Pharmazeutische Zeitung online
Digitale Kundendaten

Bedürfnisse kennen und gezielt beraten

19.04.2017  10:32 Uhr

Von Professor Gerhard F. Riegl / Europäische Versandapotheken dürfen Boni gewähren: Der Schock dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sitzt tief. Doch es warten noch andere dramatische Herausforderungen auf Präsenzapotheken – etwa die Digitalisierung im Kundenbereich. Auch hier drohen daten- getriebene Versender die Offizinen abzuhängen. Dabei müssten Letztere ihre Daten nur besser nutzen und zeigen, was sie können.

Auf den ersten Blick wird es leicht übersehen: Der Internetversand ist kein rein preisgetriebenes Geschäftsmodell. Weit mehr interessieren sich Onlineanbieter für beiläufig erlernbare Daten ihrer Kunden und die übergeordnete Motivation ihrer Zielgruppen. Um an die wertvollen Informationen zu kommen, setzen die Unternehmen sogar Dumpingpreise ein – langfristig zahlen sich der Kundenfang und das Sammeln von Patientendaten nämlich aus.

Digitalisierung und Datenökonomie lassen sich nicht aufhalten, auch nicht durch Gesetze im Apothekenbereich. Präsenz­apotheken dürfen sich in diesem Wettbewerb nicht abhängen lassen. Bis Mai 2018 will die EU eine Datenschutzgrundverordnung vorlegen, bei der die wirtschaftliche Nutzung personenbezogener Daten in definierten Grenzen zulässig bleiben soll.

 

Somit rollt auf die Apotheken wie auf den gesamten Einzelhandel eine disruptive digitale Transformationswelle zu. Digitalisierung und künstliche ­Intelligenz sind das beherrschende Einzelhandels-Thema 2017. Von ihnen ­erwarten sich Unternehmen Preisoptimierung und regionale Absatzprognosen. Wer sich der Digitalisierungs-Revolution verweigert, könnte Probleme bekommen wie einst der Tante-Emma-Laden durch die Entstehung der Supermärkte.

 

Anschluss nicht verpassen

 

Wettbewerbsnachteile für Präsenz­apotheken sind also nicht nur durch ein etwaiges Ende der Preisbindung zu erwarten. Sie könnten auch den Anschluss verpassen, wenn sie Daten zum Verhalten ihrer Kunden nicht sammeln und etwa für eine bessere Betreuung nutzen. Online-Anbieter kommen derzeit sehr viel leichter an legitime, freigegebene und nutzbare Daten ihrer Kunden. Immer stärker gehen sie auf Datenfang und verdienen Geld mit werthaltigen, personenbezogenen Informationen. Und das scheint niemanden zu stören, jedenfalls liest man kaum Negativschlagzeilen zu dem Thema.

 

Präsenzapotheken dagegen zeigen bislang kaum Interesse an dieser neuen Währung für effiziente, einfühlsame Kundenbeziehungen mit Partizipation, sonst würden sie viel mehr systematisch fragen, zuhören und nach allen Regeln der Kunst Erkenntnisse sammeln. Professionelle schriftliche Kundenbefragungen zu Wünschen, Stimmungen und Verhalten der Kunden könnten der Einstieg zum künftigen Data-Mining in Apotheken sein, nicht nur für Zufriedenheitsmessungen. Zwar gibt es auch misstrauische Bürger, die hinter jeder Kundenkarte sofort Datenklau wittern. Tatsächlich sind Apotheken-Kundenkarten bislang jedoch meist harmlose Versuche, Patienten an eine bestimmte Offizin zu binden. Oft verwaisen sie irgendwann als ungenutzte Datenfriedhöfe.

 

Skeptiker führen an dieser Stelle gern den Datenschutz an: Schließlich sind gerade Apothekendaten sensibel und persönlich. Internet-Versender werben jedoch schon heute völlig offen mit dem Argument, sie könnten mit ihren Kundendatensätzen Rückrufaktionen besser als Präsenzapotheken durchführen. Wo ist also das ­Datenschutzproblem, wenn ein ­aufgeklärter Kunde, ohne direkte Aufforderung, vertrauensvoll und freiwillig sein Rezept per Handy an eine ihm persönlich bekannte Vor-Ort-Apotheke übermittelt, statt an einen Versender in Holland? Wer sich redlich für die Daten seiner Kunden interessiert und damit Beratung und Betreuung mit Empathie verbessern will, ist kein »Spionage-Apotheker«.

