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Antibiotika

»Wir dürfen sie nicht vergeuden«

05.04.2007  15:25 Uhr

Antibiotika

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Von Brigitte M. Gensthaler

 

Multiresistente Bakterien sind meist nicht virulenter als nicht-resistente Keime, dennoch sind die Infektionen schwieriger zu behandeln. Neben den hoch resistenten grampositiven Keimen bereiten zunehmend auch widerstandsfähige gramnegative Erreger Grund zur Sorge.

 

Je häufiger ein bestimmtes Antibiotikum eingesetzt wird, desto größer ist die Gefahr, dass Bakterien lernen, den Angreifer erfolgreich abzuwehren: Sie bilden Resistenzen. Gefährlich wird es, wenn Keime gegen mehrere Antibiotikaklassen resistent werden, sich ausbreiten und ihren Resistenzmechanismus untereinander austauschen. Gerade in Krankenhäusern bereiten hoch resistente Keime oft große therapeutische Probleme.

 

»Patienten, die an Infektionen mit multiresistenten Keimen leiden, haben meist eine schlechtere Prognose«, berichtete Professor Dr. Uwe Frank vom Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene in Freiburg bei einem Symposium des Pharmaunternehmens Wyeth Pharma. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen handelt es sich oft um ältere, multimorbide oder schwer kranke Patienten, die häufiger oder länger auf Intensivstationen liegen. Auch offene Wunden oder Dekubitalgeschwüre bieten eine Eintrittspforte für einige widerstandsfähige Keime. Zum anderen ist die antibiotische Therapie komplizierter und langwieriger, versagt häufiger und verursacht mehr Komplikationen und höhere Kosten.

 

Paradebeispiel bei den grampositiven Keimen ist der Methicillin- (und Oxacillin-) resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme sind hier klinisch unbrauchbar und viele MRSA sind zusätzlich resistent gegen andere Wirkstoffe wie Fluorchinolone, Tetrazykline und Aminoglykoside, verdeutlichte der Mikrobiologe. Auf dem Vormarsch sind auch Glykopeptid-resistente Enterokokken wie Vancomycin-resistenter Enterococcus faecium oder E. faecalis (VRE). Da die grampositiven Kokken wochenlang auf trockenen Flächen überleben können, sind VRE hoch problematisch für Intensivstationen. Weitere Gefahr: Die Vancomycin-Resistenz ist übertragbar auf Staphylococcus aureus. Vancomycin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme (VRSA), wurden bereits in den USA nachgewiesen, berichtete Frank.

 

Bei den gramnegativen Keimen bereiten Klebsiellen und E. coli, die Breitspektrum-Betalactamasen (ESBL) bilden, den Ärzten Sorgen, da die ESBL nicht nur Penicilline, sondern auch Breitspektrum-Cephalosporine inaktivieren. Zudem widerstehen immer mehr Coli-Bakterien dem Angriff von Fluorchinolonen. Ein Sorgenkind ist auch Pseudomonas aeruginosa, der natürlicherweise gegen viele Antibiotika unempfindlich ist. Hinzu kommen erworbene Resistenzen, zum Beispiel gegen Carbapeneme, die bereits bei 10 bis 25 Prozent der Isolate nachweisbar sind. 

 

Auf der Reservebank

 

Um dem weltweit wachsenden Problem Herr zu werden, haben die Centers of Disease Control bereits 2002 Regeln für die Resistenzkontrolle erlassen (Tabelle). Dennoch müssen die Ärzte in Kliniken immer häufiger zu Reserve-Antibiotika greifen. Dazu zählen beispielsweise Vancomycin, Linezolid, Daptomycin, Quinupristin/Dalfopristin oder Tigecyclin. Die neuen Wirkstoffe müssen sorgfältig eingesetzt werden: »Wir dürfen sie nicht vergeuden«, mahnte Dr. Peter Walger von der Uniklinik Bonn. Auch in Deutschland werden Bakterien auftreten, die nicht mehr behandelbar sind, prognostizierte der Arzt. Es gebe bereits Infektionen, die kaum noch beherrschbar sind.

 

Bei einem neuen Virulenztyp von Clostridium difficile versagt mitunter die Therapie mit Metronidazol oder Vancomycin; eventuell biete Tigecyclin eine Option. Bei VRSA könnten die Ärzte Linezolid oder Tigecyclin einsetzen, vielleicht auch Daptomycin. Linezolid-resistente Enterokokken sprechen noch auf Tigecyclin oder Daptomycin an. Fast aussichtslos ist der Kampf gegen pan-resistente Acinetobacter-Spezies oder Pseudomonaden, die gegen alle zugelassenen Antibiotika unempfindlich sind, sagte Walger. Hier sollte man auch an ältere Substanzen wie Colistin denken, das jedoch seinerseits sehr rasch Resistenzen induziert.

 

Mikrobiologie plus Apothekerrat

 

Bei schwer kranken Patienten ist es oft lebensentscheidend, frühzeitig das »richtige« Antibiotikum zu finden und zu geben. Professor Dr. Heinrich Geiss, leitender Hygieniker am Rhön-Klinikum Bad Neustadt, plädierte für die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Mikrobiologen, Ärzten und Apothekern im Krankenhaus. Neben einem guten Labor sei die infektiologische Beratung am Krankenbett unerlässlich. Initial sollte man ein Breitspektrum-Antibiotikum einsetzen, um dann möglichst schnell auf eine gezielte Therapie zu wechseln.

 

Bei nicht lebensbedrohlichen Infektionen, zum Beispiel bei der Otitis media, ist die Wahl des »richtigen« Antibiotikums nicht so entscheidend, wie eine große Studie 2002 gezeigt hat. Die Autoren fassten ihre Ergebnisse in der 90-60-Regel zusammen: Mit einem wirksamen Antibiotikum wurden 90 Prozent der Patienten gesund, mit einem für ihre Infektion unwirksamen Wirkstoff waren es immerhin 60 Prozent. Bei leichteren Infektionen kann sich Abwarten also durchaus lohnen.

CDC-Gebote zur Resistenzkontrolle

Grundregel Praxistipp
Infektionen verhüten Impfen
Katheter entfernen
effizient diagnostizieren und behandeln auf den Erreger zielen
Experten fragen
Antibiotika klug einsetzen kontrollierter Antibiotikagebrauch
lokale Epidemiologie beachten
Infektionen behandeln, nicht Kontamination oder Kolonisation
Vancomycin vermeiden
Therapie zeitig beenden
Transmission vermeiden Erreger isolieren
Übertragung vermeiden
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