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Impfen immer noch notwendig

Datum 24.04.2007  11:48 Uhr

PZ-Akademie Kongress 2007

<typohead type="3">Impfen immer noch notwendig

 

Viele Eltern in Deutschland sind verunsichert, ob sie ihre Kinder impfen lassen sollen. Professor Dr. Wolfgang Jilg, Regensburg, gab den Teilnehmern der PZ-Akademie gute Argumente an die Hand, unsichere Eltern zu beruhigen und vom Sinn der Immunisierung zu überzeugen.

 

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt für Säuglinge und Kleinkinder zwölf Impfungen, nämlich gegen Diphtherie, Pertussis, Tetanus, Haemophilus influenzae Typ B (HiB), Poliomyelitis, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen und seit letztem Jahr auch gegen Pneumokokken und Meningokokken.

 

Ein häufiges Argument von kritischen Eltern sei, dass die meisten Infektionskrankheiten in Deutschland verschwunden wären, sagte Jilg. Dies treffe für einige Erkrankungen wie Tetanus, Diphtherie, Polio und HiB-Infektionen auch zu, bei denen gar keine oder nur wenige Fälle pro Jahr auftreten. Dabei müsse man jedoch bedenken, dass die Erkrankungen wegen guter Impfquoten verschwunden seien. Wenn die Durchimpfungsraten sinken, könnten die Infektionen jederzeit wieder eingeschleppt werden.

 

Dagegen sind andere Erkrankungen immer noch häufig. An Pertussis erkranken Schätzungen zufolge 12.000 Deutsche pro Jahr, an Masern 800 bis 6000 Personen, und mit Hepatitis B infizieren sich 4000 bis 8000 Menschen jährlich neu. An Windpocken erkrankte vor Einführung der Impfung ein gesamter Jahrgang, also 700.000 Kinder jährlich, sagte Jilg.

 

Viele Eltern meinen auch, dass es besser sei, eine harmlose Kinderkrankheit durchzumachen, als zu impfen, und bringen ihre Kinder auf sogenannte Masernpartys. Aber so harmlos seien Masern gar nicht, sagte der Referent. Immerhin einer von 10.000 Patienten stirbt an der Infektion. »Ohne Masernimpfung müssten wir mit 24.500 Masern-bedingten Pneumonien, 525 Fällen von Enzephalitis und 70 Todesfällen pro Jahr rechnen«, berichtete Jilg.

 

Ein weiteres häufiges Argument der Impfkritiker, die Nebenwirkungen der Immunisierung, ginge noch auf die Zeit der Pockenimpfung zurück. Diese Immunisierung führte jedes Jahr zu ein bis zwei Todesfällen. »So ein Impfstoff würde heute niemals zugelassen«, sagte Jilg. Nebenwirkungen moderner Vakzine seien vor allem lokale Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Einstichstelle. Nach Applikation des Lebendimpfstoffs gegen Masern, Mumps und Röteln (jetzt auch in Kombination mit Varizellen) könne eine harmlose »Impfkrankheit« auftreten. Eine echte Komplikation sei jedoch eine allergische Reaktion auf im Impfstoff enthaltene Begleitsubstanzen wie Hühnereiweiß, Thiomersal oder Antibiotika. Andere Komplikationen wie Neuritiden, Fieberkrämpfe, Arthritiden oder das Guillain-Barré-Syndrom träten »extrem selten« auf, betonte Jilg. »Zu bleibenden Schäden oder Todesfällen als Folge einer Impfung ist es mit modernen Vakzinen bislang nicht gekommen.« Auch der gefürchtete plötzliche Kindstod werde nicht durch Impfungen ausgelöst, wie manche Zeitungsartikel nahe legen. In den Jahren 2002 bis 2005 starben in Deutschland elf Kinder 24 Stunden nach einer Vakzinierung am plötzlichen Kindstod. Diese Zahlen ließen leicht einen Zusammenhang vermuten, sagte Jilg. Doch es sei zu bedenken, dass jährlich 500 Kinder den plötzlichen Kindstod sterben und insgesamt 700.000 Impfungen erfolgen. Rein rechnerisch ergäbe sich hieraus, dass vier Kinder pro Jahr einen Tag nach einer Impfung sterben. Der Zusammenhang sei aber ein zufälliger zeitlicher und kein kausaler.

 

Ein häufig genanntes Argument gegen die Sechsfach-Impfung ist, dass die hohe Erregerzahl das Immunsystem überfordere. Davon könne aber keine Rede sein, sagte Jilg. »Wenn ein Kind hinfällt und sich das Knie aufschlägt, hat es ein Vielfaches an Erregern in der Wunde, ohne dass dies dem Immunsystem Probleme bereitet.« Daher sei es auch nicht sinnvoll, nur die »notwendigen Impfungen« auszuwählen, wie manche Eltern dies wollten. Außerdem sei es schwierig, zu entscheiden, welche Impfung wann notwendig ist. Tetanus zum Beispiel sei in Deutschland zwar selten, dennoch sterben auch heute noch fast 30 Prozent der Erkrankten. Auch der Sinn von Hepatitis-B-Impfungen im Säuglingsalter werde häufig angezweifelt, da der Erreger sexuell übertragen wird und somit eine Impfung nicht vor der Pubertät nötig wäre. Dennoch sollten bereits Säuglinge geimpft werden, sagte Jilg. Denn die Altersgruppe der 12- bis 14-Jährigen sei sehr schlecht zu erreichen.

Kommentar: Wie krank ist das?

Grippeähnliche Symptome, rötlicher Hautausschlag und schließlich die Diagnose Masern: Grund genug für einige Eltern in Partystimmung auszubrechen. Spielkameraden werden eingeladen, um sich beim Nachwuchs kleine Geschenke der besonderen Art abzuholen: Masern-Viren. Oftmals werden die Masern-Partys sogar öffentlich in Internetforen angekündigt. Diese Partys, auf denen sich die Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit mit den hoch ansteckenden Masern-Viren infizieren, gehören verboten, die Veranstalter bestraft. Wer vorsätzlich zur Weiterverbreitung von Krankheitserregern beiträgt, kann nach dem Infektionsschutz-Gesetz mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen ­ und das zu Recht. Denn die Partys richten großen Schaden an. Viele Eltern wissen offensichtlich nicht, dass Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind. Mehr als 50.000 Fälle von Mittelohrentzündung, fast 25.000 Lungenentzündungen und mindestens 70 Todesfälle pro Jahr wären an der Tagesordnung, gäbe es keinen Impfstoff. Die natürliche Infektion ist also nicht der bessere Trainer für das Immunsystem. Ein Irrtum, von dem viele Eltern geleitet werden. Der Mythos von gefährlichen Nebenwirkungen der Schutzimpfung ist ebenso falsch. In nordeuropäischen Ländern sind Masern wegen der hohen Durchimpfungsrate zudem praktisch ausgerottet. Eltern, die ihre Kinder hierzulande auf Masernpartys schicken anstatt sie impfen zu lassen, behindern selbstverständlich auch diesen Prozess. Kinderärzte fordern, die Zulassung zum Kindergarten und die Einschulung von einem Impfnachweis abhängig zu machen. Als Heilberufler sollten wir mit den Medizinern an einem Strang ziehen und besorgten Eltern zwei Ratschläge geben: Lassen Sie ihr Kind impfen und sagen Sie die Masernparty ab.

 

Sven Siebenand

PZ-Redakteur

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