Koalitionsparteien setzen auf Konfrontation |
25.04.2006 18:15 Uhr |
<typohead type="3">Koalitionsparteien setzen auf Konfrontation
von Daniel Rücker, Eschborn
Am 1. Mai wollen die 16 Experten von Union und SPD ihre Gespräche über die Gesundheitsreform fortsetzen. Schon jetzt ist klar: Leicht ist ihre Aufgabe nicht. Moderate Töne sind zurzeit selten. Stattdessen ziehen sich beide Regierungsparteien auf altbekannte Positionen zurück.
Mit in der ersten Reihe der medialen Präsenz ist mal wieder Schattengesundheitsminister Horst Seehofer. Das nachlassende öffentliche Interesse an der Vogelgrippe gibt ihm offensichtlich Zeit, sich wieder mit seinem Stammthema zu beschäftigen. Im Magazin »Cicero« ruft er zu einer kontroversen Diskussion über die Gesundheitsreform auf. Es sei nicht schlimm, wenn die Parteien für eine Zeit in ihren Positionen auseinander lägen. Seine Aussage verbindet er mit der wenig schmeichelhaften Mahnung an seine Parteikollegen, sie sollten Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt nicht unterschätzen. Seehofer: »Es gibt nicht viele, die solche Sachkenntnisse im Tornister haben.«
Traditionelle Positionen
Seit dem Wechsel an der SPD-Spitze dominieren bei den Sozialdemokraten bis auf weiteres die Traditionalisten. In einer Entschließung bekräftigten Parteivorstand und Parteirat, dass die SPD Kernforderungen der Union wie Kopfpauschalen und starre Arbeitgeberbeiträge ablehnt. Im Rahmen der Reform müssten zentrale Elemente der Bürgerversicherung realisiert werden, heißt es in dem Beschluss. Alle Bürger müssten sich solidarisch nach der jeweiligen »finanziellen Leistungsfähigkeit« des Einzelnen beteiligen, wobei alle Einkommensarten berücksichtigt werden müssten. Das ist im Grundsatz die Position, die die Partei schon vor der Bundestagswahl vertreten hatte. In einem Papier »für eine solidarische Zukunft der Krankenversicherung« lassen es fünf eher dem linken Lager zuzurechnende Sozialdemokraten auch bewusst am Willen zum Kompromiss fehlen: »Wir dürfen nicht alles mit uns machen lassen«, fordern sie von ihren Parteikollegen. Ansonsten bietet das Papier Altbekanntes bis hin zur Positivliste für Arzneimittel.
Bei Unionspolitikern ruft so viel sozialdemokratisches Selbstbewusstsein entsprechende Reaktionen hervor. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, kündigte in der »Frankfurter Rundschau« Kürzungen bei den GKV-Leistungen an: »Wir werden uns auf einen Grundleistungskatalog verständigen müssen.« Die erwartete Reaktion aus dem Bundesgesundheitsministerium kam mit der ebenfalls erwartet kurzen Latenz. Es werde auch in Zukunft alles Notwendige verordnet, sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater.
Mit der nach außen demonstrierten gesundheitspolitischen Geschlossenheit der SPD kann die Union zurzeit nicht konkurrieren. Im Gegenteil: Der Reformvorschlag von Fraktionschef Volker Kauder spaltet die Partei. Kauder hatte im »Stern« vorgeschlagen, die Krankenversicherung der Kinder über einen Gesundheitsfonds oder Steuern zu finanzieren. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies dies deutlich zurück. Über die bereits beschlossene Anhebung der Mehrwertsteuer stünden Steuererhöhungen nicht zur Debatte.
Zwischen den Parteien geht der Streit mittlerweile auch um die Nachhaltigkeit der Reform. Vizekanzler Franz Müntefering fordert eine Reform, die 20 Jahre und sogar den nächsten Regierungswechsel überstehen soll. Die Menschen sollten wissen, wie es in den nächsten Jahren weitergeht. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller glaubt daran nicht. Münteferings Wunsch sei zwar verständlich, Union und SPD hätten dafür allerdings sehr unterschiedliche Ausgangspositionen.
Unterdessen nutzen Kassen und Verbände die Gelegenheit, ihre Vorstellungen darzustellen. Die Vorsitzende des Ersatzkassenverbandes VdAK, Doris Pfeiffer, fordert nun die Abschaffung der Versicherungspflichtgrenze. Nur so könne die Finanzlage der GKV verbessert werden. Eine klare Absage erteilte sie Kauders Vorschlägen: »Das Fonds-Modell löst keines der aktuellen Probleme «, sagte Pfeiffer Ein Fonds mit festen Beiträgen für Arbeitgeber würde die Versicherten einseitig belasten und Verwaltungsaufwand verursachen.
Selbstständige und Freiberufler machten sich in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Private Krankenversicherung (PKV) stark. Fünf große Ärzte- und Klinik-Organisationen und die Verbände der Freien Berufe, der Pharmaindustrie, der Beamten, des Einzelhandels, des Handwerks und der Privatversicherungen (PKV) vor einer Schwächung der PKV. Die Privaten seien »als Teil der solidarischen Absicherung des Krankheitsrisikos in Deutschland unverzichtbar«, heißt es in dem von den Verbandsvorsitzenden unterzeichneten Schreiben, das am Donnerstag im Kanzleramt übergeben wurde.