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Interview

»Längst nicht mit allem einverstanden«

13.04.2010  15:09 Uhr

Von Bettina Sauer / Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) möchte Blutzuckerteststreifen für nicht-insulinpflichtige Typ-2-Diabetiker aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen streichen (siehe dazu Leistungskatalog: Teststreifen nicht mehr auf Rezept?). Dazu befragte die Pharmazeutische Zeitung Professor Dr. Thomas Danne, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

PZ: Professor Danne, auffällig viele Beschlüsse vom GBA betreffen Diabetiker (siehe Kasten). Woran liegt das?

 

Danne: Diabetes zählt zu den großen Volkskrankheiten und verursacht damit im Gesundheitssystem besonders hohe Kosten. Deshalb halte ich es im Prinzip für richtig, dass der GBA überlegt, wie sich die Betroffenen bestmöglich und kosteneffizient versorgen lassen.

 

PZ: Dabei folgte der GBA bisher stets Nutzen-Bewertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, des IQWiG, die er zuvor in Auftrag gegeben hatte. Sind diese denn aus Sicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft medizinisch angemessen?

 

Danne: Unsere Gesellschaft ist längst nicht mit allem einverstanden. Das geht aus unseren Stellungnahmen ganz klar hervor.

 

PZ: Welchen bisherigen Beschluss des GBA finden Sie besonders problematisch?

 

Danne: Den von 2008, wonach auch Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes keine kurzwirksamen Insulinanaloga mehr erstattet bekommen sollten. Denn die Umstellung der jungen Patienten auf Human­insulin bringt vielfach unzumutbare Komplikationen mit sich. Aus diesem Grund hat damals auch das Bundesgesundheitsministerium dem Beschluss widersprochen. Doch gerade läuft beim GBA schon wieder ein Verfahren, um die kurzwirksamen Insulinanaloga aus der Erstattungsfähigkeit auszuschließen, gestützt auf ein neues Gutachten des IQWiG. Die betroffenen Familien protestieren heftig dagegen, und ich hoffe sehr, dass sie damit Erfolg haben.

 

PZ: Was halten Sie denn von der aktuellen Beschlussvorlage des GBA bezüglich der Blutzuckerteststreifen?

 

Danne: Eine Stellungnahme der DDG befindet sich gerade im letzten Abstimmungsprozess und wird dem GBA zugehen. Ich darf den Inhalten nicht vorgreifen und kann mich deshalb hier nicht dazu äußern. Aber wir haben im Juli 2009 eine Stellungnahme zum zugehörigen Bericht des IQWiG veröffentlicht.

 

PZ: Darin bemängeln Sie, das IQWiG habe die falsche Fragestellung bearbeitet.

 

Danne: Genau. Blutzuckerteststreifen können doch nur einen Nutzen bringen, wenn Ärzte und Patienten aus den damit gemessenen Werten therapeutische Konsequenzen ableiten. Um die Effektivität zu messen, müssten Studien also Blutzuckermesswerte und antidiabetische Maßnahmen koppeln. Aber das hat das IQWiG nicht in seine Bewertung einbezogen.

 

PZ: Haben Sie grundsätzlich Kritik an der Arbeitsweise des Instituts?

 

Danne: Aus unserer Sicht gingen auch andere Berichte an der eigentlichen Aufgabenstellung vorbei. Manchmal scheint es, dass da eigentlich politische Gutachten unter dem Deckmantel der Wissenschaft erstellt werden. So kommt das IQWiG bezüglich des Nutzens der Insulinanaloga zu anderen Ergebnissen als beispielsweise das britische National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE).

 

PZ: Was wünschen Sie sich?

 

Danne: Dass die Fachgesellschaften und Patientengruppen bei den Entscheidungen des GBA stärker einbezogen werden. Deutschland braucht meiner Meinung nach einen koordinierten Plan zur Versorgung von Diabetikern, bei dem alle Beteiligten an einem Tisch sitzen. In vielen anderen europä­ischen Ländern gibt es schon solche Pläne. Außerdem fände ich eine gemeinsame europäische Arzneimittel-Bewertungsbehörde sinnvoll. Dann hätten wir eine europaweit gültige Meinung statt vieler Einzelmeinungen. /

GBA-Beschlüsse zum Thema Diabetes

Juli 2006: Kurzwirksame Insulinanaloga (Insulin aspart, glulisin und lispro) werden bei Typ-2-Diabetes grundsätzlich nicht mehr erstattet, wenn sie teurer sind als Humaninsulin.

 

Februar 2008: Kurzwirksame Insulinanaloga werden bei Typ-1-Diabetes grundsätzlich nicht mehr erstattet, wenn sie teurer sind als Humaninsulin. Das sollte auch für Kinder und Jugendliche gelten, wurde aber vom BGM abgelehnt. Derzeit läuft beim GBA ein neues Ausschlussverfahren.

 

März 2010: Langwirksame Insulinanaloga (Insulin glargin und detemir) werden bei Typ-2-Diabetes grundsätzlich nicht mehr erstattet, wenn sie teurer sind als Humaninsulin.

 

Derzeit laufende Verfahren betreffen Einschränkungen bei oralen Antidiabetika, nämlich den Glitazonen (Rosiglitazon, Pioglitazon) und Gliniden (Nateglinid, Repaglinid), bei langwirksamen Insulinanaloga für Typ-1-Diabetiker sowie bei Blutzuckerteststreifen für nicht-insulinpflichtige Typ-2-Diabetiker.

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