Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Neu auf dem Markt

Corifollitropin alfa und Eltrombopag

Datum 04.05.2010  15:01 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler und Sven Siebenand / Der neue Arzneistoff Corifollitropin alfa könnte die Kinderwunschbehandlung bei Frauen zukünftig vereinfachen. Der zweite Neuling im April ist das Orphan Drug Eltrombopag. Das Antihämorrhagikum hilft Patienten mit einer seltenen Störung der Blutgerinnung.

Unfruchtbarkeit ist der zweithäufigste Grund für Frauen zwischen 20 und 45 Jahren, den Gynäkologen aufzusuchen. Der häufigste Grund ist eine Schwangerschaft. Jedoch hat eines von sechs Paaren Schwierigkeiten, ein Kind zu zeugen. Dies kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Bei der Frau sind Störungen des Hormongleichgewichts und der Ovulation am häufigsten. Tritt trotz einer Hormonbehandlung und Insemination (künstliche Befruchtung) keine Schwangerschaft ein, eröffnet die hormonelle ovarielle Stimulation und anschließende In-vitro-Fertilisation eine neue Option. Dafür gibt es seit April ein neues Fertilitätshormon.

Corifollitropin alfa

 

Das gentechnisch hergestellte Glyko­protein Corifollitropin alfa wird in Kombination mit einem GnRH-Ant­agonisten eingesetzt zur kontrollierten ovariellen Stimulation (COS) bei Frauen, die sich einem Verfahren der assistierten Reproduktion unterziehen (Elonva® 100 und 150 µg Injektionslösung, Essex Pharma). Corifollitropin alfa ist ein lang wirksames Follikelstimulans, das aus der α-Kette des menschlichen FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) und einer Hybrid-β-Unter­einheit besteht; diese wiederum setzt sich aus der β-Kette des humanen FSH und dem carboxyterminalen Peptid der β-Unter­einheit des humanen Choriongonado­tropins (hCG) zusammen. Das neue Gonadotropin wirkt wie FSH, die modifizierte β-Kette verlängert die Wirkdauer jedoch erheblich. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei 69 Stunden.

 

Hier liegt der Hauptvorteil des neuen Präparats: Eine einzige Injektion von Corifollitropin alfa kann in einem Stimulationszyklus die ersten sieben täglichen Injektionen von rekombinantem FSH ersetzen. Die Einzelinjektion löst das Wachstum mehrerer Follikel aus und hält es über eine Woche aufrecht. Dazu erhalten Frauen mit einem Körpergewicht unter 60 kg einmalig 100 µg subkutan, schwerere Frauen einmalig 150 µg, jeweils vorzugsweise in die Bauchdecke. Bei Bedarf kann die Stimulation am achten Tag mit FSH fortgesetzt werden. Auf jeden Fall wird am Tag 5 oder 6 ein GnRH-Antagonist gespritzt, um einen vorzeitigen Anstieg des Luteinisierenden Hormons (LH) zu verhindern. Sind mindestens drei Follikel zu einer Größe über 17 mm herangewachsen, wird die Eizellreifung und -freisetzung mit einer hCG-Injektion initiiert.

 

In zwei randomisierten doppelblinden Studien mit mehr als 1900 Frauen wurde Corifollitropin alfa mit FSH zur Follikelstimulation verglichen. In eine Studie wurden Frauen mit höchstens 60 kg Gewicht aufgenommen, in der anderen Studie die schwereren Frauen. In beiden Studien waren die Therapien vergleichbar gut wirksam. In der Studie mit den über 60 kg schweren Frauen wurden jeder Patientin in der Elonva-Gruppe durchschnittlich 13,7 Eizellen entnommen, in der Follitropin-beta-Gruppe waren es durchschnittlich 12,5 Eizellen. Noch wichtiger: Schwanger wurden 39 und 38 Prozent der Frauen. Die Schwangerschaftsrate war in der Studie mit den leichteren Frauen kein primäres Zielkriterium; hier lag die Zahl der entnommenen Eizellen bei durchschnittlich 13,3 versus 10,6.

 

Die häufigsten Nebenwirkungen waren ovariales Hyperstimulationssyndrom (OHSS; 5,2 Prozent), Schmerzen und Beschwerden im Beckenbereich (4,1 und 5,5 Prozent), Kopfschmerzen, Übelkeit, Erschöpfung und Brustbeschwerden. Das OHSS tritt auf, wenn die Eierstöcke zu stark auf die Behandlung reagieren; es kommt zu einer Schwellung der Ovarien, Ovarialzysten, Schmerzen im Unterbauch, Übelkeit und Durchfall. Ein schweres OHSS kann lebensbedrohlich sein. Daher ist Corifollitropin alfa kontraindiziert für Frauen mit OHSS in der Vorgeschichte, Ovarialzysten oder vergrößerten Eierstöcken.

Der zweite Arzneistoff im April dient der Behandlung der seltenen Autoimmunerkrankung »chronische Immunthrombozytopenie (ITP)«. Dabei kommt es zur Zerstörung oder unzureichenden Bildung von Thrombozyten. Der Mangel an Blutplättchen erhöht das Risiko für spontane Blutergüsse, Schleimhautblutungen oder in schweren Fällen sogar für lebensbedrohliche Blutungen. In Deutschland erkranken jedes Jahr zwei bis drei von 100 000 Erwachsenen an einer chronischen ITP.

