Schöne Zahlen, trübe Aussichten |
02.05.2017 13:20 Uhr |
Eigentlich sind es recht »schöne Zahlen«, die die Apotheker in Berlin in diesem Jahr präsentieren können. Aber die Auseinandersetzung mit dem Arzneimittel-Versandhandel trübt die Aussicht. Das unterstrich die Präsentation des Apothekenwirtschaftsberichts 2017.
Ein ungebremstes Wachstum des Rx-Versandhandels führe langfristig zum »Todesstoß der flächendeckenden Versorgung mit Apotheken«, betonte Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge bei der Vorstellung des Berichts.
Im Grunde, so Korf, wäre die Lage für die Apotheker aktuell durchaus zufriedenstellend: So ist das Apothekenhonorar zuletzt von 4,9 Milliarden Euro (2015) auf 5 Milliarden Euro (2016) gestiegen. Im Zuge des neuen Arzneimittelgesetzes bekommen die Apotheker ab sofort auch die Erstellung von Rezepturen und die Abgabe von Betäubungsmitteln besser vergütet. Bei den Gesundheitsausgaben gab es Korf zufolge in Deutschland 2016 keine Kostenexplosion, sondern stieg laut OECD-Bericht inflationsbereinigt lediglich um 2 Prozent.
»Der Irrsinn geht jetzt erst los«: ABDA-Wirtschaftsexperte Eckart Bauer.
Und durch den demografischen Wandel sieht Korf gute Chancen für den Beruf des Apothekers. Denn perspektivisch wird es einen Mangel an Gesundheitskräften und damit auch einen steigenden Bedarf an Heilberuflern geben. Also eigentlich alles schön! Wenn nur der deutsche Apothekenmarkt nicht der Wettbewerbsschieflage durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2016 ausgesetzt wäre. Da ausländische Versandhändler sich seitdem im Gegensatz zu den deutschen Vor-Ort-Apotheken bei Rx-Medikamenten nicht mehr an die Arzneimittelpreisbindung halten müssen, sieht Korf die Offizine hierzulande mittelfristig unter Kostendruck. Gerade kleinere Betriebe auf dem Land könnten dem Konkurrenzdruck nicht lange standhalten.
Schon jetzt geht die Zahl der Offizinen bundesweit kontinuierlich zurück. Allein im ersten Quartal 2017 sind Korf zufolge 80 Apotheken vom Netz gegangen. Damit sinkt die Zahl der Apotheken erstmals seit den 1990er-Jahren unter die Schwelle von 20 000. Ende 2016 waren es nach ABDA-Angaben noch 20 023. Wenn der Rx-Versand erstmal Fahrt aufnimmt, befürchtet Korf mittelfristig herbe wirtschaftliche Verluste für die Apotheken.
Drohende Absatzeinbußen
Derzeit erwirtschafte eine Apotheke 80 Prozent ihres Umsatzes mit Rx-Medikamenten, so Korf. Der Anteil der Versandapotheken liege hier bislang »nur« bei 1 Prozent. Deshalb werde der Rx-Versandhandel auch von vielen Befürwortern als nicht systembedrohend gesehen. »Aber der Irrsinn geht jetzt erst los«, warnte Korf. Mittelfristig sieht sie den Anteil der Versandapotheken am Rx-Umsatz bei 10 Prozent. Für die Offizinen bedeute dies Absatzeinbußen von 70 Millionen Packungen und mehr als eine halbe Milliarde Euro weniger an Rohertrag.
Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge
Auch ABDA-Wirtschaftsexperte Eckart Bauer unterstrich den drohenden negativen Einfluss der Konkurrenz durch den Rx-Versand und möglicher gedeckelter Rabatte. Die Durchschnittsapotheke gibt Bauer zufolge aktuell rund 37 500 Rx-Packungen ab. »Die Boni würden direkt durchschlagen auf das Betriebsergebnis.« 2016 lag das Betriebsergebnis der Durchschnittsapotheke nach Angaben des Wirtschaftsexperten bei 142 622 Euro. Bereits ein Preisnachlass von 1 Euro pro Rx-Packung würde das Betriebsergebnis unter 100 000 Euro drücken, sagte Bauer. /
Ein ausführlicher Bericht zum Apothekenwirtschaftsbericht 2017 erscheint in einer der nächsten Ausgaben der Pharmazeutischen Zeitung.