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Wundversorgung

Klebeband ahmt Geckofüßchen nach

08.04.2008  17:38 Uhr

Wundversorgung

<typohead type="3">Klebeband ahmt Geckofüßchen nach

Von Claudia Borchard-Tuch

 

Bislang nähen Chirurgen größere Wunden mit Nadel und Faden zu. In Zukunft könnten sie sie einfach zukleben. Forscher aus den USA und der Schweiz haben ein, abbaubares Klebeband für die Medizin entwickelt, das die Struktur von Geckofüßen imitiert.

 

Geckos klettern scheinbar mühelos glatte Wände empor. Und ohne große Anstrengung können sie mit einem ihrer Finger an der Decke pendeln. Die anatomischen Grundlagen dieser nahezu übernatürlichen Adhäsionskraft sind bereits seit einiger Zeit bekannt. Die Fußsohlen der Tiere sind von Millionen sogenannter Setae besetzt, winzige Härchen, die kürzer sind als der Durchmesser zweier Menschenhaare. Die Setae verzweigen sich in etwa Tausend noch kleinere Ballen: Mit diesen Fußhärchen-Ballen, den Spatulae, haftet der Gecko fest am Untergrund, da sich die extrem flexible und große Oberfläche des Gecko-fußes regelrecht an die Unterlage anschmiegt. Jede Vertiefung, jede Erhebung, jede Krümmung wird ausgefüllt. Es liegt Molekül an Molekül und Atom an Atom, auf der einen Seite der Geckofuß, auf der anderen die Wand. Dies sind ideale Voraussetzungen für ein Wechselspiel, das auf Van-der-Waals-Kräften beruht: Die Elektronen in den Molekülen und Atomen synchronisieren ihre Bewegungen, sodass es zu einer elektrischen Anziehung zwischen ihnen und den ruhenden Kernen kommt. Im Einzelfall ein äußerst schwacher Effekt, in der Menge jedoch mehr als ausreichend, um ganze Geckos über Kopf an der Decke »kleben« zu lassen und dies ohne jeden Klebstoff.

 

Doch dies gelingt nur, wenn alles trocken ist. Denn das Wechselspiel zwischen Fußmolekülen und Wandatomen findet ein jähes Ende, wenn Wasser die elektrischen Nanokräfte stört. Selbst feinste Wasserfilme vereiteln den direkten Kontakt, der für die Van-der-Waals-Wirkung unerlässlich ist, und der Gecko fällt herunter. Sein Haftsystem ist nicht wasserfest.

 

Wissenschaftler von der Universität Genf haben in Zusammenarbeit mit Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA, eine Gecko-Oberfläche entwickelt, die auch in Kontakt mit Wasser kleben bleibt, meldet die Universität Genf in einer Pressemitteilung. »Unser Ziel war es, ein Polymer zu entwickeln, das auch in feuchter Umgebung klebend, elastisch und abbaubar ist«, erklärt darin Dr. Andreas Zumbühl vom Department für Organische Chemie der Universität. »Zudem mussten wir auf Materialien setzen, die von der US-Food and Drug Administration bereits zugelassen waren.«

 

Haftprinzip kopiert

 

Bei der Entwicklung ihres Klebebandes ahmten die Wissenschaftler die Nano-Topografie der Geckofüße nach. »Wir haben uns vom Haftprinzip des auf den zahlreichen gespaltenen Härchen an der Unterseite der Geckofüße und damit einer erheblich vergrößerten Oberfläche für die Anhaftung inspirieren lassen und das Prinzip als Grundlage genommen«, sagte Zumbühl. Mithilfe lithografischer Methoden stellten die Forscher zunächst Oberflächen aus Poly-Glycerol-Sebacat-Acrylat (PGSA) mit kleinen, flachen Spitzen her.

 

An Darmgeweben von Schweinen testeten die Forscher in vitro, welcher Säulenabstand die optimale Klebekraft ergibt. »Der Unterschied zu den Geckofüßchen liegt darin, dass sich der Gecko innerhalb von zehn Millisekunden fortbewegt und die Adhäsion nicht so groß ist, dass er permanent haften bleibt«, sagt Zumbühl. »Die Adhäsionskraft unseres Klebers ist somit weitaus stärker als die des Geckofußes.«

 

Als Nächstes überzogen die Wissenschaftler die PGSA-Oberfläche mit einem klebeverstärkenden Zuckerpolymer, einem Aldehydgruppen tragenden Dextran (Dextranaldehyd, DXTA). Dadurch kann der Klebestreifen über einen längeren Zeitraum, das heißt bis zum Ende des Heilungsprozesses, in feuchter Umgebung halten. Die verbesserten Hafteigenschaften beruhen auf der Reaktivität der Aldehydgruppen: Sie verbinden sich mit Hydroxylgruppen des PGSA zu Hemiacetalen und mit Aminogruppen von Gewebeproteinen zu Iminen.

 

Im Rattenversuch erwies sich der Verbandstoff als erfolgreich, berichten die Forscher im Fachjournal »Proceedings of the National Academy of Sciences« (Band 105, Seiten 2307 bis 2312). Die Adhäsion des Verbandes war sehr stark. Es ergab sich eine gute Verträglichkeit des Materials; die Tiere zeigten lediglich eine leichte und unbedenkliche Entzündung. Die Forscher konnten zudem nachweisen, dass Cholinesterasen, die in menschlichen Makrophagen vorkommen, in der Lage sind, den Geckokleber vollständig abzubauen. Es gebe einen dringenden Bedarf an solchen abbaubaren, elastischen Bändern, sagt Zumbühl. Eingesetzt werden soll der Hightech-Verband unter anderem bei Operationen. Nähen zum Verschließen einer Wunde könnte überflüssig werden. Das Verbandmaterial eignet sich zudem zur Blutstillung bei Wundversorgung und kann Geschwüre und Verbrennungen abdecken. Medikamente oder Wachstumsfaktoren können in das Material eingebracht und so die Wundheilung beschleunigt werden. Es ist auch denkbar, dass die Klebebänder Hohlorgan-Anastomosen (Wiedervereinigungen von Hohlorganstümpfen nach Teilresektionen) wasserfest abdichten oder Hernien (Eingeweidebrüche) durch Implantation eines Maschennetzes aus Klebebändern stabilisiert werden. Das Forscherteam rechnet damit, dass der Verbandstoff innerhalb der kommenden fünf Jahre breite Anwendung finden wird.

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