Eltrombopag

 

Mit Eltrombopag (Revolade® 25 und 50 mg Filmtabletten, GlaxoSmithKline) kam Mitte April ein neues Orphan Drug auf den deutschen Markt. Zugelassen ist es zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit chronischer ITP nach Entfernung der Milz (Splenektomie), die auf andere Therapien, zum Beispiel Corticosteroide oder Immunglobuline, nicht angesprochen haben. Zudem kann der Arzt Eltrombopag als Second-Line-Therapie in Erwägung ziehen, wenn die Milzentfernung kontraindiziert ist.

Eltrombopag fördert die Produk­tion neuer Thrombozyten, indem es den Thrombopoetin-Rezeptor aktiviert. Der Arzneistoff ist der erste orale Thrombopoetin-Rezeptoragonist. Im vergangenen Jahr war mit Romiplostim (Nplate®, Amgen) bereits ein anderer Wirkstoff zur Steigerung der Thrombozytenproduktion auf den Markt gekommen. Dieser ist einmal wöchentlich subkutan zu injizieren. Das »small molecule« Eltrombopag wird einmal täglich als Tablette eingenommen. Als Tagesdosis werden 50 mg empfohlen, Patienten ostasiati­scher Abstammung nehmen aufgrund pharmakokinetischer Unterschiede nur 25 mg ein. Die Dosis sollte der Arzt im Folgenden bei allen Patienten so anpassen, dass eine Thrombozytenzahl von mindestens 50 000/μl erreicht und aufrechterhalten wird. Dazu sollte er regelmäßige Blutbildkontrollen durchführen. Bei den meisten Patienten dauert es bis zum Auftreten messbarer Erhöhungen der Thrombozytenwerte ein bis zwei Wochen. Das sollten Mediziner auch vor jeder Dosiserhöhung in Betracht ziehen. Apotheker sollten bei der Abgabe des Präparates auf einen Einnahme-Abstand von mindestens vier Stunden zu polyvalenten Kationen wie Eisen, Calcium, Magnesium, Aluminium, Selen und Zink, hinweisen. Auch an den Calciumgehalt von Milchprodukten ist in diesem Zusammenhang zu denken. Maximale Konzentrationen von Eltrombopag treten zwei bis sechs Stunden nach oraler Gabe auf.

 

Insgesamt wurden im klinischen Entwicklungsprogramm von Eltrombopag mehr als 500 ITP-Patienten behandelt. Die Zulassungsstudie RAISE war eine placebokontrollierte Doppelblindstudie der Phase III. Sie schloss 197 erwachsene Patienten (Eltrombopag: n = 135; Placebo: n = 62) mit chronischer ITP und Thrombozytenwerten unter 30 000/μl ein, die auf mindestens eine vorangegangene ITP-Behandlung nicht angesprochen hatten. Primärer Endpunkt war das Erreichen von Thrombozytenzahlen zwischen 50 000 und 400 000/μl. Während des sechsmonatigen Behandlungszeitraumes wurde dieses Ansprechen bei signifikant mehr Patienten im Eltrombopag-Behandlungsarm erreicht. 54 Prozent der mit dem Antihämorrhagikum behandelten Patienten und 13 Prozent der mit Placebo behandelten Patienten erreichten dieses Ansprechniveau nach sechs Wochen. Ein vergleichbares Ansprechen der Thrombozytenwerte wurde während der Studie aufrechterhalten, wobei 52 beziehungsweise 16 Prozent der Patienten nach sechs Monaten ansprachen. Im Vergleich zu Placebo erlitten zudem signifikant weniger Patienten unter Eltrombopag klinisch bedeutsame Blutungen (Verminderung um 65 Prozent für die WHO-Schweregrade 2 bis 4; p < 0,001) oder benötigten Akuttherapien (Eltrombopag 18 Prozent, Placebo 40 Prozent, p = 0,001). Mittlerweile wurden auch Ergebnisse der Langzeitstudie EXTEND zur Wirksamkeit und Sicherheit der Eltrombopag-Langzeittherapie präsentiert. Die aktuellen Daten bestätigen eine stabile und dauerhafte Thrombozytenproduktion bei ITP-Patienten, die bis zu zwei Jahre lang mit dem Thrombopoetin-Rezeptoragonisten behandelt wurden.

 

Mehr als 80 Prozent aller Patienten, die in Studien Eltrombopag erhielten, entwickelten Nebenwirkungen. Sehr häufig klagten sie über Kopfschmerzen. Häufig kam es zu gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit, Diarrhö oder Obstipation, zu Schlaflosigkeit, Augentrockenheit sowie Hautausschlag. Auch ein Anstieg der Leberenzymwerte wurde beobachtet. In der Fachinformation wird die Anwendung von Eltrombopag weder während der Schwangerschaft noch bei Frauen im gebärfähigen Alter ohne ausreichende Schwangerschaftsverhütung empfohlen. /

Kommentar

Beide neuen Arzneistoffe können nach den bisher vorliegenden Daten vorläufig als Schrittinnovationen bewertet werden. Corifollitropin alfa (Elonva® Injektion) ist eine Verbesserung gegenüber dem bisher eingesetzten rekombinanten FSH, weil es mit einer Halbwertszeit von 69 Stunden nur einmal injiziert werden muss gegenüber dem täglich zu gebenden FSH.

 

Eltrombopag (Revolade® Filmtabletten) kann ebenfalls als Weiterentwicklung angesehen werden, weil es spezifischer wirkt als die bisherigen Therapien und gegenüber dem im letzten Jahr eingeführten Romiplostim (Nplate® Injektion) peroral appliziert werden kann.

 

Professor Dr. Hartmut Morck

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.
THEMEN
Zink

Mehr von Avoxa