Hersteller sondieren rechtliche Schritte |
20.04.2010 15:03 Uhr |
Von Nils Franke, Berlin / Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) zeigt sich entsetzt über das Arzneimittel-Sparpaket des Gesundheitsministeriums. Das geplante Gesetzesverfahren im Schnelldurchlauf halten die Hersteller gar für »verfassungsrechtlich bedenklich«.
Der Gegenwind bläst Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) immer heftiger ins Gesicht: Er führe sich »ein bisschen wie ein Nachlassverwalter« von Ulla Schmidt (SPD) auf, ätzt Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des VFA, gegenüber der Presse in Berlin.
Auch sonst spart sie nicht mit drastischen Worten, um die Folgen des Eckpunktepapiers von Union und FDP auszumalen. Das Arzneimittelsparpaket verordne der Gesundheitsbranche nachträglich die Krise, die bislang an dieser vorbeigegangen sei. Die Preise einzufrieren und den Zwangsrabatt der Hersteller an die Kassen von 6 auf 16 Prozent zu erhöhen, das sei nichts anderes als eine »Sondersteuer für Forschung und Innovation«. Ein dreijähriges Moratorium sei als Überbrückungsmaßnahme nicht nachvollziehbar. »Wir halten Höhe und Dauer des Zwangsrabatts für inakzeptabel.«
Allein diese kurzfristigen Maßnahmen belasteten die Industrie mit 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Während andere Länder die Forschung förderten, nehme die Regierung »billigend in Kauf«, mit »planwirtschaftlichen Eingriffen« Deutschland als Pharmastandort zu gefährden. »Die Maßnahmen werden wieder den Effekt haben, dass Investitionen an Deutschland vorbeifließen«, schimpft Yzer.
Und sie erhöht den Druck. Der VFA hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen, welches das geplante Schnellverfahren für unzulässig erklärt. Der höhere Herstellerrabatt soll in Paragraf 130 a Sozialgesetzbuch V verankert werden.
VFA-Gutachten kritisiert Verfahren
Diese Änderung plant Rösler an das GKV-Änderungsgesetz anzuhängen, das bereits in den Bundestag eingebracht ist. Der Bundesrat hat seine erste Stellungnahme abgegeben, die erste Lesung im Parlament ist für den 22. April vorgesehen. Da § 130 a aber bisher nicht Gegenstand des Gesetzesentwurfs, der Begründung des Bundesregierung und folglich auch nicht der Stellungnahme des Bundesrates sei, wäre dies eine unzulässige Verfahrensänderung, erörtert das Gutachten.
Vielmehr habe die Regierung in der ursprünglichen Begründung des GKV-Änderungsgesetzes noch ausgeführt, dass sich aus dem Gesetzesvorhaben »keine Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Einzelpreise oder das Verbraucherpreisniveau« ergäben. Offen mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht drohen, das will der VFA dann aber doch nicht. »Wir gehen davon aus, dass der Gesetzgeber sich erst mal selbst damit auseinandersetzt«, sagt Yzer. Sollte die Koalition dem Gutachten folgen, könnten die Erhöhung des Zwangsrabatts und das Preismoratorium nicht schon zum 1. August dieses Jahres in Kraft treten.
Yzer betont, dass auch die Industrie einen Beitrag zum solidarischen System leisten werde. Die Hersteller wollen nicht den Eindruck erwecken, sich den Sparmaßnahmen komplett zu verweigern. Auch haben sie rechtlich nichts direkt gegen die Maßnahmen in der Hand, nur gegen das Schnellverfahren.
Der VFA legt deshalb Verbesserungsvorschläge gleich mit auf den Tisch. Wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Zukunft über den Zusatznutzen von Arzneimitteln entscheide, müsse es eine Schiedsstelle geben. Rechtsschutz vor Gerichten dauere Jahre. Das wäre unangemessen, sagt Yzer. Außerdem solle ein Komitee die Entscheidungen vorbereiten, das mit Medizinern, Kostenträgern und Herstellern zu besetzen sei.
Die Preisverhandlungen über die Medikamente mit Zusatznutzen sollten mit den einzelnen Kassen stattfinden, fordert der VFA weiter. Den GKV-Spitzenverband als Verhandlungspartner vorzuschreiben, das schaffe ein neues Nachfragemonopol. Den Wettbewerb fördere es nicht. Für gescheiterte Verhandlungen hier aber eine Schiedsstelle vorzusehen, konterkariere geradezu die Verhandlungsoption. Die Kassen hätten keinen Druck mehr, zu verhandeln.
Von den früheren Hoffnungen auf Deregulierung ist in der Pharmaindustrie offenbar nichts geblieben. »Mit dem Koalitionsvertrag haben die Eckpunkte nichts gemeinsam«, konstatiert die Geschäftsführerin des VFA. Die Eckpunkte erinnerten sie an ein Verhalten von der Art: »Herr Lehrer, ich weiß was, ich kenne alle Regulierungsinstrumente, ich habe sie hier in einem Papier zusammengefasst.« /