Gute Karten für Apotheker |
04.05.2010 16:26 Uhr |
Die Apotheker werden weiterhin eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen spielen, vermutet der ehemalige Chef der Bundesagentur für Arbeit, Florian Gerster. Nun müsse der Berufsstand seine Ideen in die Gesundheitspolitik einbringen.
Apotheker hätten auch in Zukunft gute Karten, sagte Florian Gerster (SPD), ehemaliger Chef der Bundesagentur für Arbeit, derzeit Partner der Unternehmensberatung Deininger und Experte für Gesundheitspolitik, bei seinem Vortrag beim Wirtschaftsforum: »Apotheker genießen laut Umfragen hohes Vertrauen in der Bevölkerung, stellen viele Arbeitsplätze in Deutschland sicher und agieren, auch wenn sie immer wieder Krisen und Erlösminderungen erleben, im Zukunftsmarkt Nummer eins, nämlich der Gesundheitswirtschaft.«
Florian Gerster, ehemaliger Chef der Bundesagentur für Arbeit
Diese dürfte kräftig zulegen, vor allem aufgrund einer veränderten Einstellung in der Gesundheitspolitik – »weg von Regulierung und Kostendämpfung, worauf alle Gesundheitsreformen seit 1989 abzielten, hin zu Deregulierung, Wettbewerb und Wachstumsförderung.« Das gehe aus dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung eindeutig hervor und sei auch dringend nötig.
Gerster ist überzeugt, dass sich dann die Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen stark verändern wird. »Gestalten Sie diesen Wandel aktiv mit, definieren Sie Ihre zukünftige Rolle und beteiligen Sie sich auch am Wettbewerb um Preise und Qualität«, empfahl er den Apothekern. Beispielsweise könnten sie Mitverantwortung für die Auswahl von Arzneimitteln übernehmen, Patienten spezifisch betreuen und enger als bisher mit den anderen Gesundheitsberufen kooperieren. Bei diesen Vorschlägen orientierte er sich am jüngsten Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen von 2009, das den Apothekern eine wichtige Rolle im zukünftigen Gesundheitssystem bescheinigt. »Bringen Sie gute Ideen in die Politik ein, und werben Sie dabei stets mit dem Mehrwert für die Kunden«, empfahl er den Zuhörern. »Dann werden Sie sicher Gehör finden.«
Fülle an Forderungen
Auch Gerster hat eine lange Wunschliste für die Gesundheitspolitik, wie er bei seinem Vortrag ausführte. Mehrfach wiederholte er seine Forderung nach Deregulierung und Wettbewerb. Den Sinn veranschaulichte er am Beispiel Medizintechnik: »Diese Branche ist schon heute kaum reguliert, und tatsächlich verzeichnet sie hohes Wachstum, hohe Nachfrage, hohe Exportquoten und sehr stabile DAX- und MDAX-Werte.« Damit diene die Medizintechnik als »Pilotmodell und Leitbranche« für die Ausgestaltung des ganzen künftigen Gesundheitssystems.
Um aber einen weitreichenden Wettbewerb zu erzeugen, sei die Stärkung der Patientensouveränität unverzichtbar. »Wir müssen Empfehlungen und Institutionen schaffen, bei denen sich die Verbraucher umfassend informieren können.« Das befähige sie, etwa bei der Auswahl von Therapien mitzuentscheiden oder den geeignetsten Kassentarif auszuwählen. Doch sollten die Krankenkassen nicht nur mit Angeboten werben, sondern auch mit möglichst lukrativen Beiträgen. Deshalb forderte Gerster, den erst kürzlich mit dem Gesundheitsfonds eingeführten einheitlichen Kassenbeitrag unverzüglich wieder abzuschaffen. Doch begrüßte er auch die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler zur Einführung einer Kopfpauschale. »Auf diese Weise entkoppeln wir endlich die Kassenbeiträge von der Arbeit.« Die Gerechtigkeit im System lasse sich schließlich auch über einen steuerlichen Ausgleich sicherstellen.
Auf der Leistungsseite forderte Gerster das Prinzip »Zuzahlung statt Ausschluss«. Demnach sollten Patienten bestimmen dürfen, ob sie medizinische Behandlungen nutzen möchten, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung stehen – wenn sie bereit sind, die Differenz zum vergleichbaren, erstattungsfähigen Produkt aus eigener Tasche zu zahlen. Doch müsse der »Basisleistungskatalog« alle Behandlungsverfahren mit einem belegten medizinischen Nutzen umfassen: »Den Patienten darf nichts vorenthalten werden.«