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Pflegeversicherung

Ein Jahr auf eigene Kosten

03.05.2011  18:05 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Die Pflegeversicherung steckt in der Krise: Die Kosten explodieren, gleichzeitig gibt es immer weniger Beitragszahler. Freiburger Wissenschaftler haben nun ein neues Reformmodell in die Debatte eingebracht. Demnach soll jeder das erste Jahr Pflege selbst bezahlen.

Heute leben in Deutschland rund 2,3 Millionen Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Bis zum Jahr 2050 könnte sich ihre Zahl fast verdoppeln. Zugleich sinkt die Anzahl der Erwerbstätigen, die Pflegekosten steigen, auch weil immer mehr Menschen stationär betreut werden müssen. »Die wachsende Kinderlosigkeit führt dazu, dass Pflege seltener in der Familie stattfindet und die Menschen stattdessen in Heimen untergebracht werden«, sagte der Finanzwissenschaftler Professor Dr. Bernd Raffelhüschen in Berlin. Dort stellte er gemeinsam mit seinem Kollegen Tobias Hackmann von der Universität Freiburg eine neue Studie vor, die im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) entstanden ist, hinter dem unter anderem die Deutsche Bank als Gesellschafter steht.

Bleibt die Pflegeversicherung in ihrer bisherigen Form bestehen, müsste der Beitragsatz demnach in den kommenden Jahren massiv steigen – von aktuell rund 2 Prozent auf mindestens 5 Prozent bis 2060. Alternativ könnten Leistungen gestrichen werden. »Die Diskussion um solche Kürzungen wird in der Politik aber nicht offen geführt«, sagte Raffelhüschen. Eine Reform sei daher längst überfällig. Alle bislang in die Diskussion eingebrachten Vorschläge seien aber »entweder nicht nachhaltig oder politisch nicht mehrheitsfähig«.

 

Nur wenig Potenzial sehen Raffelhüschen und Hackmann in einer Bürgerversicherung. Sie würde als Pflichtversicherung auch Beamte und bislang Privatversicherte aufnehmen. Gleichzeitig werden die Beitragsbemessungsgrenze angehoben und weitere Einkommensarten in die Finanzierung einbezogen. Auf lange Sicht könnte ein solches System die Finanzierung der Pflege aber nicht sichern, sagte Raffelhüschen. »Der Struktureffekt einer Bürgerversicherung ist gleich null.«

 

Spürbare Effekte hätte hingegen aus Sicht der Autoren das sogenannte Einfriermodell. Dabei werden die Zuweisungen aus der Pflegeversicherung auf dem heutigen Niveau fixiert. Alle Kosten, die darüber hinausgehen, müsste eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung auffangen. Der Beitragssatz würde bis 2060 dann auf gerade einmal 2,5 Prozent klettern. Allerdings würden mit einem solchen Konzept die realen Leistungen der Pflegeversicherung durch Preissteigerungen schrittweise abfallen – bis 2060 um etwa die Hälfte.

 

Mit dem sogenannten Karenzzeit-Modell brachten die Freiburger Wissenschaftler eine neue Reformoption in die Pflegedebatte ein. Dabei sollen leichtere Pflegefälle zu Beginn der Pflegezeit beispielsweise ein Jahr lang keine Leistungen erhalten, die anfallenden Kosten soll eine kapitalgedeckte private Zusatzversicherung übernehmen. Raffelhüschen hält das für zumutbar. »Die Kosten für ein Jahr Pflege können viele selbst schultern.« Für Bedürftige soll der Staat die Kosten übernehmen.

 

Schon bei einer Karenzzeit von einem Jahr könnten die Beiträge zur Pflegeversicherung der Studie zufolge bis 2029 konstant bleiben. Würden die Leistungen für zwei oder drei Jahre ausgesetzt, blieben die Beiträge bis 2046 beziehungsweise 2070 stabil. Rund 23 Euro monatlich müssten Beitragszahler im Karenzzeit-Modell zum gegenwärtigen Zeitpunkt für private Rückstellungen aufbringen, sagte Raffelhüschen. Junge Menschen würden mit ihrem Beitrag dabei ältere Versicherte subventionieren, die aufgrund der geringeren Ansparfrist bis zur Pflegezeit eigentlich mehr bezahlen müssten.

 

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) berät derzeit in mehreren Runden mit Fachleuten über eine Reform der Pflegeversicherung. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich Union und FDP für eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung in der Pflege ausgesprochen. Wie genau diese aussehen könnte, ist aber noch unklar. Neben der Finanzierung geht es bei den Beratungen auch um Qualitätsverbesserungen in der Pflege. Die Berechungen der Studie aus Freiburg basierten auf dem Status quo, betonte DIA-Sprecher Bernd Katzenstein. Sollte die Politik eine Ausweitung der Pflegeleistungen vereinbaren, müssten die Zahlen entsprechend angepasst werden. / 

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