Raucher besonders gefährdet |
24.04.2012 15:16 Uhr |
Von Brigitte M. Gensthaler, München / Harnblasenkrebs wird oft spät diagnostiziert, da die ersten Symptome wenig typisch sind. Raucher und Menschen mit beruflicher Chemikalien-Exposition haben ein erhöhtes Risiko, an Harnblasenkrebs zu erkranken. Für sie kann eine regelmäßige Kontrolle beim Arzt sinnvoll sein.
Die Innenwände des gesamten harnableitenden Systems sind mit Schleimhaut ausgekleidet. Dieses sogenannte Urothel findet sich im Nierenbecken, in den Harnleitern, der Blase und der Harnröhre. Es ist eine absolut dichte Barriere: Stoffe, die in die Blase gelangen, werden nicht rückresorbiert. Daher ist das Urothel ständig potenziellen Noxen ausgesetzt.
Ein Krebs des höheren Lebensalters
Ein Urothelkarzinom kann in allen Bereichen der ableitenden Harnwege entstehen. Bei neun von zehn Patienten ist die Harnblase betroffen. Laut Robert-Koch-Institut erkranken jedes Jahr knapp 30 000 Menschen in Deutschland neu an Blasenkrebs. Männer sind etwa dreimal häufiger betroffen als Frauen. Im Schnitt sind die Patienten bei Diagnosestellung um die 70 Jahre alt. »Harnblasenkrebs ist ein Tumor des Seniums«, sagte Dr. Gerson Lüdecke von der Urologischen Klinik in Gießen bei einer von den Firmen Concile GmbH und ScheBo Biotech unterstützten Veranstaltung in München.
Urothelkrebs entwickelt sich über viele Jahre hinweg. Hauptrisikofaktor ist das Rauchen. Auch Passivrauchen ist gefährlich. Laut einer Studie, die im vergangenen Jahr im Fachjournal »JAMA« erschien, haben Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern das vierfache Risiko, an Blasenkrebs zu erkranken (doi: 10.1001/jama.2011.1142). Gefährdet sind zudem Beschäftigte in der Farbstoff-, der chemischen und petrochemischen Industrie sowie in Teer verarbeitenden Berufen.
Man kennt heute mehr als 50 Substanzen, die Harnblasenkrebs auslösen können. »Als vor etwa 100 Jahren Fuchsinrot zur Modefarbe des Jugendstils wurde, kamen viele Arbeiter in den Farbwerken mit dem Teerfarbstoff Fuchsin in Kontakt«, berichtete Lüdecke. Fuchsin ist ein aromatisches Amin und gehört damit einer Substanzklasse an, die anerkanntermaßen das Krebsrisiko steigen lässt. »Die chronische Exposition löste Blasenkrebs in wilder Form aus«, sagte der Urologe.
In tropischen Ländern kann das Karzinom die Spätfolge einer Bilharziose sein. Als Sekundärmalignom könne Blasenkrebs nach Bestrahlung im kleinen Becken oder infolge einer Chemotherapie, zum Beispiel mit Cyclophosphamid, entstehen, so Lüdecke.
Symptome werden häufig fehlgedeutet
Die Warnzeichen sind eher unspezifisch: sichtbares Blut im Urin (Makrohämaturie), rezidivierende Mikrohämaturie und ständiger Harndrang mit oder ohne Schmerzen. Viele Menschen halten dies für Anzeichen einer Blasenentzündung oder eines Prostataproblems. Patienten mit diesen Symptomen müssen daher immer zum Arzt gehen.
Bis zu ein Drittel der Neuerkrankten hat bei Diagnosestellung bereits ein invasives Karzinom. Das bedeutet, dass der Krebs nicht mehr auf die Schleimhaut beschränkt ist, sondern in die Muskelschicht der Harnblase eingedrungen ist. Bei manchen Patienten haben sich Metastasen gebildet.
Eine gesetzliche Früherkennungsuntersuchung gibt es nicht. Lüdecke plädierte daher für eine sogenannte risikoadaptierte Vorsorge. Er empfahl, dass sich Menschen mit bekannten Risikofaktoren, zum Beispiel starke Raucher oder mit beruflicher Exposition, von einem Arzt untersuchen lassen, und zwar bevor sie Symptome bemerken. Der Urologe hat zudem einen Online-Risikocheck entwickelt, mit dem jeder sein persönliches Risiko für Blasenkrebs ermitteln kann. Der Test ist zu finden auf www.risikocheck-blasenkrebs.info. /
Für Aufsehen sorgten 2001 epidemiologische Untersuchungen aus den USA, die auf ein erhöhtes Risiko für Harnblasenkrebs bei Friseuren und Verbrauchern hinwiesen, die Haarfärbemittel vor allem aus der Zeit vor 1985 verwendet hatten. Die EU-Kommission initiierte daraufhin eine systematische Sicherheitsbewertung aller verwendeter Substanzen. Ende 2009 gab das Bundesinstitut für Risikobewertung Entwarnung: Für Verbraucher bestehe kein Krebsrisiko durch Haarfärbemittel, weil die problematischen Substanzen seit Langem verboten seien.