Gentherapie vor der Zulassung |
05.04.2016 16:18 Uhr |
Von Annette Mende / In der EU wird höchstwahrscheinlich bald eine neue Gentherapie zur Verfügung stehen: Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat die Zulassung von Strimvelis™ zur Behandlung von Kindern mit der sehr seltenen Erbkrankheit ADA-SCID empfohlen.
ADA steht für Adenosin-Desaminase, SCID für schwere kombinierte Immundefizienz. Betroffene können aufgrund eines von beiden Elternteilen ererbten Gendefekts das Enzym Adenosin-Desaminase nicht bilden. Die Folgen sind eine nahezu nicht funktionierende Immunabwehr sowie diverse Wachstums- und Entwicklungsstörungen, die unbehandelt zum Tod innerhalb des ersten Lebensjahres führen. Die Erkrankung ist mit jährlich etwa 15 Betroffenen in der gesamten EU extrem selten.
Bislang sind die Therapieoptionen bei ADA-SCID sehr begrenzt. In manchen Fällen kann pegylierte ADA in wöchentlichen Infusionen verabreicht werden. Allerdings scheint diese Therapie mit der Zeit ihre Wirksamkeit zu verlieren, zudem ist sie in der EU nicht zugelassen. Die Stammzellspende eines engen Verwandten, zum Beispiel eines Geschwisterkindes, ist eine weitere Therapiemöglichkeit, die jedoch eine Hochdosis-Chemotherapie zur Vorbereitung erfordert. Zudem steht nicht in jedem Fall ein geeigneter Spender zur Verfügung und bei weniger guter Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger steigt die Wahrscheinlichkeit einer Abstoßungsreaktion.
Autologe Stammzellen
Für Fälle, in denen es keinen geeigneten Spender gibt, soll die neue Gentherapie infrage kommen: Dem Patienten werden dazu aus dem Knochenmark CD34+-Vorläufer-Stammzellen entnommen, das intakte ADA-Gen mittels eines Vektors eingefügt und die so veränderten Zellen wieder verabreicht. Zur Vorbereitung ist auch hier eine Chemotherapie erforderlich, jedoch in einer niedrigeren Dosierung als bei heterologer Stammzelltransplantation.
Hersteller GSK informiert in einer Pressemitteilung über die Ergebnisse des bisherigen Studienprogramms. Im Rahmen der Zulassungsstudie erhielten zwölf Patienten das neue Medikament, die nach durchschnittlich drei Jahren noch alle leben. Bei elf Patienten (92 Prozent) handelt es sich um ein interventionsfreies Überleben, das heißt, die Kinder brauchten während mindestens drei Monaten nach der Stammzellbehandlung keine Enzymersatztherapie. Von den insgesamt 18 Kindern, die bislang mit Strimvelis behandelt wurden, ist noch keines gestorben. Die längste Nachbeobachtungszeit beträgt 13 Jahre.
Es kam zu einer signifikanten Reduktion schwerer Infektionen, ohne dass bisher Fälle von Leukämie aufgetreten wären. Häufigste Nebenwirkungen waren laut EMA Fieber, Anstieg der Leberenzyme und Autoimmunreaktionen. Die EMA hat den Hersteller dazu verpflichtet, ein Register aller Patienten anzulegen, die mit Strimvelis behandelt wurden, um die Langzeiteffekte der Therapie zu überwachen. /