Ein Patient gilt als behandlungsbedürftig, wenn er mindestens 10.000 HBV-DNA-Kopien/ml Blut aufweist. Darunter gilt die Krankheit als wenig progredient. Die Nachweisgrenze liegt etwa bei 400 Kopien/ml Blut.

Hepatitis B in

Von etwa 500.000 chronisch Hepatitis-B-Infizierten in Deutschland sind Schätzungen zufolge nur etwa 50.000 diagnostiziert. Lediglich etwa 10.000 Betroffene werden behandelt. »Nur bei höchstens 5 Prozent der Menschen mit erhöhten Leberwerten untersucht man auch auf Hepatitis-B-Viren. Das ist ein Skandal«, machte Zeuzem auf Missstände aufmerksam. »Das führt zur traurigen Situation, dass die Erstdiagnose oft erst erfolgt, wenn der Patient einen massiven Leberkrebs hat oder mit Blutungen in die Klinik kommt.« Etwa 30 Prozent der chronisch HBV-Infizierten entwickeln unbehandelt eine Leberzirrhose, etwa 5 bis 10 Prozent ein hepatozelluläres Karzinom.

 

Die sexuelle Übertragung ist gegenwärtig in Deutschland der häufigste Übertragungsweg. Da das Hepatitis-B-Virus aber auch durch Blut, andere Körperflüssigkeiten, verunreinigte Spritzen oder perinatal übertragen wird, sind auch medizinisches Personal, Dialysepatienten und Drogenabhängige betroffen.

In beiden Studien war Tenofovir signifikant besser antiviral wirksam als sein Konkurrent. Nach fast einem Jahr lagen 93 Prozent der HBeAg-negativen Patienten und 76 Prozent der HBeAg-positiven Patienten unter der Nachweisgrenze von 400 Kopien/ml (im Vergleich zu 63 Prozent beziehungsweise 13 Prozent unter Adefovir). Ein komplettes Ansprechen, also nicht nur die Senkung der Viruslast unter 400 Kopien/ml, sondern auch eine definitive histologische Verbesserung, erzielten 71 Prozent der HBeAG-negativen beziehungsweise 67 Prozent der HBeAG-positiven Patienten unter Tenofovir im Vergleich zu 49 Prozent beziehungsweise 13 Prozent unter Adefovir.

 

»Zudem besitzt Tenofovir eine hohe Resistenzbarriere, was sich darin zeigt, dass in den Studien bislang keine Resistenz innerhalb eines Jahres auftrat«, sagte Professor Dr. Thomas Berg von der Charité Berlin. Und zwar unabhängig davon, ob die Patienten mit Lamivudin vorbehandelt waren oder nicht. »Dann spricht vieles dafür, dass auch nach fünf Jahren keine Resistenzen auftreten werden.« Zum Vergleich: Ein Drittel der Patienten spricht nach fünf Jahren auf Adefovir nicht mehr an.

 

Für die Behandlung der chronischen Hepatitis B stehen derzeit nur Arzneistoffe aus zwei Substanzklassen zur Verfügung: die Nukleosid-Analoga Lamivudin (Zeffix®), Entecavir (Baraclude®) und Telbivudin (Sebivo®) sowie die Nukleotid-Analoga Adefovir und nun auch Tenofovir. Interferon-α spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Nach heutigem Kenntnisstand müssen die Präparate ein Leben lang eingenommen werden, wobei die Viruslast regelmäßig kontrolliert werden muss. Fällt der Virustiter unter der Therapie nur ungenügend ab, spricht das für eine primäre Resistenz des Arzneistoffs. Steigt die Viruslast nach einem deutlichen Abfall wieder an, ist eine sekundäre Resistenz eingetreten. Dann gilt es, rasch zu handeln.

 

Favorisiert wird dabei die sofortige zusätzliche Gabe (Add-on) eines weiteren nicht-kreuzreagierenden Wirkstoffs, also eines Analogons aus der anderen Arzneistoffgruppe. Denn bei der Kombination von Substanzen mit unterschiedlichem Resistenzprofil kommt es zu einer geringeren Resistenzselektion, als wenn man die Wirkstoffe nur gegeneinander austauscht.

 

Die meisten Patienten werden derzeit mit Lamivudin behandelt, obwohl es eine geringe Resistenzbarriere hat. So sind nach vier Jahren etwa zwei Drittel der Patienten dagegen resistent. Als Add-on-Kombinationspartner sind wegen der fehlenden Kreuzresistenz die Nukleotid-Analoga Adefovir und Tenofovir geeignet. Die Nukleosid-Analoga Telbivudin und Entecavir sind bei Lamivudin-Resistenz nicht geeignet. Als Einstieg bei untherapierten Patienten eignet sich jedoch Entecavir, da nach vier Jahren weniger als 1 Prozent der Patienten Resistenzen zeigen. Vergleichsstudien zwischen Tenofovir und Entecavir liegen derzeit nicht vor.

 

Zeuzem und Berg sprachen sich dafür aus, die Therapie gleich mit einer hoch potenten Substanz mit hoher Resistenzbarriere zu beginnen. »Lamivudin ist nicht mehr das Arzneimittel der ersten Wahl«, sagte Berg. In Tenofovir sieht er dagegen eine »wertvolle Behandlungsoption sowohl in der Erstlinien- als auch in der Folgetherapie«. Und: Voraussetzung für den Therapieerfolg ist eine gute Compliance. Schon kumulative Therapiepausen von mehr als einem Monat steigern das Risiko der Resistenzentwicklung.

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