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Anaphylaktische Reaktion unter Cetuximab

Kreuzreaktion mit Zeckenspeichel

15.04.2014  11:33 Uhr

Von Rolf Thesen / Der monoklonale Antikörper Cetuximab kann bereits bei der ersten Anwendung zu einer anaphylaktischen Reaktion führen. Als Ursache gelten IgE-Antikörper gegen das in der Natur weit verbreitete Disaccharid Galaktose-α-1,3-Galaktose (α-Gal). Es kommt auch im Speichel mancher Zeckenarten vor.

Cetuximab (Erbitux®) ist zugelassen zur Behandlung des metastasierenden kolorektalen Karzinoms und des Platten­epithelkarzinoms von Kopf und Hals. Das Biologikum besteht aus Teilen eines menschlichen Antikörpers und Antigenbindungsstellen (Fab-Region) aus Mäusen. Die Fab-Region enthält an ihrem Ende das Disaccharid α-Gal. Dieses wird wahrscheinlich bei der Herstellung in Säugetierzellen während der posttranslationalen Glykosylierung angehängt.

 

Amerikanische Zecken als Auslöser

 

Bereits 2008 berichteten US-Forscher, dass 17 von 25 Patienten, bei denen es nach Cetuximab-Gabe zu einer Überempfindlichkeitsreaktion gekommen war, α-Gal-Antikörper im Blut hatten. In der Kontrollgruppe ohne Überempfindlichkeitsreaktion war dies nur bei einem von 51 Patienten der Fall. Zudem fiel den Forschern eine regionale Abhängigkeit auf. 

 

Auslöser der primären Immunantwort ist vermutlich der Speichel der in Amerika verbreiteten Zeckenart Amblyomma americanum. Besonders bei Patienten, die mit starken inflammatorischen Reaktionen auf Zeckenstiche reagierten, konnten erhöhte Titer von IgE-Antikörpern gegen α-Gal nachgewiesen werden. Dieselben durch Zeckenspeichel gebildeten Antikörper lösen vermutlich auch eine Allergie auf rotes Fleisch aus.

 

Für europäische Zecken fehlt dieser Nachweis bislang. Trotzdem wurden auch in Europa Infusionsreaktionen auf Cetuximab bei Erstanwendung beobachtet. In 35 Prozent der Fälle handelte es sich um schwere Reaktionen. Sie traten häufiger während der Erstverabreichung als bei Folgeinfusionen und durchschnittlich nach 22 Minuten auf. Darüber hinaus lassen die Daten regionale Unterschiede erkennen. Das Bild, das hieraus entsteht, lässt vermuten, dass auch hier IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktionen abgelaufen sein könnten.

 

Dennoch setzten die Ärzte in 52 Fällen das Medikament nicht ab, was in 29 Fällen ohne weitere Reaktionen verlief. Daraus schloss man, dass noch andere Mechanismen eine Rolle spielen könnten, zum Beispiel ein Zytokin-Freisetzungs-Syndrom (CRS). Dieses gehört zum Komplex der schweren Infusions­reaktionen, die besonders im frühen Stadium klinisch schwer zu differenzieren sind und sich als Blutdruckabfall, Übelkeit, Darmspasmen, Lidschwellungen, Nesselsucht, Spasmen der Atemwege bis hin zu Schock und Herzstillstand manifestieren können. Ein CRS tritt typischerweise schon bei Erstverabreichung auf, wird bei darauffolgenden Infusionen weniger beobachtet und kann durch Maßnahmen wie Verlangsamung der Infusionsgeschwindigkeit oder Prämedikation mit Corticosteroiden oder Antihistaminika kontrolliert werden.

 

Änderungen in der Fachinfo

 

Anders sieht es bei IgE-vermittelten allergischen Reaktion aus. Ihr auslösender Mechanismus ist die Bindung von spezifischen, auf Immunzellen sitzenden IgE an den Wirkstoff, den diese als ihr spezifisches Antigen erkennen. Das setzt eine vorangegangene Sensibilisierung gegenüber dem am Wirkstoff befindlichen antigenen Epitop voraus. Alternativ ist allerdings auch eine Kreuzreaktion vorstellbar. Dabei verursacht der Kontakt mit einer anderen Substanz mit ähnlicher Struktur die Bildung des spezifischen Immunglobulin E. In diesem Fall kann bereits bei der ersten Verabreichung des Arzneimittels innerhalb von Minuten eine Überempfindlich­keits­reaktion auftreten. Bedingt durch den Mechanismus ist hier im Gegensatz zum CRS keine Verminderung bei wiederholter Gabe zu erwarten; eine erneute Verabreichung sollte daher vermieden werden.

 

Unter Berücksichtigung europäischer Studiendaten hat die Analyse von Verdachtsfällen schwerer Infusionsreaktionen auch in Europa zu einer Änderung der Fachinformation geführt. So wurde IgE-vermittelte Anaphylaxie in das Spektrum schwerer Infusionsreaktionen aufgenommen. Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass ein erhöhtes Risiko einer Anaphylaxie bei Patienten mit Allergien auf rotes Fleisch oder Zeckenbissen in der Vorgeschichte besteht.

 

Derzeit steht kein klinisch validierter Test auf die α-Gal-spezifischen IgE zur Verfügung. Zwar gibt es einen verfügbaren, voll validierten In-vitro-Test auf spezifische anti-Cetuximab-IgE, der das α-Gal-Epitop erkennt (ImmunoCAP, Phadia U.S.). Es fehlen allerdings bislang überzeugende Daten, die die Testergebnisse und die klinischen Beobachtungen eindeutig in Zusammenhang bringen können. Daher empfehlen die Behörden derzeit die obligatorische Verwendung eines solchen Tests vor Beginn der Behandlung mit Erbitux nicht. /

 

Quelle: Bulletin zur Arznemittelsicherheit 1/2014

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