DNA-Reparatur und Interneurone |
25.04.2006 14:01 Uhr |
<typohead type="3">DNA-Reparatur und Interneurone
von Brigitte M. Gensthaler, München
Fehler in der DNA können das Überleben der Zelle und des gesamten Organismus gefährden. Mangelnde Aktivität von Interneuronen lässt Hirnfunktionen entgleisen. Mit zwei völlig unterschiedlichen Forschungsfeldern befassen sich die beiden Wissenschaftlergruppen, die in diesem Jahr den Philip-Morris-Preis erhalten.
Etwa zwei Meter DNA stecken in jeder Zelle. Sauerstoffradikale, UV-Strahlung, Viren und Umweltgifte verursachen ständig Schäden im Erbgut. Damit keine Fehler bei der Replikation der DNA weitergegeben werden, bessern Reparaturenzyme die Schadstellen aus. Bis heute sind diese Vorgänge in lebenden Zellen nicht detailliert bekannt. Mit einem neuen Verfahren können die Reparaturprozesse in vitro bis in atomare Details hinein beobachtet werden. Für seinen Beitrag zur Erforschung der Basenexzision erhielt Professor Dr. Thomas Carell von der Ludwig-Maximilians-Universität München den Philip-Morris-Preis.
Basenexzision in vitro
Für die Untersuchung der Korrekturprozesse stellte Carell kurze DNA-Stränge mit definierten Fehlern her, zum Beispiel zwei »verklebten« Thymin-Basen. Zu diesen Testobjekten gab er Reparaturenzyme, zum Beispiel Photolyasen, hinzu, die diese Thymin-Dimere aufspüren und beseitigen. Der Forscher kristallisierte die DNA-Enzym-Komplexe und analysierte sie mit Röntgenstrahlen. Damit ließen sich die molekularen Strukturen des Komplexes in verschiedenen Reparaturstadien erkennen, erklärte er bei einer Pressekonferenz in München. Die Daten zeigen, dass die Photolyase den DNA-Strang quasi greift und aufbiegt, den Doppelbaustein herausdreht, in der Enzymtasche aufbricht, und den DNA-Strang dann wieder zurückschnappen lässt.
In ähnlicher Weise analysierte Carell DNA-Sequenzen mit schadhaften Guanin-Basen. Bei Angriffen von freien Radikalen kann sich die räumliche Orientierung der Basen ändern, wodurch sie von der Polymerase bei der Replikation der DNA nicht mehr erkannt werden. Die Polymerase verwechselt in etwa der Hälfte der Fälle das defekte Guanin mit Thymin und baut in den komplementären Strang Adenin statt des (korrekten) Cytosins ein. Ein Korrekturenzym kann das falsch eingesetzte Adenin wieder herausschneiden. Diese Exzision untersuchte Carell mit seiner Methode. Wie anschließend die richtige Base eingesetzt wird, sei allerdings bislang kaum verstanden, räumte der Wissenschaftler ein.
Je häufiger der Korrekturprozess abläuft, desto weniger Fehler bleiben in der DNA bestehen. Pflanzliche Zellen, die unter Stress stehen, steigen allerdings nach wenigen Korrekturzyklen aus. Anwendungspotenzial für seine Ergebnisse sieht der Chemiker daher beispielsweise im Pflanzenschutz. Um Pflanzen unempfindlicher gegen Stress durch Trockenheit und UV-Licht zu machen, könne man sie gentechnisch so verändern, dass sie leistungsfähigere Reparaturenzyme besitzen.
Interneurone als Taktgeber
Die meisten Nervenzellen im Gehirn passen in zwei Kategorien: Haupt- und Interneuronen. Letztere verschalten zwei Nervenzellen miteinander, im engeren Sinn ein sensorisches und ein motorisches Neuron. Man spricht daher auch von Schalt- oder Zwischenneuronen. GABAerge Interneurone, die an ihren Synapsen gamma-Aminobuttersäure (GABA) ausschütten und damit die Aktivität nachgeschalteter Nervenzellen hemmen, sind das Forschungsobjekt von Professor Dr. Hannah Monyer von der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. Für ihre Arbeiten zur Regenerations- und Anpassungsfähigkeit des Gehirns erhielt sie den Philip-Morris-Preis 2006.
Monyers Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den molekularen Grundlagen synchroner Netzwerkaktivität im Gehirn, das heißt mit dem gleichzeitigen Abfeuern von Impulsen zahlreicher Nervenzellen. Diese zeitliche Abstimmung ist wichtig, damit im Gehirn kohärente sinnvolle Bilder der Außenwelt entstehen. Es zeigte sich, dass GABAerge Interneurone, die manchmal bis zu 10.000 Synapsen aufweisen, die Aktivität zahlreicher Nervenzellen koordinieren. Um die Zellverbände in ihrer Umgebung zu synchronisieren, feuern sie nach einem rhythmischen Entladungsmuster und fungieren so als »Taktgeber«, erklärte die Medizinerin. Verändere man spezifische Proteine auf ihrer Oberfläche, ändere sich der elektrische Rhythmus.
Diese Interneurone kommunizieren mit anderen Hirnzellen nicht nur chemisch über den Neurotransmitter GABA, sondern auch über elektrische Kontaktstellen. Durch diese so genannten Gap-junction-Kanäle können Ionen direkt zwischen Zellen wandern und Informationen besonders schnell übermitteln. Der zusätzliche elektrische Austausch ist wichtig, damit Netzwerkaktivitäten in einem bestimmten Frequenzbereich entstehen.
Monyer arbeitete mit gentechnisch veränderten Mäusen, bei denen GABAerge Interneurone einen grün fluoreszierenden Farbstoff exprimieren. Damit konnte sie deren Aktivität bei verschiedenen Aufgaben beobachten. Bei Vorgängen des Lernens und Erinnerns waren die elektrischen Entladungsmuster besonders prägnant. Auch der Ort, wo die gap-junctions auf den Interneuronen lokalisiert sind, beeinflusste die Funktion des Netzwerks. Zudem konnte Monyer nachweisen, dass die Reifung GABAerger Interneurone nicht, wie man immer vermutet hat, kurz nach der Geburt abgeschlossen ist, sondern auch im erwachsenen Gehirn stattfinden kann. Ihre Grundlagenforschung berührt ganz aktuelle Fragen, denn »Gehirnschwingungen spielen bei vielen psychiatrischen und neurologischen Krankheiten eine Rolle«, so die Medizinerin.