Dienstleistungen sollen Ertrag sichern |
30.04.2012 18:44 Uhr |
Die Schweiz ist kein Paradies für Apotheker. Der Markt ist weit- gehend dereguliert. Unter diesen Bedingungen lässt sich allein durch die Abgabe von Arzneimitteln keine Apotheke mehr betreiben, sagt Dominique Jordan, Präsident des Schweizer Apothekerverbandes Pharmasuisse.
In der Schweiz gibt es mehr als 7000 dispensierende Ärzte, Fremd- und Mehrbesitz sind erlaubt, der Versandhandel natürlich auch, für Tierarzneimittel sind fast ausschließlich Veterinärmediziner zuständig und Drogerien drängen ebenfalls in den Markt. Für die 1740 Apotheken in der Schweiz sind die Rahmenbedingungen deshalb alles andere als rosig.
Dominique Jordan, Präsident des Schweizer Apothekerverbandes Pharmasuisse
Die ziemlich unerfreuliche Situation für die Schweizer Apotheken hat zumindest einen Vorteil: Auf die Befindlichkeit der Ärzte müssen die Apotheker definitiv keine Rücksicht mehr nehmen. Das Band zwischen den beiden Berufsgruppen ist nachhaltig zerschnitten. Das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat die Dispensiererlaubnis für die Ärzte in Zürich und Winterthur.
Wie Jordan erklärte, haben die Apotheker auf die sich immer weiter verschlechternden Rahmenbedingungen offensiv reagiert. Sie setzen heute sehr viel stärker auf Dienstleistungen und andere Angebote, deren Vergütung nicht von der Höhe des Arzneimittelpreises abhängig ist – denn dieser sinke auch in der Schweiz kontinuierlich. Auch die vergleichsweise wohlhabenden Eidgenossen wollen die Kosten in ihren Sozialsystemen zurückfahren. Deshalb müssen sich die Hersteller heute am Preisniveau in anderen Ländern orientieren. Sind dort die Medikamente billiger, fordern die zuständigen Schweizer Behörden eine Anpassung des Preises. Darunter leidet dann auch die Marge der Apotheker.
Bei ihrer Neuausrichtung haben sich die Schweizer Apotheker an einer Resolution des Europarates orientiert. In dieser hatten die Staaten gefordert, die Apotheken sollten vor allem für ihre pharmazeutischen Leistungen bezahlt werden. Nun gibt es zwei Sorten von apothekerlichen Leistungen in der Schweiz: Distributionsleistungen werden weiterhin abhängig vom Packungspreis vergütet. Pharmazeutische Fachleistungen werden unabhängig von der Arzneimittelabgabe vergütet.
Mittlerweile tragen diese Dienstleistungen mit einem Anteil von rund einem Drittel erheblich zu Umsatz und Ertrag der Apotheken bei. Zu den abrechenbaren Dienstleistungen gehören der Notdienst, die Abgabe von Wochendosiersystemen, die Substitution von Generika, ein Polymedikationscheck und die Versorgung von Drogenabhängigen mit Methadon. Dabei sind die einzelnen Honorare interessant. Bei der Substitution eines Generikums bekommt der Apotheker laut Jordan 40 Prozent der Ersparnis. Bis zu 300 Euro erhalten Apotheker für die Methadonversorgung ehemaliger Junkies. Ein Polymedikationscheck, der einem Patienten zweimal im Jahr angeboten werden darf, wird mit 45 Franken vergütet. Allerdings seien hier die Apotheker noch zu zurückhaltend, sagte Jordan. Im vergangenen Jahr rechneten sie in der gesamten Schweiz nur 1000 Checks ab. Viele scheuten sich offenbar, dafür ein Honorar zu nehmen.
Die beiden neuesten Angebote der Schweizer Apotheker sind Impfungen und die Möglichkeit, in der Apotheke über eine Videokonsultation mit einem Arzt sprechen zu können. Die Idee, Impfungen anzubieten, gründet sich laut Jordan auf niedrigen Impfraten in der Schweiz. Hier könnten die Apotheker eine Marktlücke besetzen. Voraussetzung für dieses Angebot sei allerdings eine zusätzliche Ausbildung. Jordan hält dieses Angebot auch deshalb für wichtig, weil er vermutet, dass die von ihm für die nächsten Jahre erwartete Aufteilung des Arzneimittelmarktes in Generika und Biotech-Präparate, die Bedeutung der Beratung in der Apotheke schmälern könnte.
Impfungen in Apotheken wären derzeit in Deutschland kaum vorstellbar. Mindestens ebenso unwahrscheinlich ist die Umsetzung von Netcare in der Bundesrepublik. In diesem Programm können Apotheker über eine Videoanlage in der Apotheke einen Arzt hinzuziehen, wenn dies die Beratung eines Patienten notwendig macht. Dieser kann sich über eine Kamera und einen Bildschirm den Patienten ansehen und direkt mit ihm sprechen. Sollte eine Verordnung notwendig sein, kann der Mediziner ein Rezept ausstellen und es direkt in die Apotheke schicken. Angesichts der in einigen Teilen der Schweiz sehr niedrigen Arztdichte sei dieses Angebot für die Patienten sehr interessant, sagte Jordan.
Nach Jordans Überzeugung müssen die Schweizer Apotheker die Strategie abrechenbarer Dienstleistungen rund um das Produkt Arzneimittel weiterhin konsequent beschreiten. Hier sieht er einen Weg hinaus aus der wirtschaftlichen Abwärtsspirale der Apotheken. Apotheker müssten das anbieten, was sie besser können als alle anderen. Nur so könnten sie erfolgreich sein.