 

Kundenwünsche erkennen

 

Präsenzapotheken müssen gut darin sein, die Wünsche ihrer Kunden schnell zu erkennen. Dazu sollten Pharmazeuten von ihren Patienten lernen, auch von deren neuer Selbstexpertise und digitalen Selbstvermessungen. Apotheker müssen wissen, was ihre Kunden umtreibt, wie sie zwischen Medienkanälen pendeln, welche Vorlieben und Werte sie haben und wie man sie rund um Gesundheitsbedürfnisse richtig anspricht. Bisher sind Apotheker jedoch in erster Linie Spezialisten für eine verkündende pharmazeutische Aufklärung.

 

Künftig wird eine einzige Frage an den Kunden nicht mehr genügen. Nur wer seine Patienten individuell besser kennt und versteht – mindestens so kenntnisreich wie die Anbieter im Internet – kann sie lückenlos betreuen und effizient sowie wertschöpfend beraten. Um Kundenerkenntnisse besser zu entschlüsseln und zu sammeln, sollten Apotheker nicht nur auf das hören, was ihre Patienten sagen, sondern auch die Stimmung dahinter erfassen, denn vieles wird eher beiläufig offenbart.

 

Es stimmt, günstige Preise locken kurzfristig Kunden an. Sie binden sie jedoch nicht nachhaltig – denn im Internet-Zeitalter lauert nur einen Mausklick entfernt stets das nächste billigere Angebot. Einen Preiskrieg können Offizin-Apotheken gegen die Internetkonkurrenz ohnehin nicht gewinnen. Versender können schließlich auch jahrelange Verluste wegstecken.

 

Emotionen und Menschlichkeit können Fernanbieter mit künstlicher Intelligenz jedoch nur vortäuschen. Deshalb sollten Präsenzapotheken auf menschliche Intelligenz setzen. Sie schafft Vertrauen und Geborgenheit, ist jedoch ohne den Einsatz von Patientendaten nicht mehr denkbar. Natürlich müssen diese Informationen ethisch verantwortungsvoll genutzt werden. Digitalisierung bedeutet: Die Maschinen­lesbarkeit von freigegebenem Kundenverhalten ist kein Sündenfall für die Präsenzapotheke, sondern ein Überlebensinstrument zur Waffengleichheit mit Versand und Internet. Kunden wollen und können ihre Gesundheitsdaten (auch via Apps, Smartphones et cetera) mit der Präsenzapotheke ihres Vertrauens teilen, wenn sie sich davon einen Vorteil versprechen.

 

In Zukunft wird es dazu maschinelle, kundenoptimierte Konditionen mit künstlicher Intelligenz für Präsenz­apotheken geben. So könnte zum Beispiel ein Apotheken-Algorithmus vorhersagen, mit welcher Art von Dynamic Pricing (Erhöhung oder Senkung der Preise) in der ersten Woche im Mai bei bestimmten Witterungsbedingungen die jeweilige Apotheke ihre besten Wertschöpfungen erzielen kann. Man muss sich fragen, warum Apotheken-Kooperationen die für Einzelapotheken zu aufwendige, aber überlebenswichtige Förderung dieser Kunden-Digitalisierung nicht stärker unterstützen. Denn künstliche Intelligenz mit Kundendaten wäre eine neue Kernkompetenz für Apotheken-Kooperationen.

 

Personalisierte Medizin

 

Entscheidend für den künftigen Versorgungs- und Qualitäts-Wettbewerb bei Arzneimitteln ist: Wer wirkt mit Gedankenlesen und seinen quasi hellseherischen Angeboten am besten auf Kunden? Welche Apotheke darf mit Einwilligung im Leben der Patienten eine immer wichtigere Rolle spielen? Gewinnen werden hier vor allem Offizinen, die ihre Kunden besser als andere verstehen und die ihnen anvertraute Daten intelligent und verantwortungsvoll nutzen.

 

Mit legitimer Digitalisierung von Kunden-Verhalten und -Interessen können Präsenzapotheken wunderbare Kundenbindungen erzielen, die letztendlich nachhaltiger sind als Preisbindungen. Vorsprung durch Kundenwissen hilft jeder Vor-Ort-Apotheke, mit Emotionen einen Mehrwert zu schaffen, den es so nicht im Internet geben kann. Nicht allein die Effizienz regiert in der Apotheke, sondern die Menschlichkeit gegenüber Mitarbeitern und Kunden. /

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