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Antikorruptionsgesetz

Des einen Freud, des anderen Leid

20.04.2016  10:28 Uhr

Von Jennifer Evans / Der Bundestag hat am vergangenen Donnerstag das Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen beschlossen. Demnach sollen Bestechlichkeit und Bestechung künftig für Heilberufler unter Strafe stehen. Doch mit der aktuellen Version des Gesetzes sind nicht alle einverstanden – vor allem im Hinblick auf die Apotheker.

Die Apotheker sehen viele als Gewinner, denn eine entscheidende Passage ist aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden: die Vorteilsnahme bei der Abgabe von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten. Mit dem Ausklammern dieser sogenannten zweiten Tatbestandsalternative aus dem Gesetz kommt den Apothekern eine Ausnahmestellung unter den Heilberuflern zu.

 

Kaufmännisch agieren

 

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt wundert das nicht. »Die Gesundheitspolitik hat bereits vor langer Zeit die Richtungsentscheidung getroffen, dass Apotheker auch als Heilberufler im Wettbewerb stehen und kaufmännisch agieren müssen.« Gerade in der Selbstmedikation sei es wichtig, rezeptfreie Arzneimittel möglichst marktgerecht einzukaufen, um Rabatte an Patienten weiterzugeben. Der Bereich der rezeptpflichtigen Arzneimitteln hingegen »ist durch ärztliche Verordnung, Rabattverträge und Festbetragsregelungen ohnehin so stark reguliert, dass die Apotheke keinen Spielraum für abweichendes Verhalten hat«, sagte er. Schmidt zufolge hat der Gesetzgeber konsequent gehandelt, weil er die Besonderheiten des Apothekenwesens berücksichtigt hat. Zudem sei vieles, was bislang schon berufsrechtlich verboten war, künftig auch strafbar. Und damit sei der Schutz des Patienten vor einer durch Vorteilsnahme motivierten Beratung durch die Apotheke gewährleistet.

 

Verärgert zeigte sich hingegen Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbands: »Warum sollen die Regelungen zur Bekämpfung von Bestechlichkeit für Ärzte gelten, aber nicht für Apotheker?« Laut Litsch entscheidet bei den meisten Verordnungen doch der Apotheker, welches Medikament der Patient bekommt. Dabei wähle er zwischen den drei preisgünstigsten oder mehreren rabattierten Arzneimitteln aus. Da die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) jährlich mehr als 35 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgebe, bleibe in Hinblick auf die Apotheker ein »hochgradig korruptionsgefährdeter Bereich« im Dunkeln, so Litsch.

 

Das sieht der Verband der Ersatzkassen (vdek) ähnlich. »Gerade auch bei der Abgabe von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten kann es zu Beeinflussung und Vorteilsnahme kommen«, sagte vdek-Vorsitzende Ulrike Elsner. Sie betonte, dass durch Bestechung, Abrechnungsbetrug und Falschabrechnung allein in Deutschland Schäden von bis zu ­18 Milliarden Euro pro Jahr entstünden. Auch Gernot Kiefer, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbands, findet das Gesetz unzureichend: Es könne nicht sein, dass Apotheker bei der Abgabe bestimmter Medikamente Sonderrabatte oder andere Vergünstigungen seitens des Herstellers bekämen und dafür nicht belangt würden.

 

Nur weil die Regierung erwünschte Rabatte im Rahmen des Wettbewerbs nicht unter Korruptionsverdacht stellen wolle, bewegten sich Apotheker dennoch nicht im straffreifen Raum, betonte der Marburger Pharmarechtler Elmar Mand. »Bei gewissen Kooperationen machen sie sich nach wie vor strafbar. Etwa dann, wenn sie mit einem Arzt vereinbaren, dass dieser seine Patienten in ihre Apotheke schickt«, sagte er im Gespräch mit der PZ. Außerdem seien Zuweisungen von Krankenhäusern oder im Rahmen der Heimversorgung problematisch.

 

Kleine Faustregel

 

Eine gute Orientierungshilfe sei: »Was berufs- oder wettbewerbsrechtlich verboten ist, bleibt es auch weiterhin.« Beachteten die Apotheker die bisher gültigen Verbote, ändere sich kaum etwas. Laut Mand unterliegen Preis- und Rabattvorschriften weiter dem Heilmittelwerbegesetz oder dem Apothekengesetz und könnten bei Verstößen geahndet werden. Insgesamt begrüßt der Jurist die Änderungen des Antikorruptionsgesetzes und pflichtet der Ansicht der ABDA bei: »Ich finde, Apotheker sind Kaufleute und es würde den Wettbewerb eindämmen, wenn jeder Angst haben müsste, sich strafbar zu machen.«

 

Der Rechtsausschuss der Koalition hatte sich bereits am vergangenen Mittwoch auf den Gesetzentwurf geeinigt – allerdings mit zwei Änderungen. Die erste: Bestechung und Bestechlichkeit sollen künftig als Offizialdelikte gelten. Bei einem Verdacht auf korruptes Verhalten muss der Staatsanwalt künftig also von sich aus handeln – und nicht erst auf Antrag. Die zweite: Strafen für die Verletzung berufsrechtlicher Pflichten sind gestrichen worden. Grund ist, dass das Berufsrecht Ländersache ist und eine Strafbarkeit damit nicht einheitlich geregelt wäre. Bestechung und Bestechlichkeit sollen künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können, in schweren Fällen sogar mit bis zu fünf Jahren.

 

Gegenwind zum geänderten Entwurf gab es bis zuletzt von den Gesundheitsexperten der SPD. Sie sahen den Patienten benachteiligt. »Krankenkassen und Pharmaindustrie erhalten einen besseren Schutz vor Korruption. Alleine der Patient bleibt ungeschützt«, erklärte etwa der stellvertretende SPD-Fraktionschef Professor Karl Lauterbach. Schließlich gab die SPD aber doch grünes Licht für das geplante Gesetz. Nach wie vor kritisch sind die Grünen. In einer Stellungnahme sagte deren gesundheitspolitische Sprecherin Maria Klein-Schmeink: »Im Ergebnis bleibt der Schutz der Patienten vor interessengeleiteten Empfehlungen von Ärzten und Apothekern auf der Strecke.« Ähnlich beurteilte auch Kathrin Vogler, Gesundheitspolitikerin der Linken, die Situation. Der ausgehandelte Kompromiss weiche die ursprünglich geplante Regelung zum Schutz der Patienten auf und gefährde deren Vertrauen in die Heilberufe.

 

Ziel erreicht

 

Jan-Marco Luczak (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses, sah hingegen das Ziel des Gesetzes erreicht. Mit den vereinbarten Änderungen sei die neue Version rechtssicher. Zudem führe die Streichung der zweiten Tatbestandsalternative mit dem Verweis auf die Berufspflichten nicht zu Strafbarkeitslücken. Laut Luczak werden Korruptionsfälle fast ausnahmslos von der ersten Tatbestandsalternative zum Schutz des lauteren Wettbewerbs erfasst.

 

Die Koalitionsfraktionen stimmten für das Gesetz, Die Linke dagegen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich bei der Abstimmung. Abschließend berät noch der Bundesrat über die Vorlage, das Gesetz ist jedoch nicht zustimmungspflichtig. In Kraft treten soll es einen Tag nach der Verkündung im Bundesanzeiger. /

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